Gemeinnütziger Wohnungsbau in Zug

Riesiges Interesse an der Steinhauser Super-WG

Die Freude über den bevorstehenden Einzug der Mieter steht ihnen ins Gesicht geschrieben: Gewoba-Geschäftsführerin Esther Keiser und Präsident Jascha Hager. (Bild: bic)

Ein Pionierprojekt in Steinhausen will das gemeinschaftliche Wohnen fördern. Die Idee: Vieles wird gemeinsam vorangetrieben und genutzt. Das Interesse an den kleinen Wohnungen ist immens. Trotz anfänglicher Skepsis im Quartier.

Noch handelt es sich beim neuen Gebäude der Genossenschaft für gemeinnützigen Wohnungsbau Zug (Gewoba) an der Goldermatterstrasse in Steinhausen erst um einen Rohbau. Aus den nackten Betonwänden hängen verschiedene Kabel und auch einen Belag auf dem Fussboden sowie die sanitären Installationen sucht man derzeit noch vergeblich.

Trotzdem lud die Gewoba am Wochenende zum ersten Besichtigungstermin ihres neue Projekts «Gemeinsam Wohnen». Die Idee: Die Mieterinnen haben alle eine kleine Wohnung, verschiedene Räumlichkeiten wie der Gemeinschaftsraum im Parterre, die Dachterrasse, der Garten und diverse Alltagsgegenstände werden aber gemeinsam genutzt (zentralplus berichtete).

Riesiges Interesse und viele Bewerber

Eines der Hauptziele ist, dass dadurch die individuelle Wohnfläche reduziert wird. Wie das konkret geschehen soll, entscheiden die künftigen Mieterinnen selber und ohne Vorgabe der Gewoba. Einzig das Motto ist vorgegeben: «Zusammen leben statt nebeneinander wohnen», lautet das Credo.

Die Resonanz auf die Ausschreibung der Wohnungen ist enorm, wie ein Augenschein am ersten Besichtigungstermin vor Ort zeigt: «Bislang haben wir rund 90 Interessenten für die neun Wohungen», sagt Gewoba-Geschäftsführerin Esther Keiser stolz. Wegen Corona dürfen die potenziellen Mieter das Haus in mehreren Gruppen von maximal zehn Personen besichtigen.

Hier findest du ein paar Impressionen aus dem Haus:

Voll der WG-Typ

An der Goldermattstrasse zu leben, kann sich auch die 50-jährige Cécile Alder aus Steinhausen vorstellen. «Momentan lebe ich mit meiner Familie in einer grossen 4,5-Zimmer-Wohnung. Diesen Haushalt lösen wir Anfang nächstes Jahr aber auf», erzählt sie. Für sie stelle sich deshalb die Frage, ob sie alleine in der Wohnung bleiben möchte, oder eine Wohngemeinschaft gründen soll.

«Da eine Hausgemeinschaft für mich das optimale ist, bin ich auf dieses Projekt gestossen», sagt Alder, die als Assistentin der Geschäftsleitung bei der Zuger Wirtschaftskammer arbeitet. Projekte wie jenes an der Goldermattstrasse wünsche sie sich im Kanton Zug schon lange. Dies sei auch der Grund, weshalb sie sich bei der Gewoba angemeldet habe. Ob sie sich dann tatsächlich für eine der kleinen Wohnungen bewirbt, kann Alder aber noch nicht sagen.

Ist nicht der Typ, der gerne alleine wohnt: Cécile Alder aus Steinhausen.

Vom Bergdorf in die moderne Hausgemeinschaft

Einiges konkreter sind hingegen die Pläne von Miranda Jacomella und ihrem Freund Marco. Die beiden Anfangdreissiger stammen aus zwei verschiedenen Bündner Bergtälern und wohnen derzeit in Baar. Sie würden sich auf jeden Fall bewerben, sagen sie nach der Besichtigung. Vom Konzept und dessen architektonischer Umsetzung sind sie sichtlich angetan.

«Ich habe den Eindruck, dass man die Idee dahinter den Zugerinnen erst noch erklären muss.»

Esther Keiser, Gewoba-Geschäftsführerin

«Wir sind vor fünf Jahren aus beruflichen Gründen von Graubünden nach Zug gekommen. Das Projekt könnte uns helfen, hier besser Fuss zu fassen und neue Freundschaften zu knüpfen», schildert Jacomella ihre Beweggründe. Sie arbeitet bei einem Finanzinstitut, Marco als Entwicklungsingenieur bei einem Zuger Technologieunternehmen. «Ich finde es vor allem super, dass man zwar zusammen wohnt, aber trotzdem einen privaten Rückzugsort hat, wenn man einmal gerade nicht so Lust auf die anderen hat», führt er aus.

Hoffen, Teil des Projekts zu werden: Miranda und Marco aus Graubünden.

Skepsis und Faszination im Quartier

Unter die Mietinteressentinnen hat sich auch die 77-jährige Erika Brunner gemischt. Sie wohnt seit zehn Jahren im grossen Wohnblock gleich nebenan und kam aus der Stadt Zürich nach Steinhausen. «Ich bin platt und fasziniert, dass man den Mut hat, ein solches Projekt zu lancieren. Ich finde es enorm spannend», so die Rentnerin.

Folglich bräuchte es ihrer Meinung nach noch viel mehr solcher Projekte, denn gerade für ältere Leute könne dies optimal sein. Einziehen will Brunner allerdings nicht. «Mir fehlt der eigene Balkon, wo ich einen Kaffee trinken und eine rauchen kann», so ihre Begründung für den Verzicht.

Dass das neue Haus im Quartier einiges an Aufmerksamkeit erlangte hat, bestätigt auch Gewoba-Geschäftsführerin Esther Keiser: «Gemeinnütziges Bauen im Allgemeinen und das gemeinschaftliche Wohnen im Besonderen ist im Kanton Zug noch wenig bekannt. Ich habe den Eindruck, dass man die Idee dahinter den Zugerinnen erst noch erklären muss.»

«Wir wollen unbedingt verhindern, dass unsere Mieter ständig durch das Quartier fahren, um einen Parkplatz zu finden.»

Esther Keiser, Gewoba-Geschäftsführerin

Denn viele Leute hätten eine falsche Vorstellung davon. So sei im Quartier anfänglich die Befürchtung im Raum gestanden, dass es sich beim Projekt an der Goldermatte um Sozialwohnungen handle, die entsprechende Bewohner anziehen würden. Diese Skepsis habe man zusammen mit der Gemeinde an verschiedenen Infoveranstaltungen aber aus dem Weg räumen können, so Keiser. Die Gemeinde sei es auch gewesen, die der Gewoba das Grundstück zur Verfügung gestellt hat.

«Viele Leute finden es auch speziell, dass wir rund um das Haus keinen einzigen Parkplatz anbieten», führt Keiser aus. Wer im neuen Gebäude wohnen will und ein Auto besitzt, muss anhand eines gültigen Mietvertrages darlegen, dass er oder sie einen fixen Stellplatz hat. «Wir wollen unbedingt verhindern, dass unsere Mieter ständig durch das Quartier fahren, um einen Parkplatz zu finden oder den Wagen bei den Nachbarn abstellen. Denn das wäre ganz heikel», sagt Keiser dazu.

Motivationsschreiben und Bewerbungsgespräche

Losgehen soll es mit Beginn des neuen Jahres. Bis dahin werden, ähnlich wie bei einer Stellenausschreibung, Bewerbungsgespräche geführt. Zuvor müssen die Interessentinnen in einem Motivationsschreiben aufzeigen, weshalb sie die richtigen Personen für das Projekt sind und inwiefern man zur gemeinsamen Idee beitragen kann und will.

Die von der Gewoba ausgewählten möglichen Mieter treffen sich dann zumindest an einem Kennenlernabend. Verläuft dort alles nach Plan und findet man sich, steht dem Start im neuen Jahr nichts mehr im Weg. Werden die Erwartungen erfüllt, soll es im Kanton Zug dereinst weitere und vor allem auch grössere solcher Projekte geben, schmiedet die Geschäftsführerin bereits Zukunftspläne.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Daniela Bucher
    Daniela Bucher, 16.08.2020, 22:19 Uhr

    Spannendes Projekt, auch wenn mir die Nachbarn so etwas zu nahe wären.

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