Luzern: «Gastronomie wird an den Pranger gestellt»

Remimag-Chef holt zum Rundumschlag aus

Remimag-Geschäftsführer Florian Eltschinger ärgert sich über das Postulat von Marlene Odermatt.

(Bild: jwy / Bildmontage )

Florian Eltschinger schreibt sich in Rage in einem emotionalen Brief an SP-Kantonsrätin Marlene Odermatt. Der Co-Geschäftsführer der Gastronomiekette Remimag findet das von ihr per Postulat geforderte Hygienezeugnis überflüssig. Die kritisierte Kantonsrätin kann die Aufregung nicht nachvollziehen.

Die Eltschingers sind für ihre unverblümten Worte bekannt – sie provozieren gerne. Nun ist eine SP-Kantonsrätin an der Reihe: Florian Eltschinger, Co-Geschäftsführer der Remimag-Gruppe, beschwert sich in einem Brief an Marlene Odermatt über deren Vorstoss (zentralplus berichtete).

Odermatt fordert mehr Transparenz als Reaktion auf mehrmalige Hygieneverstösse in einem Luzerner Gourmet-Lokal. Das gebüsste Lokal outete sich schliesslich freiwillig selber: Der Wirt des «Maihöfli» entschuldigte sich und gelobte Besserung (zentralplus berichtete). Normalerweise bleiben die Urteile des Lebensmittelinspektors im Dunkeln. Odermatt fordert deshalb, dass künftig in hiesigen Restaurants Qualitätsbescheinigungen ausgestellt werden – eine Art Hygienezeugnis, wie man es im Kanton Zug kennt (zentralplus berichtete).

Gastronomie werde «an den Pranger gestellt»

Das ist gar nicht nach dem Gusto des Gastronomieunternehmens mit über 12 Restaurants in Luzern. Eltschinger findet die Massnahme «unnötig und überflüssig», schreibt er im Brief (hier als PDF). Der Gastronom empfindet die mediale Berichterstattung über den jüngsten Vorfall übertrieben und fragt, «ob da nicht mit Kanonenkugeln auf Spatzen geschossen wurde». So schreibt er, pro Jahr würden von 2500 Betrieben ca. 12 Anzeigen eingereicht, das entspreche «sagenhaften» 0,5 Prozent aller Betriebe im Kanton Luzern. Er nimmt auch die Medien in die Pflicht, «das ganze Thema wird durch die Presse mit ihrer sehr, sehr ausführlichen Berichterstattung künstlich aufgeblasen».

Eltschinger schreibt weiter, die Remimag sei ganz klar für die Kontrolle durch den Lebensmittelinspektor. Er ist jedoch nicht einverstanden, wie das Gastgewerbe behandelt wird: «Wir wehren uns vehement dagegen, dass die Gastronomie an den Pranger gestellt wird, denn hier geht es schlussendlich nicht um Leben und Tod.»

Eltschinger wünscht sich Rückzug des Postulats

Im Brief verlangt Eltschinger, dass die Spiesse für alle gleich lang sein müssten und nicht nur eine Branche herausgepickt werde. Eltschinger nennt in einem Rundumschlag einige weitere «Ideen», was mittels Zertifikaten ebenfalls öffentlich belegt werden müsste: Zertifikate für alle Lebensmittel verarbeitenden Betriebe wie Bäckereien oder Molkereien, ein Zertifikat in Wartezimmern von Ärzten, die eine falsche Diagnose stellten und aufgrund dessen ein Patient gestorben ist. Oder: «Ein Zertifikat für Amtsstellen, die nicht effizient arbeiten und so die Wirtschaft blockierten.» Diese Liste könne laut Eltschinger beliebig erweitert werden.

«Der Herr hat meinen Vorstoss nicht gelesen, mein Postulat ist sehr pragmatisch verfasst und moderat in seiner Forderung.»

Marlene Odermatt, SP-Kantonsrätin

Im Anschluss beschwert sich Eltschinger auch über Bewertungsplattformen wie Tripadvisor. Diese «gehören in der Hotellerie und Gastronomie zur täglichen Herausforderung und bestimmen durch Rankings, welcher Betrieb auf der ersten Seite einer Plattform zu finden ist». Da könne nicht genau nachgewiesen werden, wer hinter den Bewertungen stecke.

Zum Abschluss schreibt Eltschinger, Odermatt solle als Politikerin im «Sorgenbriefkasten der Stadt Luzern» auf Facebook nachlesen, wo der Schuh in der Bevölkerung drücke (zentralplus berichtete). Ausserdem «würde es uns freuen, wenn Sie Ihren Vorstoss überdenken und überall gleich lange Spiesse anwenden».

Odermatt versteht Aufregung nicht

SP-Kantonsrätin Marlene Odermatt versteht die Aufregung um ihren Vorstoss nicht.

SP-Kantonsrätin Marlene Odermatt versteht die Aufregung um ihren Vorstoss nicht.

(Bild: zVg)

SP-Kantonsrätin Marlene Odermatt ist über den Brief des Remimag-Geschäftsführers erstaunt: «Die Aufregung ist nicht nachvollziehbar. Die Betriebe müssen keine Angst haben.» Ihr Postulat sei nicht gegen die Gastronomie gerichtet, im Gegenteil, dieses Hygienezeugnis diene dazu, die Kunden über die Sauberkeit im Betrieb zu informieren.

Ausserdem wehrt sich Odermatt gegen den Vorwurf, die Gastrobranche werde mit dem Zertifikat ungleich behandelt: «Viele der genannten Beispiele auf Eltschingers Liste werden ebenfalls geprüft oder sind bereits umgesetzt.» Sie verweist auf den Kanton Zug: «Dort gibt es das Hygienezertifikat schon länger und hat sich bewährt. Weshalb soll das nicht auch im Kanton Luzern möglich sein?»

Odermatt, die nach eigenen Angaben sehr oft selbst in Restaurants geht, möchte wissen, wie es um die Sauberkeit im Betrieb steht: «Wenn ich essen gehe, möchte ich in einen Betrieb, der ein sehr gutes oder gutes Hygienezertifikat hat.

Den indirekten Populismus-Vorwurf von Eltschinger lässt Odermatt nicht gelten: «Der Herr hat meinen Vorstoss nicht gelesen, mein Postulat ist sehr pragmatisch verfasst und moderat in seiner Forderung.» Ihren Vorstoss wird Odermatt auf jeden Fall nicht zurückziehen: «Er ist eingereicht und ich stehe dazu.»

Zudem habe der Vorstoss hohe Wellen geschlagen: «Ich habe noch nie so viele Reaktionen aus der Bevölkerung erhalten, gerade heute Mittag hat wieder jemand geschrieben.» Viele hätten sehr positiv reagiert und finden mein Anliegen sehr berechtigt, aber es habe auch vereinzelte kritische Stimmen gegeben.

Blick durch das Restaurant zu den Fenstern an der Pilatusstrasse.

Blick durch das Remimag-Restaurant Anker zu den Fenstern an der Pilatusstrasse.

(Bild: lwo)

Druck auf Wirt ist bereits genug gross

Es ist nicht das erste Mal, dass die Remimag sich mit der Politik und der Verwaltung anlegt (zentralplus berichtete): Im kürzlich eröffneten Hotel-Restaurant Anker hat das Unternehmen die erste Unisex-Toilette des Kantons eingerichtet, obwohl dies gegen geltendes Recht verstösst.

Legen sich die Eltschingers gerne mit der Politik und Verwaltung an? «Auf keinen Fall. Aber wir halten die Dinge nicht unter dem Tisch», stellt Florian Eltschinger klar. Ausserdem sei er nicht der Einzige, dem Odermatts Forderung nicht passte: «Ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da. Ich habe mich mit verschiedenen Wirten sowie mit Patrick Grinschgl, dem Präsidenten des Wirteverbandes Gastro Amt Luzern, besprochen, bevor ich diesen Brief geschrieben habe.»

Eltschinger hält fest, dass es bei den Remimag-Betrieben keine Probleme gibt. Was aber mit dem betroffenen Luzerner Wirt geschehen sei, als die Hygienemängel publik wurden, «ist brutal und geschäftsschädigend. Bei den Mängeln ging es nur um abgelaufene Lebensmittel, nicht um Leben und Tod». Der Druck auf die Wirte sei bereits genug gross, die Forderung Odermatts deshalb übertrieben. Das würde die sowieso schon schwierige Situation der Wirte unnötig erschweren, so Eltschinger.

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