«Rösslimatt nicht mit Europaallee vergleichbar»
Die SP-JUSO-Fraktion will vom Stadtrat wissen, wie er verhindern will, dass in Luzern auf dem Entwicklungsareal Rösslimatt der SBB eine ähnlich gesichtslose und klotzige Überbauung entsteht wie an der «Europaallee» beim Zürcher Hauptbahnhof. Und sie wirft die Frage nach gemeinnützigen Wohnungen auf. Jetzt liegt die Antwort vor.
Die Luzerner Rösslimatt könne nicht mit der «Europaallee» verglichen werden, schreibt der Stadtrat in seiner Antwort auf die Interpellation mit dem Titel «Lebendige Stadt statt luxuriöse Betonwüste» von Melanie Setz Isenegger und Luzia Vetterli. Die Europaallee sei ja erst zu zwei Dritteln gebaut und könne städtebaulich sowie in ihrer Funktion noch gar nicht beurteilt werden, schreibt die Exekutive.
Auch wenn gewisse Parallellen auf der Hand liegen (und ebenfalls genannt werden): Grundeigentümer sind hier wie dort die SBB, die Bahnhofsnähe und der Nutzungsmix mit Arbeiten, Hochschule, Hotel und Kultur sind ebenfalls vergleichbar. Der Luzerner Stadtrat weist jedoch auf unterschiedliche Rahmenbedingungen hin. Die bauliche Dichte der Überbauung beim HB Zürich mit achtgeschossigen Bauten und einzelnen Hochhäusern sei deutlich höher als die übrige Zürcher Stadtbebauung und hebe sich bewusst ab. An diesem Ort seien höchstens Stadtwohnungen oder Lofts möglich und keine Familienwohnungen, wie sie die Luzerner wünschen.
Arbeitsnutzung im ersten Schritt
Das SBB-Areal Rösslimatt erstreckt sich auf fünf Hektaren östlich des Bahnhofs Luzern. Auf dem ehemaligen Industrieareal stehen heute zwei Bürogebäude, ein Wohnhaus, Abstellgleise und ein alter Güterschuppen. 2013 stimmten die Stadtluzerner einer Revision der Bau- und Zonenordnung für das Areal zu, damit das Land eingezont werden konnte. Vorgesehen ist eine «nachhaltige» und etappenweise Entwicklung. Die SBB haben einen Architekturstudienwettbewerb veranstaltet, bei dem die Stadt involviert war. Das Siegerprojekt des Berner Architekturbüros Rolf Mühletaler sieht eine «gemischte und nachhaltige Nutzung» vor: Dienstleistungs- und Wohnflächen, Kommerz, Gastronomie, Retail, Kultur und öffentliche Freiflächen.
Blockrandbebauung mit privaten Innenhöfen
Das Siegerprojekt des (Berner) Architekturbüros Rolf Mühletaler füge sich bewusst in die vorhandene Stadtlandschaft zwischen Hirschmatt/Neustadt und Tribschen ein. Die städtebauliche Dichte sei etwa mit dem Hirschmattquartier vergleichbar, so der Stadtrat. Die baulichen Typologien wie der Blockrand mit privaten Innenhöfen gewährleisteten eine vielfältige Nutzung, auch fürs Wohnen. Alle diese Rahmenbedingungen und Vorgaben würden im Gestaltungsplan 1 und später im Gestaltungsplan 2 für das gesamte Areal verbindlich verankert. «Damit unterscheiden sich die baulichen Voraussetzungen im Vergleich zur Europaallee erheblich.»
Einfluss wahrnehmen
Zum Einfluss auf die Planung der SBB schreibt der Stadtrat, Regierung und die Verwaltung hätten neben der üblichen Anwendungs- und Vollzugsaufgabe «besonders zur Mitgestaltung eines lebendigen Quartiers und eines öffentlichen Stadtraums beigetragen». Mit dem Gestaltungsplan könne die Vorgabe des Grossen Stadtrats, eine nachhaltige Neugestaltung mit einer urbanen Aufenthaltsqualität und einem geeigneten Nutzungsmix generell sichergestellt werden. Die Baudirektion werde Einfluss nehmen und ihren Spielraum ausschöpfen, versichert der Stadtrat.
In der ersten Bauetappe sind keine Wohnungen vorgesehen. Die reine Arbeitszone sei später durch eine Mischzone zu ersetzen, damit in späteren Etappen auch Wohnnutzungen möglich werden. Baukommission und Parlament seien bei einer Änderung einbezogen.
Die Stadt will zudem mit den SBB einen Rahmenvertrag abschliessen, in denen die gegenseitigen Verpflichtungen vereinbart werden. Inbesondere bezüglich der weiteren Planungsschritte und der öffentlichen Flächen. Damit ein Staddteil auch als öffentlicher Raum gebraucht werden, müssten die öffentlichen Aussenräumen vom Eigentumer der SBB zur Stadt übergehen.
Die Grossstadträtinnen wollten ebenfalls wissen, ob die Stadt mit der Gewährung eines Ausnützungsbonus gemeinnützigen Wohnraum fördern will. Der Stadtrat schreibt dazu, ein Ausnützungsbonus für gemeinnützige Wohnungen wie in anderen Arealen erübrige sich, da der Gestaltungsplan die maximale richtige Dichte festlege. «Ein zusätzlicher Bonus würde die städtebauliche Qualität daher nur mindern, da die Baubereiche und die Gebäudehöhen ausgeschöpft sind.»
«Zumindest nicht verunmöglichen»
Der Stadtrat findet es auch nicht sinnvoll, mit den SBB das Gespräch zu suchen und zum jetzigen Zeitpunkt eine Genossenschaft ins Boot zu holen. Die Parlamentarierinnen versprechen sich davon günstigen Wohnraum. In der Arbeitszone seien Wohnnutzungen ohnehin nicht zulässig. Bei späteren Planungsschritten und Umzonungen solle dies Frage «stufengerecht gestellt werden». Gemeinnütziger Wohnungsbau soll «zumindest nicht verunmöglicht werden.»
Gemäss der stadträtlichen Antwort werden die Flächen der geplanten Blockrandhöfe für den Bau des Tiefbahnhofs ab etwas 2040 gebraucht. Ob das bundesnahe Unternehmen SBB bis dahin andere Vorgaben bezüglich Anlagepraxis und der Unterstützung von bezahlbaren Wohnraum aufweist, sei ungewiss und abzuwarten.
«Durchaus denkbar»
Die Interpellantinnen stellen ebenso die Frage, wo die alternative Kulturszene hin soll, wenn das Areal einmal überbaut wird. Gibt es allfällige Ersatzräumlichkeiten für die Kultur- und Kreativwirtschaft? Platz für Kultur- und Kreativwirtschaft sei durchaus «denkbar», so der Stadtrat. Zum Beispiel in den noch verbleibenden Holzstrukturen entlang der Gleise und im Bereich des Hauses Güterstrasse 7 (das 1905 erbaute Gebäude ist im Bauinventar der Stadt Luzern). Ebenfalls bleiben darf das alternative Kulturzentrum «Schüür», das ausserhalb des Rayons liegt und der Bereich der Zone für öffentliche Zwecke (Spange Süd).
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