Mit Zytturm, Schnee und doppelten Hirschen

Zuger Neujahrsgrüsse vor Whatsapp und SMS

Das schmuckste Exemplar, wie wir finden: eine Postkarte zum Jahreswechsel 1908, inklusive Abbildungen von Zytturm und Hauptpost.

(Bild: lob)

Neujahrsgrüsse – heute fast nur noch eine rein digitale Angelegenheit. Früher brauchte es dafür noch etwas Kreativität und einen Stapel Briefmarken. Doch was waren beliebte Sujets? Wir haben im Archiv eines Zuger Sammlers Kärtli aus dem frühen 20. Jahrhundert gefunden. Und entdeckt, dass man schon damals Gefahr lief, ins Fettnäpfchen der Massengrüsse zu treten.

Jedes Jahr aufs Neue wieder wünschen wir Familie und Freunden am 31. Dezember einen guten Rutsch – nicht selten kommt dabei das Handynetz kurz vor Mitternacht an die Belastungsgrenzen. Mit Bildern, Gifs und Emoji-Design steht uns gleichzeitig eine Armee vorgefertigter Designs und Texte zur Verfügung. Vor gut 100 Jahren brauchte es dafür schon mehr Planung: Postkarten auswählen, kaufen, beschreiben, rechtzeitig abschicken.

Zytturm und See sind Pflicht

Aus der Ansichtskartensammlung von Oskar Rickenbacher aus Zug haben wir einige Postkarten erhalten, die zwischen 1900 und etwa 1915 datieren. Auffallend: Die Sujets lassen sich gruppieren. Da wären als Erstes die Kärtchen mit Jahreszahlen – in denen die Zuger Sehenswürdigkeiten abgebildet sind. «Die herzlichsten und aufrichtigsten Glückwünsche sendet Dir Dein viel […]getreuer Freund, Jules Steiner» können wir entziffern – Irrtum vorbehalten.

Das Zahlen-Sujet war anscheinend ebenfalls beliebt: Hier die Variante aus 1905.

Das Zahlensujet war anscheinend ebenfalls beliebt: hier die Variante aus 1905.

(Bild: lob)

Drei Jahre später ist die Kombination aus Sehenswürdigkeiten und Jahreszahlen offenbar weiterhin in. Auch hier finden wir Zytturm und Seepromenade, diesmal aber nicht St. Michael und Pulverturm, sondern Vorder- und Rückseite der Hauptpost. Der Text ist allerdings schwer zu entziffern. E. L. schreibt an L. M. und könnte ebenfalls «beste Wünsche» senden. Dann wird’s schwierig. Wir spinnen mal frei ein Szenario: Vielleicht war da ein anonymer Verehrer oder eine Verehrerin am Werk, deshalb die Initialen.

Das schmuckste Exemplar, wie wir finden: Eine Postkarte zum Jahreswechsel 1908, inklusive Abbildungen von Zytturm und Haupttpost.

Das schmuckste Exemplar, wie wir finden: eine Postkarte zum Jahreswechsel 1908, inklusive Abbildungen von Zytturm und Hauptpost.

(Bild: lob)

Vorsicht doppelter Hirsch

Kettenbriefe und Massengrüsse – zu der Zeit noch undenkbar. Allerdings stossen wir auf eine andere Form des Recyclings. Nämlich: das von Sujets. Stellen wir uns mal hypothetisch vor, dass 1913 eine Person in Zug einen Stapel Weihnachtskarten besorgte. Grüsse an die Tante, den Onkel, die Cousins, die Freunde. Und ein paar Wochen später das gleiche Spiel.

Doch, oh Schreck: Hat der findige Postkartendesigner den Hirsch im Wald doch glatt für Weihnachten und Neujahr verwendet! Ein paar enttäuschte Gesichter ob dem doppelten Kärtchen könnte es gegeben haben – bleibt zu hoffen, dass zumindest der Text verschieden war.

Der doppelte Hirsch in Zug: Wer Pech hatte, bekam die gleiche Karte zu Weihnacht und Neujahr.

Der doppelte Hirsch in Zug: Wer Pech hatte, bekam die gleiche Karte zu Weihnacht und Neujahr.

(Bild: lob)

Die Landschaftsbilder

Neujahrsgrüsse gingen auch zu dieser Zeit schon an Firmenkunden. Die Suter Moser & Cie mit Sitz beim Steinhof – einer ehemaligen Seifenfabrik – beglückte seine Klientel oder seine Handelspartner mit diesem Bild. Der zweite Firmensitz im sanktgallischen Lachen konnte mit der schmucken Kombination aus See und Alpen wohl schlicht nicht mithalten.

Die ehemalige Seifenfabrik Suter Moser & Cie grüsste vom zugerischen Firmensitz aus.

Die ehemalige Seifenfabrik Suter Moser & Cie grüsste vom zugerischen Firmensitz aus.

(Bild: lob)

Bei der folgenden Postkarte ist leider nicht bekannt, an wen sie ging oder wer sie verschickt hat. Dennoch ist es ein durchaus schmucker Panaromaschnappschuss der Zuger Altstadt aus dem Jahr 1910. Bäume und Grün sind sogar bis heute zum Teil erhalten geblieben. Das Foto reiht sich somit in das Kärtlidesign der reinen Landschaftsbilder ein. Keine Schnörkel, Zahlen oder Tiere – als Botschaft fast ein wenig langweilig.

Noch ein schmuckes Landschaftsporträt – Absender oder Empfänger sind hier allerdings nicht bekannt.

Noch ein Landschaftsporträt – Absender oder Empfänger sind hier allerdings nicht bekannt.

(Bild: lob)

Kalte Winterwelten

Die letzte Sujetpaarung, die wir ausmachen können: das Winterwunderland. Während der Schnee sich auch dieses Jahr über die Feiertage in höhere Gefilde verzogen hat, ist er um 1900 – zumindest auf den Abbildungen – sehr präsent. Auf der ersten, in frostigen Blautönen gehaltenen Postkarte, ist die verschneite Zuger Altstadt abgebildet. Eingebettet in eine eisige Landschaft, in der zwei Vögel ein «Daheim» vor der Kälte gefunden haben. Wie die Häuser, auf welche sie zu blicken scheinen. Irgendwie eisig und stimmig zugleich.

Da wird einem schon vom Anschauen kalt: Verschneite Neujahrsgrüsse aus der Kolinstadt.

Da wird einem schon vom Anschauen kalt: verschneite Neujahrsgrüsse aus der Kolinstadt.

(Bild: lob)

Ein offensichtlich gut gelauntes Mädchen, mit Zweigen und Gepäck unter dem Arm, stapft in einer weiteren Postkarte durch das Schneegestöber. Inklusive Dackel mit schicker Schleife um den Hals. Wiederum haben die Kärtlidesigner ein Bild der Stadt in die Landschaft montiert. Zu sehen ist das Theater Casino, inklusive Zuckerguss auf dem Dach und Schneedecke auf dem Vorplatz. Die Motivkombination überzeugt in diesem Fall aber irgendwie nicht richtig, finden wir.

Schneewelten und Zug – die zweite wehr winterliche Postkarte.

Schneewelten und Zug – die zweite winterliche Postkarte.

(Bild: lob)

Sei’s drum – wir schliessen uns den Postkarten an und wünschen unseren Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr. Diesmal halt wieder digital.

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