Er steht nicht mehr!

Zuger nehmen Abschied von kuriosem Baudenkmal

Der Kiosk am Zuger Postplatz stellte ein Stück Baukultur dar. (Bild: Jacqueline Falk)

Schon klar, gegen die repräsentativen, historischen Bauten in unmittelbarer Nähe hatte der kleine Kiosk in der Stadt Zug einen schweren Stand – und doch war er über Jahre der heimliche Star am Platz. Nun ist er weg.

Von oben bis unten vollgestopft mit Süss- und Tabakwaren, Klatschmagazinen und Tageszeitungen; wobei Schokoladenriegel schon mal wegzuschmelzen drohten und Gummibärchen ins Schwitzen kamen, wenn die Sonne mittags gnadenlos auf die kleine Bude brannte. Ohnehin wirkte die feilgebotene Ware ein wenig wie aus der Zeit gefallen: ungesund, überzuckert, kalorienreich, dank Konservierungsmitteln haltbar bis zum Sankt-Nimmerleinstag.

Stammkunden gab es dennoch. Sie schätzten den persönlichen Kontakt mit dem Pächter-Ehepaar Zeynep und Abdullah Otlu, versuchten ihr Glück mit Rubbellosen und waren vertraut mit den schwer durchschaubaren Öffnungszeiten. Die meisten Passanten wunderten sich aber einfach nur, wie die dreieinhalb Quadratmeter grosse Verkaufsstelle so lange der von Profit und Wachstum geprägten Stadtentwicklung trotzen konnte.

Auf diesem teuren Pflaster – Grund und Boden gehören der Stadt – wäre doch wirklich mehr Rendite zu holen! Fakt ist: Der Kiosk hätte gemäss Behörden schon vor vier Jahren verschwinden und einem neuzeitlichen Setting weichen sollen. Der Parkplatzstreit verhinderte dies und hat insofern rückwirkend doch noch Sinn gemacht.

Im Inventar der schützenswerten Denkmäler war der Kiosk nie gelistet, unter kantonalem Schutz stand er schon gar nicht. Doch stellte er mit seinem kruden Charme ein Stück Baukultur dar und hinterlässt jetzt im Kantonshauptstädtchen eine empfindliche Lücke. Wie heisst es so oder ähnlich in offiziellen Leitfäden: «Baudenkmäler sind wichtige Zeitzeugen, die einen Ort wesentlich mitprägen und identitätsstiftend sind. Objekte, die über einen wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert verfügen.» Oh ja! Der kleine Kiosk am Postplatz stiftete Identität - und Heimat sowieso!

Er steht nicht mehr! (Bild: Sabine Windlin)

So sah es auch der ehemalige Denkmalpfleger Georg Frey, der in einem Interview mit zentralplus vom 27. Juli 2013 seine Liebe zu diesem Konstrukt gestand. Ein Denkmal, so Frey, müsse nicht zwingend schön sein. Mindestens so wichtig sei die Beziehung, die Menschen zu einem Gebäude herstellen.

Und weiter: «Umstellt von Verkehrsschildern, Mülleimern, Lichtsignalen, Blumentöpfen, Fahrzeugen und Fussgängern behauptet sich dieser schräge, ja fast schäbige Kiosk seit Jahrzehnten mitten in Zug. Er hat als sympathischer Treffpunkt in einem gestalterischen Wildwuchs überlebt. Ich empfinde ihn als Bereicherung. Jedes Mal, wenn ich an ihm vorbeigehe, denke ich: Wow, er steht noch!»

Tempi passati.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von smokymale
    smokymale, 20.08.2021, 15:21 Uhr

    Und schon wieder etwas vernichtet das nicht zur Belebung der Altstadt beiträgt. So und soviele Kunden dieses Kioskes werden nicht mehr am Postplatz erscheinen jetzt – schade, die Stadt macht mehr und mehr aus der Altstadt ein eine Art Ballenberg.

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  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 20.08.2021, 08:35 Uhr

    Wäre wohl in der Stadt Luzern nicht passiert. Irgendein Heimatschützer hätte den Abbau zu verhindern gewusst. So viel zur satirischen Arbeitsweise des städtischen Denkmalschützers. Fetischismus soll gelebt sein. Hurra.

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