Zu Besuch beim «Brenner des Jahres» in Notikon

Wie man zum besten Zuger Kirschbrenner wird

Drei Generationen vereint in der Bauernhofbrennerei Röllin: Hermann (links), Armin und Remo. (Bild: mam)

Kirschen in Schnaps zu verwandeln ist die Königsdisziplin der handwerklichen Spirituosenerzeugung. Der Baarer Hermann Röllin beherrscht dies meisterhaft und konnte nach vielen Jahren den Lohn für seine Arbeit einfahren.

Wer das Beste will, muss an die Grenze gehen. Im Fall von Zuger Kirsch an die Kantonsgrenze zu Zürich. In Notikon, im äussersten Norden der Gemeinde Baar, wohnt Hermann Röllin. Er ist der höchstdekorierte Brenner der alten Spezialität im Kanton Zug.

«Wäre mein Vater nicht gewesen, hätte ich mich wohl mit dem Kühe melken zufrieden gegeben», scherzt Hermann Röllin. Denn der Hof, den sein Sohn Armin in mittlerweile dritter Generation führt, ist ein Milchwirtschaftsbetrieb.

Ökologisch wertvolle Hochstammbäume

Doch auf der Geländeterrasse zwischen Littibach und Milchsuppenstein stehen auch 470 Hochstamm-Obstbäume. Von seinem Vater hat Hermann Röllin nicht nur eine grosse Vielfalt an alten Bäumen geerbt, von denen etwa die Hälfte Kirschen tragen. Insgesamt werden über 33 Obstsorten in Notikon kultiviert.

Hochstamm-Bäume in Notikon während der Blüte. (Bild: IG ZUGER CHRIESI © Ueli Kleeb)

Auch altes Wissen wird hier über Generationen weitergegeben. Der holzgefeuerte Brennhafen ist eine Einzelanfertigung. Im Schopf steht ein funktionstüchtiges Kupferchessi aus dem Jahr 1859.

Notikon ist Hochburg der Brenner

Dies alles hat eine Menge damit zu tun, dass er nun «Schweizer Brenner des Jahres 2019» ist. Hermann Röllin hat kürzlich mit vier seiner Brände an der Distisuisse, der zweijährlich stattfindenden Prämierung von Schweizer Edelschnäpsen, Gold gewonnen – einmal gab's Silber (zentralplus berichtete).

Brüsten würde er sich damit nicht. Die rund 20 Brenner der geschützten Herkunftsregion Zuger Kirsch / Rigi Kirsch pflegen ein gutes Verhältnis untereinander. Röllin erwähnt daher im Gespräch zuallererst, dass der Stadtzuger Brennerkollege Thomas Heiner für seine Spirituosen auch ausgezeichnet wurde. Dass die Zuger Distillerie Etter und Söhne mit Likören erfolgreich war. Dass gleich in der Nachbarschaft, in Neu-Notikon, mit Arnold Keiser der einzige Lohnbrenner des Kantons wohne, der sein Handwerk ebenfalls sehr gut verstehe.

Neun schafften den Meistertitel

Aber stolz ist Röllin trotzdem: «Ich hab mit meinen Bränden über die Jahre mindestens schon 50 Mal Gold geholt», sagt er stolz. «Aber Brenner des Jahres war ich noch nie.»

Voraussetzung dafür waren mindestens vier Goldmedaillen. Von 108 Schweizer Brennern, die 2019 an der Messe teilnahmen, haben dies landesweit nur neun geschafft.

Neue Sorten der Vielfalt hinzugefügt

Für Hermann Röllin ist der Titel der Höhepunkt einer Berufskarriere, die vor Jahrzehnten mit einer Erhebung der Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil begann. Diese sammelte alte Kirschensorten und fand viele davon in Notikon.

«Ich habe danach immer die Augen offengehalten nach interessanten Sorten auch von ausserhalb der Region», sagte er. Zopf und Gangchriesi habe er so entdeckt, eigene vielversprechende Sorten von sterbenden Bäumen stets nachgepflanzt.

«Wir können vielleicht nicht billiger produzieren, aber wir sollten versuchen, besser zu sein.»

Hermann Röllin, Baar

Zu denen pflegt er zuweilen eine sehr emotionale Beziehung. Zeigt ein Foto des ältesten Baumes, den die Röllins im Alter von über 100 Jahren nach längerem Siechtum fällen mussten. In seinen besten Zeiten trug er 1200 Kilo Kirschen. Über 60 Sprossen hatte die Leiter, um in seine Krone zu gelangen.

«Musste mir was einfallen lassen»

Hermann Röllin entschied sich in den 1990er-Jahren, Kirsch und andere Spirituosen vermehrt sortenrein zu brennen. «Wir hatten damals Mühe, unsere Produkte zum gewünschten Preis zu verkaufen», sagt er. «Daher musste ich mir etwas einfallen lassen».

1994 fand die erste Schweizer Spirituosenprämierung Distisuisse statt – Hermann Röllin war damals schon mit von der Partie. Das Konzept der Veranstaltung hatte man aus Österreich übernommen, das bei der Vermarktung von Delikatessen und Genussmitteln im Lifestylebereich der Schweiz damals weit voraus war.

1999 fand Zeitenwende statt

Es war höchste Zeit. Denn als fünf Jahre später die Schweizer Zölle für Alkoholimporte massiv gesenkt und jene für heimische Destillate angehoben wurden, implodierte die Branche. Der Anteil von inländischen Spirituosen im Markt ist seither von 70 auf 30 Prozent gefallen. Viele Hochstammbäume, die Brennobst trugen, sind verschwunden.

Röllin sieht sich selber als Bewahrer von altem Kulturgut. «Wir können vielleicht nicht billiger produzieren als ausländische Anbieter, aber wir sollten versuchen, besser zu sein.»

Verarbeitet wird die eigene Ernte

Auf seine eigene Bauernhofbrennerei bezogen heisst dies auch, auf Nachhaltigkeit zu setzen. Nur das Obst zu verarbeiten, das auf dem eigenen Gut wächst. Zum Befeuern der Brennanlage eigenes Holz zu verwenden. Altes Wissen zu berücksichtigen. Auf die Güte der Früchte zu achten, die neben der Handwerkskunst wichtigstes Kriterium für einen guten Edelbrand sind.

Anders als andere Spezialitätenbrenner verzichtet Röllin auf die Herstellung von Modespirituosen wie Whisky oder Gin. Bei den Röllins stammt alles von der eigenen Scholle – ausser das mineralreiche Wasser zum Verdünnen der Brände, welches der Brenner aus einer geheimen Quelle im Kanton Zug besorgt. 

Die vier Meister aus der Zentralschweiz

Von 108 Brennereien, die an der Distisuisse 2019/2020 teilnahmen, wurden neun als «Brenner des Jahres» ausgezeichnet. Vier davon kommen aus der Zentralschweiz: Neben der Bauernhofbrennerei Röllin ist dies die Distillerie Zgraggen in Lauerz , die Distillerie Studer und Co in Escholzmatt und Urs Hecht mit Gunzwiler Destillate aus dem Luzerner Michelsamt. Insgesamt wurden an der Messe 622 Spirituosen zur Prämierung eingereicht, 126 erhielten Gold.

Aromen werden runder

So destilliert Hermann Röllin 1000 Liter Schnaps pro Jahr. Neben Cuvées für den Alltagsgebrauch stellt er 16 sortenreine Brände her, die er oft nach Jahrgang getrennt abfüllt. Falls er sie für reif dafür hält.

«Steinobst-Brände entwickeln ihre Aromatik mit den Jahren», sagt Hermann Röllin. Sechs Jahre bräuchten sie im Schnitt, um zu reifen und an Geschmack zuzulegen. Anschliessend könne man sie jahrzehntelang lagern.

Zwölf Jahre lang probiert und gewartet

«Für die Entwicklung sind grosse Temperaturunterschiede nützlich», sagt Röllin. Daher lagern die Bauern seit Alters her ihren Schnaps auf dem ungeheizten Dachboden – wo es im Winter kalt und im Sommer heiss ist. Auch Röllin tut dies und hat den Estrich des Riegelhauses, das er mit seiner Frau Erika bewohnt, gewissermassen in seine Schatztruhe verwandelt.

Fünf Brände eingereicht – alle prämiert. Gold gabs für Röllins Zuger Wildkirsche 2006, Zuger Kirsch «Ramsler» 2007, Zuger Birnenbrad «Weinbirne» 2013, Zuger Apfelbrand «Berner Rosen» 2016. Silber für Zuger Kirsch «Zopf» 2010. (Bild: mam)

Sein goldgekrönter Edelbrand aus der Kirschsorte Ramsler – ein betörendes Geschmackserlebnis mit Bittermandelaromatik – stammt aus dem Jahre 2007, hat also zwölf Jahre geruht. «Für die Distisuisse bringen natürlich alle ihre Spitzenerzeugnisse mit», erklärt Röllin, der sich immer mal überlegt, einen Brand nur von den Früchten eines einzelnen Baums herzustellen.

Enkel interessiert sich fürs Handwerk

Doch was tut er nun, nachdem er «Brenner des Jahres» geworden ist? «Weitermachen», sagt Hermann Röllin. «Denn die nächste Ernte kommt bestimmt». Von dieser wird ein Teil als Tafelobst vermarktet – die Röllins sind bekannte Chriesi- und Obstbauern.

Ausserdem steht Hermann Röllin jeden Tag noch im Stall bei den Kühen seines Sohns Armin. Der wiederum unterstützt den Vater in der Bauernhofbrennerei.

Die nächste Generation ist auch schon interessiert: Enkelsohn Remo schaut seinem Grossvater, dem Meisterbrenner, gerne zu, wenn der an der Brennanlage herumschraubt und den Hafen befeuert. Wenn er den Vorlauf vom Herzstück trennt und so sensorische Genüsse schafft,  die an Alchimie erinnern.

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