Spektakuläre Idee für den Flugplatz Emmen

«Wir wollen nicht Emmenbronx sein, wir sind Emmen am See»

Raphael Beck auf der Industriebrache des Viscose-Areals. Auch hier soll mal ein kleiner Baggersee entstehen. Emmen am Seeli sozusagen. (Bild: ewi)

Die Gemeinde Emmen will ihr Image verbessern. Ein Verein unterstützt sie dabei mit einer aussergewöhnlichen Vision: Wo heute der Flugplatz Emmen ist, soll künftig ein Badesee, ein Funpark oder ein Naturschutzgebiet sein. Willkommen in Emmen am See.

Emmen ist verloren, so ein Klischee in unserer Region. Die Autobahn führt mitten durch die Gemeinde, Flugzeuge donnern mit geringem Abstand über die Köpfe der Einwohnerinnen hinweg, der Verkehr staut sich Tag für Tag auf den Strassen, die Kriminalitätsrate ist hoch – Emmenbronx halt. Eine Bezeichnung, die weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt ist (zentralplus berichtete).

Dieses einschlägige Image will die Agglogemeinde loswerden. Die Gemeindestrategie 2033 trägt den Slogan «Emmen - mein Lieblingsort». Aus Emmen soll ein Ort werden, an dem die Bevölkerung Freude hat und mit Stolz lebt.

Emmen am See statt Flugplatz

Der Verein «Emmen am See» will zu diesem Ziel beitragen. Und hat dafür eine gewagte Vision entworfen, wie aus Emmenbronx ein grüner und lebendiger Ort werden soll: das Emmenfeld zu renaturieren. Wo sich heute die Start- und Landepisten über das Emmenfeld ausbreiten, soll künftig eine Seenlandschaft sein. Badegäste statt Flugzeuge, Strände statt Hangare, ein Ort für die Emmer Bevölkerung.

«Emmen am See behauptet, dass eine Gemeinde mit einem neuen Naherholungsgebiet wertvoller ist als eine Gemeinde mit einem Militärflugplatz.»

Verein Emmen am See

In einem wie ein Manifest anmutenden Dokument sind die Ziele und Ideen des Vereins schriftlich festgehalten. Die folgende Zeile fällt besonders auf: «Emmen am See behauptet, dass eine Gemeinde mit einem neuen Naherholungsgebiet ökonomisch, soziologisch und ökologisch betrachtet wertvoller ist als eine Gemeinde mit einem Militärflugplatz.»

Wie wollen wir leben?

Nun ist man schnell versucht, diese Vision als Schnapsidee, ja gar als Hirngespinst abzutun. Wir wollten uns aber nicht mit einem vorschnellen Urteil abfinden und haben uns darum mit Raphael Beck getroffen, der uns sofort das Duzis anbietet. Raphael ist Präsident des Vereins Emmen am See; er beginnt das Gespräch damit, dass dem Projekt eine einzige Frage respektive ein Wortspiel zugrunde liegt: «Wie w'Emmer läbe?»

Er erklärt: «Mit unserer aktuellen Lebensweise rasen wir direkt auf den Abgrund zu. Wir alle sind uns einig, dass es so nicht weitergehen kann. Wie wollen wir also leben? Die Vision Emmen am See ist eine von vielen möglichen Antworten auf diese Frage.»

«Unsere Gesellschaft hat aufgehört zu träumen. Emmen am See soll die Menschen wieder zum Träumen anregen.»

Raphael Beck, Präsident Verein Emmen am See

«Unsere Gesellschaft hat aufgehört zu träumen», sagt Raphael. «Emmen am See soll die Menschen wieder zum Träumen anregen. Jeder Mensch in Emmen darf sich fragen, in was für einem Emmen er oder sie leben will.» Raphael hat das auch gemacht und präsentiert eine lebhafte Skizze. Darin hat er seine Vorstellung von Emmen am See festgehalten. Die Zeichnung zeigt eine riesige Seenlandschaft auf dem Emmenfeld mit Badeseen, Naturschutzgebieten, Auenwäldern, einer Magnethängebahn, Forschungs- und Gewerbezonen und und und. «Mein Emmen sieht etwa so aus wie auf dieser Zeichnung.»

So stellt sich Raphael Beck Emmen am See vor. (Bild: Raphael Beck)

Auswandern nach Emmen am See

Damit nicht genug. Raphael Beck wird demnächst beim Emmer Gemeinderat eine Adressänderung beantragen. Er möchte zumindest auf dem Papier an einen neuen, schöneren Ort ziehen – nach Emmen am See.

Okay, wir wollten uns zwar vorurteilsfrei geben, aber nach dieser Äusserung kommen wir nicht darum herum, den Holzbauer und Zeichner zu fragen, ob er ein Spinner sei. «Klar bin ich ein Spinner. Aber ohne Spinner hätten wir heute wohl kein elektrisches Licht und auch kein Internet.»

Natürlich rechne auch er nicht damit, dass die Gemeinde auf seine Anfrage eingehe. Doch mit Aktionen wie dieser, mit Bildern, Plakaten, Badetüchern und Liedern, will Beck mehr Leute dazu anregen, sich selbst die Frage zu stellen: Wie will ich leben? Und sich darauf aufbauend ein ganz persönliches Bild von Emmen am See zu entwerfen.

Luzerner Regierungsrat ist sehr skeptisch

Tatsächlich hat es die Idee zuletzt bis zum Luzerner Regierungsrat geschafft. Die grüne Kantonsrätin Monique Frey hat bei der Regierung nachgefragt, ob der Militärflugplatz in Emmen grundsätzlich auch als dauerhafte Überschwemmungsfläche der Reuss dienen könnte. Und ganz konkret, was der Regierungsrat von einem renaturierten Emmenfeld hält. «Der Militärflugplatz bietet mit seinen rund 117 Hektaren immer noch eine grosse ökologische Ausgleichsfläche an, die genutzt werden kann», findet die Emmer Politikerin Frey.

Das Emmenfeld liegt nordwestlich der Reuss – und würde sich als Überschwemmungsfläche potenziell anbieten. (Bild: Google Maps)

Wenig überraschend sieht der Regierungsrat dies ganz anders. Er attestiert zwar, dass sich das kantonale Hochwasserschutz-Projekt entlang der Reuss und das Projekt Emmen am See grundsätzlich nicht gegenseitig ausschliessen würden. «Unter einer sorgfältigen Abwägung des geeigneten Abflussregimes Reuss/Flussarm könnte das Projekt ‹Emmen am See› allenfalls eine Weiterentwicklung des Reuss-Projekts darstellen», heisst es in der Antwort der Regierung.

«Der Flugplatz Emmen wird weiterhin nötig sein und unser Rat setzt sich für dessen Weiterbestand ein.»

Luzerner Regierungsrat

Doch das Aber folgt sogleich. Die Renaturierung des Emmenfelds sei weder im kantonalen Richtplan noch einem anderen kantonalen Planungsinstrument vorgesehen. Der Flugplatz hingegen sei sowohl Teil des Sachplans Militär des Bundes als auch Teil des kantonalen Richtplans. «Daher nimmt unser Rat keine Einzelbeurteilung der Idee einer Renaturierung des Emmenfelds vor. Der Flugplatz Emmen wird weiterhin nötig sein und unser Rat setzt sich für dessen Weiterbestand ein», schliesst die Luzerner Regierung ihre Begründung.

Der Regierungsrat beurteilt die wirtschaftliche Bedeutung des Flugplatzes als hoch. In einer Stellungnahme im vergangenen Jahr schreibt er, dass 1'700 Personen bei der Ruag arbeiten, 600 davon leben in Emmen und den umliegenden Gemeinden. Es ist ein oft zitiertes Argument, wenn es zu Kritik am Flugplatz Emmen kommt, beispielsweise wegen der hohen Lärmemissionen (zentralplus berichtete).

Tempelhof in Berlin als Vorbild

Für den Verein Emmen am See ist die ablehnende Haltung des Regierungsrats kein Problem. «Erstens haben wir Zeit und zweitens ist der See ja schon da», sagt Raphael Beck. Damit verweist er auf den Grundwassersee, der sich im Untergrund der Gemeinde Emmen befindet. «Der lässt sich nicht wegdiskutieren, schliesslich trinken wir in Emmen täglich von seinem Wasser.»

Und für das Argument der wirtschaftlichen Bedeutung des Flugplatzes hat der Verein eine Antwort parat. Die Idee für Emmen am See basiert nämlich auf einem Gedankenspiel. In diesem existiert der Militärflugplatz nur in der Vergangenheit. Die Vision soll nicht gegen den Flugplatz sein, sondern für einen See. In diesem Szenario sei es einfacher, sich Emmen am See vorzustellen und das Verschwinden des Flugplatzes zu beschreiben, so Raphael Beck.

So weist er auf andere Orte hin, wo eine Vision wie die des Vereins bereits Realität wurde. Zum Beispiel im Goms am Geschinersee. Der künstliche See wurde 2003 auf dem ehemaligen Flugplatz Ulrichen erstellt. Oder der Flughafen Tempelhof in Berlin, der 2008 stillgelegt wurde und heute ein riesiges Naherholungsgebiet mit Grünflächen, Kulturzentren und Velowegen ist.

Als Tempelhof nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Rolle für die Versorgung West-Berlins spielte, wagte wohl auch niemand daran zu denken, dass das Flugfeld rund 60 Jahre später sozusagen zu einem riesigen Spielplatz umfunktioniert werden sollte. Und wer weiss, vielleicht denken wir in ein paar Jahren auch einmal so an die Gründung von Emmen am See zurück.

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11 Kommentare
  • Profilfoto von Hans
    Hans, 06.03.2022, 17:10 Uhr

    Emmen am See könnte ganz einfach realisiert werden, durch Fusion mit der Stadt Luzern oder Aufwertung des Adligen- und des Riffigweiher’s zu Seen. Dann müsste der Flugplatz nicht aufgehoben und für teures Geld an einem anderen Ort neu gebaut werden.

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  • Profilfoto von Emmenbrückerin
    Emmenbrückerin, 06.03.2022, 14:30 Uhr

    Ich sehe das genau so wie die zwei Emmer, und meine Tochter ist bei Herr Räber in die Schule. Die Leute sind o.k. in Emmen, die Behörden sind das Problem. Wenn sie jetzt behaupten Emmen liegt am See, dann bauen die einen Jachthafen! So wie sie im Schulhaus Erlen 2 Millionen in den Sand gesetzt haben.

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    • Profilfoto von J. Meier
      J. Meier, 06.03.2022, 17:10 Uhr

      Inwiefern wurden denn beim Schulhaus Erlen zwei Millionen in den Sand gesetzt? Wenn ich mich recht entsinne, ist die Misere mit dem Provisorium – und damit die genannten Mehrkosten – einzig den Einsprachen von Anwohnern geschuldet, weil diese wegen des Neubaus um ihre Aussicht und Ruhe fürchteten.

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      • Profilfoto von Emmenbrückerin
        Emmenbrückerin, 06.03.2022, 19:06 Uhr

        Ganz genau für das Provisorium. Eine Gemeinde Behörde muss so Planen das genug Schulraum vorhanden ist. Eine Gemeinde ist verpflichtet mit den Steuergelder sorgsam umzugehen, dies alles war in Emmen nicht der Fall! Im übrigen bekommt die Gemeinde Emmen vom Kant. Finanzausgleich, fast 19 Millionen. Dann spielt es natürlich keine rolle das Geld in den Sand zu setzen. Für 2 Millionen hätte die Gemeinde Emmen jedenfalls ein paar «Pfützen» realisieren können, und diese als See verkaufen können.

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      • Profilfoto von J. Meier
        J. Meier, 07.03.2022, 13:40 Uhr

        @Emmenbrückerin: Sie haben mich falsch verstanden. Der Schulraum war ja mit dem Neubau geplant, die Umsetzung des Neubaus wurde aber wegen Einsprachen verhindert/verzögert. Jedem steht es frei, auf dieses rechtliche Mittel zurückzugreifen. Das ist begrüssenswert. Dass die dadurch entstandenen Mehrkosten nun allerdings einzig den Behörden in die Schuhe geschoben werden, ist hingegen unsportlich.

        Den Sinn des Finanzausgleichs haben Sie ebenfalls falsch verstanden. Zur Klärung verweise ich gerne auf die entsprechenden Einträge auf der Webseite des Kantons Luzern.

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  • Profilfoto von Altstadtkind
    Altstadtkind, 06.03.2022, 13:16 Uhr

    Coole Idee, gute Leute dahinter und inspirierende Vision. Habe acht Jahre in Emmenbrücke gearbeitet. Jede Zukunft, die anstatt Flugimmissionen Lebensqualität und Arbeitsplätze der friedlicheren Art bringt, ist erstrebenswert. Die schöne Illustration war mir oben etwas zu klein, hab sie hier https://emmenamsee.ch/aktuelle-vision-erhaeltlich/ etwas grösser gefunden. Super!

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    • Profilfoto von J. Meier
      J. Meier, 06.03.2022, 17:34 Uhr

      In der Tat eine echte Vision mit inspirierendem Gehalt, deren Umsetzung der Gemeinde Emmen in vielerlei Hinsicht zugute käme. Lebensqualität und Arbeitsplätze (ja, die gäbe es tatsächlich auch dann, wenn dort kein Flugplatz wäre), die in jedem Fall ein anderes Klientel (Stichwort: Steuersubstrat) anlocken würde, als dies heute der Fall ist. Wohnen/Arbeiten in einer Gemeinde mit See oder Wohnen/Arbeiten neben einem Militärflugplatz? Wer in Herrgotts Namen, der es sich leisten kann, votiert denn hier für Option 2?

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  • Profilfoto von Simone
    Simone, 06.03.2022, 13:16 Uhr

    Emmenbronx ist nicht gleich Emmen-Dorf! Die Idee mit See und Naherholungsgebiet ist toll, aber auf dem falschen Areal angesetzt. Emmen Dorf hat ein wunderbares Naherholungsgebiet und könnte sofort
    «Emmen am (und im) Fluss» genannt werden.
    Emmenbronx bezieht sich ausschließlich auf Emmenbrücke, also Emmenbrücke am See.

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 06.03.2022, 22:24 Uhr

      Ja ist halt dieselbe Gemeinde. Muss ich den Leuten auch immer erklären.

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  • Profilfoto von Karl Mörre
    Karl Mörre, 05.03.2022, 22:27 Uhr

    Wohne schon mein ganzes Leben in Emmenbrücke, und muss sagen dass mich der Begriff «Emmenbronx» gar nicht mehr stört. Im Gegenteil, ich finde ihn mittlerweile sogar amüsant. Wir sind nun eben mal keine idyllische «Bilderbuch-Gemeinde», und das ist auch völlig ok so. Wir Emmer sollten unsere Gemeinde so akzeptieren wie sie ist, mit all ihren Ecken und Kanten, ihren Pro und Kontras. Was man von ausserhalb der Geimeindegrenze über uns denkt ist mMn nicht so wichtig, wichtig ist das jede Emmerin und jeder Emmer zu unserer bunten, lebendigen und durchmischten Gemeinde steht.

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  • Profilfoto von Remo
    Remo, 05.03.2022, 20:04 Uhr

    Für mich bleibt das die Emmenbronx. Und ja ich habe 27 Jahre dort gelebt.

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