Die Bilanz nach dem WM-Schlusspfiff

Rekordaufmarsch an den Luzerner Public Viewings

1:1 – die Kroaten sind aus dem Häuschen.

(Bild: giw)

Während in Zürich die Zeit der Public Viewings abgelaufen scheint, setzt man in Luzern immer noch auf das kollektive Fussballerlebnis: Die Organisatoren sind sehr zufrieden und vermelden gar Rekordzahlen. Das Wetter machte das Ausscheiden der grossen Teams mehr als wett. Doch ein Wermutstropfen bleibt.

 

Noch ein letztes Mal hat sich am Sonntagabend landauf landab das Volk vor den Leinwänden versammelt, um kollektiv mitzufiebern. In Massen lässt sich’s doch viel schöner jubeln (Frankreich) – und noch dramatischer trauern (Kroatien).

Nach viereinhalb Wochen rollen die Public Viewings ihre Leinwände wieder ein und räumen die Zapfhahnen ab. Zeit für eine Bilanz – und diese fällt in Luzern und Umgebung rundum positiv aus: Die Organisatoren sind mit Publikumsaufmarsch und Umsatz zufrieden, wie eine Umfrage zeigt. Ganz im Gegensatz zu Zürich, wo vor den grossen Leinwänden oft Tristesse herrschte. «Das Public Viewing ist tot», titelte gar der «Tagesanzeiger». Anders in Luzern, hier scheint das Fussballgucken in Massen beliebter denn je.

Neuer Rekord in der Ufschötti

Zum sechsten Mal schon gab’s bei der Luzerner Ufschötti ein Public Viewing zugunsten von Strassenkindern – und obwohl die definitiven Zahlen noch fehlen, kann Organisator Urs Bucher schon freudig vermelden: «Wir sind sehr zufrieden, es lief so gut wie noch nie.» Das ist vor allem dem Wetter zu verdanken und sicher auch der Bekanntheit, welche die Ufschötti inzwischen hat. Nur einmal hat es geregnet.

800 Personen fanden Platz vor dem grossen Screen auf dem Kiesplatz. Zwar mussten nur gerade an den Schweizer Spielen Zuschauer wieder nach Hause geschickt werden. Dennoch hat sich der Platz laut Bucher an den Wochenenden immer gut gefüllt. Lediglich ein bis zwei Spiele waren nicht so gut besucht.

Ob noch mehr Zuschauer gekommen wären, wenn grosse Teams wie Deutschland, Spanien oder Brasilien länger im Turnier verblieben wären? «Vielleicht», sagt Bucher, allerdings seien auch Kroatien-Fans zahlreich erschienen. Kleiner Wermutstropfen: Das Finalspiel war nicht ausverkauft, es schauten «nur» 600 Zuschauer zu, das Wetter war wohl zu unsicher.

Bei den Schweizer Spielen war die Ufschötti restlos ausverkauft.

Bei den Schweizer Spielen war die Ufschötti restlos ausverkauft.

(Bild: jwy)

In den letzten Jahren konnte der Verein «Am Ball für Strassenkinder» jeweils einen Reingewinn zwischen 50’000 und 115’000 Franken spenden. «Ich gehe davon aus, dass wir den Rekord knacken», so Bucher, den wir mitten in den Abräumarbeiten erwischen. Dies sei nur dank wiederum 150 Helfern möglich.

Ob es in der Ufschötti in zwei Jahren an der EM wieder ein Public Viewing gibt, ist noch nicht definitiv entschieden. Ein Fragezeichen macht Bucher für die nächste WM in Katar, die im Winter stattfindet. «Vielleicht gibt’s dann ein Fonduestübli», scherzt er.

Erfolgreiche Premiere in Sursee

In Sursee auf dem Martignyplatz hat man im Gegensatz zu erfahrenen Veranstaltern Neuland betreten. Dort hat die regionale Bierbrauerei Braustation eines der grössten Public Viewings der Region durchgeführt. Braustation-Gründer Andreas Stöckli ist sehr positiv überrascht, wie er auf Anfrage sagt. «Es hat sich absolut gelohnt», sagt er, «wir wollen das Public Viewing an der EM in zwei Jahren unbedingt wieder durchführen.»

«Die Surseer hatten Freude, dass wir solch eine Stimmung hinzaubern konnten», sagt er. Mit maximal 800 Personen haben sie anfänglich gerechnet, an den Schweizer Spielen wurden sie jedoch von bis zu 2’000 Fans überrannt. Für die Organisatoren war das eine ziemliche Challenge. Im Schnitt kamen zwischen 300 und 400 Zuschauer an die Spiele, schätzt Stöckli.

Volles Haus auf dem Martignyplatz in Sursee beim Spiel Schweiz gegen Schweden.

Volles Haus auf dem Martignyplatz in Sursee beim Spiel Schweiz gegen Schweden.

(Bild: jal)

Gröbere Vorkommnisse oder Reklamationen von Nachbarn blieben aus. Aber das Team hatte durchaus Respekt vor dem Public Viewing, die Auflagen seien hart, die Fixkosten hoch: Personal, Sicherheit, Mobiliar. «Das ist nicht so einfach und schreckt viele ab», sagt Stöckli, der schon Erfahrung im Eventbereich hat, sich selber aber nicht als extremen Fussballfan bezeichnet.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor war sicher das Wetterglück, nicht einmal habe es in Sursee während der Spiele geregnet, selbst am Finaltag, an dem es in Luzern noch gehagelt hat. Der Tiefpunkt war das Ausscheiden der Schweizer Mannschaft im Achtelfinal. «Das haben wir klar gemerkt, danach war der Hype vorbei», so Stöckli. Sinnbildlich dafür war das Spiel um Platz 3 letzten Samstag, das am schlechtesten von allen besucht war.

Mehr Zuschauer beim Schweizerhof

Auch der Platz hinter dem Hotel Schweizerhof wurde wieder zum Hotspot für Fussballfans im Zentrum Luzerns. Hier wurden die WM-Spiele auf einer 30 Quadratmeter grossen LED-Leinwand gezeigt. Und auch beim Schweizerhof ist man mit der zu Ende gehenden WM «sehr zufrieden», wie Geschäftsleitungsmitglied Roman Omlin sagt. Dank dem hervorragenden Wetter zog das Public Viewing mehr Gäste an als bei der EM vor zwei Jahren. Da kann man es auch verschmerzen, dass publikumsstarke Teams wie Deutschland und Spanien früh ausschieden – oder die Italiener und Holländer gar nicht erst dabei waren.

Genaue Besucherzahlen werden beim Schweizerhof nicht erhoben, aber wie in Sursee schätzen die Verantwortlichen den Aufmarsch bei den Schweizer Spielen auf über 2’000. «Ausgezeichnet lief dieses Jahr auch der Kontakt mit den Behörden der Stadt, der Polizei und unseren Anwohnern», so Omlin.

Für das Festival-Hotel sind die WM-Spiele vor allem wichtig «für das Image als Gastgeber der wichtigsten Luzerner Anlässe für die einheimische Bevölkerung», so Omlin. «Sofern sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, haben wir vor, auch 2020 wieder ein ähnliches Public Viewing zu organisieren.»

Auch den Final wollten am Sonnntag viele Frankreich- und vor allem Kroatienfans beim Schweizerhof sehen.

Auch den Final wollten am Sonnntag viele Frankreich- und vor allem Kroatienfans beim Schweizerhof sehen.

(Bild: zvg)

Auch die Mall ist zufrieden

Auch die Mall of Switzerland wollte die WM nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. In Ebikon haben die Organisatoren nicht nur die Spiele gezeigt, sondern Torwandschiessen, Game-Turniere oder Talks mit Experten organisiert. Auch das Einkaufszentrum zieht eine «positive erste Bilanz», wie die Mall of Switzerland auf Anfrage mitteilt.

Das unerwartet frühe Ausscheiden grosser Mannschaften habe die Stimmung des Public Viewings nicht getrübt. «Das Happening hat gezeigt, dass sich die verschiedenen Flächen innerhalb der Mall perfekt für Public Events eignen und auf reges Interesse stossen», so die Mall-Verantwortlichen. Ob es wieder ein Public Viewing geben wird, ist derzeit noch offen.

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