Immer mehr Rentner greifen Lehrern unter die Arme

Rentner als günstige Hilfskräfte für Luzerner Schulzimmer?

Sie ist in Luzerner Schulzimmern enorm gefragt: Eine Seniorin löst mit einer Schülerin eine Aufgabe.

(Bild: Lukas Chapchal)

Seit 2005 sind im Kanton Luzern Senioren ehrenamtlich in Schulzimmern beschäftigt. Die Nachfrage nach Pensionierten, die Kinder und Lehrer in der Schule unterstützen, steigt ständig. 98 Personen werden momentan gesucht. Sucht der finanziell klamme Kanton günstige Hilfskräfte?

Viele der heutigen Senioren sind sehr aktiv. Rentnerorganisationen, die Wirtschaft sowie Kantone und Gemeinden arbeiten in diversen Projekten zur Aktivierung der älteren Generation zusammen (zentralplus berichtete).

Ein im Kanton Luzern seit 2005 unter dem Namen «Senioren im Klassenzimmer» laufendes Projekt soll indes nicht nur die Rentner aktiv halten, sondern gleichzeitig die Verständigung und das Verständnis zwischen den Generationen fördern. Profitieren sollen alle drei beteiligten Generationen: Schüler, Lehrer und Rentner.

Idee kam von Pro Senectute

Angestossen wurde das «Generationenprojekt», wie es die Seniorenorganisation Pro Senectute nennt, von der Organisation selbst. Für Graziella Bättig von Pro Senectute ist denn auch entscheidend, dass gerade die Senioren vom Projekt profitieren. Entstanden ist die Idee ursprünglich in Deutschland.

«Viele fallen nach der Pensionierung in ein Loch.»

Graziella Bättig, Pro Senectute

Die Organisation lancierte  das Projekt im 2005. «Wir haben uns damals aktiv an den Kanton gewandt», sagt Bättig. Dort sei man sofort auf offene Ohren gestossen. Einen ersten Versuch machte man in einem Schulhaus in Kriens. Schnell war klar, dass das Projekt auf das gesamte Kantonsgebiet ausgeweitet werden soll.

Beschäftigung im Alter wichtig

«Viele Leute fallen nach der Pensionierung in ein Loch», so Bättig. Das Engagement in den Schulen biete eine sinnstiftende Beschäftigung, was gerade im Alter sehr wichtig sei. Generell sei die Freiwilligenarbeit bei Pro Senectute breit abgestützt. Die Arbeit in den Schulklassen sei nur eines von vielen Beschäftigungsangeboten. «Mittlerweile ist es jedoch eines der beliebtesten», sagt Bättig. 

Auch aus pädagogischer Sicht können Senioren sehr wertvoll sein. Davon ist man beim Kanton überzeugt. Pensionierte würden sich bei vielen Themen mit eigenen Erfahrungen einbringen. «Von der Lebenserfahrung und dem Wissen der Senioren können die Kinder und Jugendlichen profitieren», sagt Joe Bucheli von der Dienststelle für Volksschulbildung beim Kanton Luzern.

Um am Projekt teilzunehmen, braucht es kein pädagogisches Vorwissen. Der pensionierte Schreiner kann genauso im Klassenzimmer arbeiten wie die ehemalige Rechtsanwältin.

Dialog Teil des Bildungsauftrages

Deshalb sei es selbstverständlich, dass die Volksschule an Bestrebungen interessiert ist, Kinder und Pensionierte miteinander in Kontakt zu bringen. «Denn das gegenseitige Verständnis zu wecken, gehört zum Bildungsauftrag der Volksschule», so Bucheli.

«Das Angebot fördert den Dialog und die Solidarität über die Generationen hinweg und ermöglicht ein vertieftes gegenseitiges Verständnis.» Neben dem Austausch zwischen Kindern und Pensionierten sei auch die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und den Senioren sehr wertvoll und lehrreich.

Konkurrenz zu bezahlten Stellen?

Graziella Bättig von Pro Senectute und Joe Bucheli vom Kanton wollen betont haben, dass die Senioren für alle Kinder gleichermassen da sind. Die gezielte Betreuung einzelner Schüler sei nicht im Sinne des Projektes.

«Seniorinnen und Senioren sind im regulären Unterricht für eine zusätzliche Bereicherung des Unterrichts vorgesehen», sagt Joe Bucheli vom Amt für Volksschulbildung. «Sie dürfen nicht als Ersatz für fehlende Begleitpersonen, Klassenassistenzen oder für individuelle Förderprogramme eingesetzt werden.»

Dies ist Teil der beschlossenen Vereinbarung zwischen Kanton und Pro Senectute. Hier wird auch das Finanzielle geregelt. Die Kosten für die Administration sowie allfällige Spesen der Senioren werden je zur Hälfte vom Kanton und der Organisation getragen. Für ihren Einsatz werden die Senioren finanziell nicht entschädigt.

«Gerade in der momentanen finanziellen Situation des Kantons müssen wir sämtliche Anfragen von Schulgemeinden genau prüfen.»

Graziella Bättig, Pro Senectute

«Das Projekt darf keine Konkurrenz zu bezahlten Stellen sein», präzisiert Graziella Bättig von Pro Senectute. Sie macht dies an einem Beispiel fest: «Vor einigen Jahren gab es einen Fall, bei dem das Bedürfnis der Schule den Rahmen des freiwilligen Angebots überschritt und der Senior daraufhin auf üblicher Lohnbasis als Klassenassistenz eingestellt wurde.»

Sowohl Kanton als auch die Pro Senectute geben an, penibel darauf zu achten, dass das Angebot von Schulen nicht missbraucht werde. Gerade in der momentanen finanziellen Situation des Kantons müsse man sämtliche Anfragen von Schulgemeinden genau prüfen, so Graziella Bättig von Pro Senectute. «Da diesbezüglich schon einmal ein Verdacht bestand, mussten wir schon eine Schule abweisen», sagt sie.

Vor allem in der Stadt beliebt

Das Angebot in den Schulen ist laut Graziella Bättig von Pro Senectute vor allem in der Stadt beliebt. «Im Moment müssen wir interessierte Senioren sogar vertrösten», so Bättig. Kantonsweit haben bisher 240 Senioren einen Platz in einer Klasse gefunden.

Etwas anders präsentiert sich die Situation in den ländlichen Gebieten: 98 Klassen aus 20 Gemeinden auf dem Land sind aktuell auf der Suche nach einem Senior. «Viele Lehrpersonen kümmern sich aktiv um ein Engagement, müssen momentan aber noch zu oft enttäuscht werden», bedauert Bättig.

Sie vermutet, dass die Erreichbarkeit der Schulen auf dem Land für ältere Personen teils etwas schwierig ist. Die meisten der aktiven Senior/innen stammten aus dem urbanen Raum und würden den ÖV benutzen, um zu ihren Klassen zu gelangen. Die Entfernungen und mehrmaliges Umsteigen seien für einige Pensionierte ein Hinderungsgrund. Gerade, wenn sie nicht mehr so gut auf den Beinen seien.

Positive Entwicklung

Damit das Angebot auch auf dem Land vor allem bei den Senioren noch mehr Beachtung findet, seien vermehrt regionale Treffen geplant, so Joe Bucheli vom Kanton.

Dank den Angeboten von Pro Senectute, erlebnisreichen Dankesveranstaltungen für die Senioren und einem neuen Flyer sei es gelungen, die Zahl der teilnehmenden Klassen zu steigern. Joe Bucheli vom Amt für Volksschulbildung ist überzeugt, dass diese positive Entwicklung so weitergehen wird. Auch und vor allem auf dem Land.

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