Wer wohnt hier eigentlich... Maria Opferung Zug

Wie es sich in diesem Zuger Klosterhof lebt

Bea Horat, ihre Schwägerin Vreni sowie die Klostervorsteherin Sr. Anna im Eingang des Klosterhofs. (v.l.)

(Bild: wia)

Mit dem Zuger Klosterhof bewirtschaftet die Bauernfamilie Horat nicht einfach irgendeinen Zuger Hof. Nein, der Betrieb, den die Familie in vierter Generation führt, birgt gute Geschichten und einiges an Spekulationspotenzial, wie der Blick in historische Dokumente zeigt. Zeit für einen Besuch!

Ein stattlicher, geschichtsträchtiger Bauernhof steht am Rande der Stadt Zug. Der Betrieb, der heute für seinen Hofladen und die eigene Brennerei bekannt ist, steht einen Katzensprung vom Kloster Maria Opferung entfernt, welches den Hof noch heute besitzt und in der vierten Generation an die Familie Horat verpachtet hat. Diese bewirtschaftet den Betrieb, baut Gemüse an und Früchte, hält 20 Kühe und 150 Schafe. Weil wir mehr über den alten Hof erfahren wollen, statten wir ihm einen Besuch ab. Zuerst jedoch machen wir einen Abstecher ins Kloster.

Ein Haus für 2244 Gulden

Dort erwartet uns die Vorsteherin, Frau Mutter Schwester Anna. Es stellt sich heraus: Sie hat sich gründlich vorbereitet. Oder hat es zumindest versucht: «Es gibt praktisch keine Informationen zu diesem Bau. Doch einen Hinweis hab ich gefunden», sagt sie. In einer Rechnung aus dem Jahr 1709 wurde nämlich festgehalten, dass 1707/1708 ein Pächterhaus gebaut wurde. «Kostenpunkt: 2244 Gulden», sagt Schwester Anna und lächelt verschmitzt. «Es handelt sich dabei wahrscheinlich um ebendieses Gebäude. – Mit Vorbehalt natürlich.»

Plötzlich leuchten die Augen der Kapuzinerin und sie sagt begeistert: «1657 fragte die Stadt Zug die Schwestern an, ob sie den jungen Töchtern aus der Stadt Unterricht erteilen würden. So übernahm das Kloster die städtische Mädchenschule. Die Kapuzinerinnen waren schon damals sehr fortschrittlich!», sagt Schwester Anna.

«Das ist fantastisch, was unsere Vorgängerinnen vor 400 Jahren geleistet haben.»

Schwester Anna, Vorsteherin des Klosters Maria Opferung

Doch warum erzählt sie uns das? Dass die Maria Opferung eine Mädchenschule war, ist allgemein bekannt. «Weil die Mädchen eben auch im besagten Pächterhaus unterrichtet wurden.» Das habe Schwester Anna vor vielen Jahren von einer älteren Klosterfrau erfahren. «Und raten Sie, was die dort gelernt haben?», fragt sie herausfordernd.

Lesen und Schreiben statt Handarbeit

Wir raten: Handarbeit. Kochen. «Typisch Frau also? Nein! Die lernten lesen, schreiben, rechnen und Hauswirtschaft! Genau in dieser Reihenfolge», erzählt Schwester Anna begeistert. «Damit sie ihren Herren Gemahlen später mit Rat und Tat zur Seite stehen konnten und keine Nebenrolle spielen mussten.» Sie habe grosse Hochachtung vor ihren Vorgängerinnen im Kloster. «Das ist fantastisch, was die vor 400 Jahren geleistet haben», sagt sie ehrfürchtig.

Im vierstöckigen Pächterhaus wurden also nicht nur Knechte untergebracht und Schnaps gelagert, sondern auch Schülerinnen unterrichtet. «Die hatten da offenbar mehrere Schulzimmer in der ersten Etage.»

Die ganze Sippe in einem Haus

Nun wollen wir dieses Haus aber mit eigenen Augen sehen. Zusammen mit Schwester Anna verlassen wir das Besucherzimmer des Klosters, welches sich ausserhalb des Klausurbereiches befindet. Momentan leben noch drei Schwestern im Kloster. Leerstehende Räume werden jedoch durch Stipendiaten, Studentinnen und eine Familie genutzt.

Im Bauernhaus, zu dem wir uns aufmachen, wohnen drei Parteien. Im ersten Stock leben Berta und Ferdy Horat, die Eltern des Landwirtes Christian. Dieser wohnt mit seiner fünfköpfigen Familie im zweiten Stock. Im Dritten leben dessen Bruder mit seiner Frau Vreni und den Kindern.

Links das Kloster, rechts der Klosterhof.

Links das Kloster, rechts der Klosterhof.

(Bild: wia)

Sie alle sind in den Hofbetrieb involviert, wie wir später merken werden. Nun jedoch hinein ins Haus. Es riecht nach Äpfeln, noch bevor man den Hofladen betritt. Dort drinnen steht Berta Horat mit ihrer Schwägerin Bea und einem Kunden, der gerade Apéroplättli abholt.

Der Stolz der Familie: Die selbstgebrannten Schnäpse

Am vorherigen Wochenende war Klausmarkt in Zug, für den die Familie gebacken hat. «Das Wetter war jedoch so schlecht, dass wir sehr wenig verkauft haben», erklärt Bea Horat und zeigt auf übriggebliebenes Birnenbrot und Schenkeli, die nun halt im Laden auf Käufer warten. Man nimmt es gelassen.

«Die Ausbuchtung, in welche heute das Treppenhaus eingebettet ist, war früher das Plumpsklo.»

Schwester Anna

Neben dem Laden steht die Brennerei, die bei unserem Besuch nicht in Betrieb ist. Noch hängt jedoch der Geruch des Alkohols in der Luft. Hier entsteht der Stolz der Horats: Die zahlreichen selbstgebrannten Schnäpse. Von Kirsch über Williams bis hin zu Quitten- und Pflaumenschnaps ist alles dabei. «Schade, dass Sie diesen Prozess nun gerade verpassen», sagt die Hofherrin bedauernd. Erst im Frühling werde wieder gebrannt, Kräuter und Träsch seien dann an der Reihe.

Weiter geht’s in den ersten Stock. Dass dieses Haus vor nicht allzu langer Zeit renoviert wurde, ist leicht zu erkennen. Das Treppenhaus ist modern und praktisch breit. Schwester Anna sagt: «Die Ausbuchtung, in welchem heute das Treppenhaus eingebettet ist, war früher das Plumpsklo.»

«Ich glaube, wir hatten eine dumme Idee.»

Berta Horat über das diesjährige Kundengeschenk

Es ist schwierig, sich vorzustellen, wie das Gebäude vor dreihundert Jahren ausgesehen haben mag. Wir treten in die Wohnung im ersten Stock ein. Sie gehört der 70-jährigen Berta Horat, ist rustikal und dunkel. Die Wände sind holzgetäfert, im Gang hängen riesige Kuhglocken, im Wohnzimmer steht ein grosser Kachelofen. Daneben ein Tisch, an dem offenbar gerade Baumnüsse geknackt werden.

Berta Horat sitzt in ihrer Wohnung und knackt Baumnüsse.

Berta Horat sitzt in ihrer Wohnung und knackt Baumnüsse.

(Bild: wia)

«Ich glaube, wir hatten eine dumme Idee», sagt Berta zu ihrer Schwiegertochter. «Dieses Jahr schenken wir unseren Kunden Säcklein mit Nüssen. Doch diese zu schälen, ist eine ziemliche Arbeit», sagt die Seniorin und zeigt auf eine Papiertasche voller noch ungeknackter Nüsse.

Die Schulzimmer, von denen Schwester Anna gesprochen hatte, müssen einst auf diesem Stockwerk gewesen sein. Praktisch nichts deutet heute noch darauf hin. «Das war noch bevor die Etage in mehrere Zimmer unterteilt worden war», erklärt Schwester Anna.

Nur die alten Balken zeugen von einer anderen Zeit

Im zweiten Stock lebt die Bauernfamilie selbst. Ganz offensichtlich wohnen hier auch Kinder. Selbstgebastelte Weihnachtsdekorationen stehen und hängen überall. Doch auch hier zeugt wenig davon, wie alt der Bau wirklich ist. Einzig die alten Balken zwischen Gang und Wohnzimmer, die während der Sanierung freigelegt wurden, deuten auf die lange Geschichte hin. «Hier, schauen Sie, hier sieht man noch die Holznägel von früher», sagt Schwester Anna.

Im dritten Stock, der ehemals als Estrich diente, ist niemand zuhause. «Ach, wir dürfen bestimmt hinein in die Wohnung», sagt Bea Horat und öffnet die Türe. Der Umgang mit den Verschwägerten scheint unkompliziert und offen. Kein Wunder, arbeiten sie doch alle Hand in Hand, damit der Landwirtschaftsbetrieb funktioniert.

«Wenn die Bise geht, ist’s kalt in der Wohnung, wenn der Föhn geht, liegt überall Staub auf den Oberflächen.»

Vreni Horat, Einwohnerin des Klosterhofs

Wir blicken uns in der luftigen, modernen Wohnung im Dachstock um. «Toll», sagt Sr. Anna. «Da könnte man glatt neidisch werden», und lacht. Sie hat recht. Balken ziehen sich durch den hellen Raum, eine geländerlose Treppe führt ins Schlafzimmer einen Stock höher. Die Luke, durch die früher mittels Flaschenzug Waren gehievt wurden, ist heute ein grosses Fenster mit Blick auf die alte Scheune.

Ob man als Einwohnerin merkt, dass dieses Haus schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hat, fragen wir Vreni Horat, die nun doch noch auftaucht. «Schon. Wenn die Bise geht, ist’s kalt, wenn der Föhn geht, liegt danach überall Staub auf den Oberflächen», sagt sie lachend.

Baupläne aus dem vorletzten Jahrhundert

Noch einmal blicken wir hinauf zur grossen Scheune. Wie alt sie wohl sein mag? «Davon habe ich Baupläne», sagt Sr. Anna wieder begeistert. Während wir einen Augenschein nehmen von der Scheune, eilt sie zurück ins Kloster. Als wir zurückkommen ins Kloster hat sie die handbeschrifteten Pläne bereits ausgebreitet. Ein Datum ist darauf nicht zu sehen.

Kurzerhand zückt Sr. Anna ein weiteres Dokument, und legt es uns triumphierend vor. «Das ist ein Versicherungsauszug von 1815. Und sehen Sie das hier unten?» Da steht etwas geschrieben. Doch uns ist es nicht möglich, die verschnörkelte Schrift zu entziffern. «Es ist ein Nachtrag von 1857 und beschreibt, dass dann eine neue Scheune gebaut wurde», teilt uns Sr. Anna mit.

Christian Horat, der Landwirt des Klosterhofs.

Christian Horat, der Landwirt des Klosterhofs.

(Bild: wia)

Es muss schön sein, auf einem so alten Gut zu wirtschaften. Doch birgt die reiche Geschichte des Ortes durchaus auch Nachteile, wie der Bauer Christian Horat uns darauf verrät: «Wir hatten vor Jahren bereits Pläne, den Milchbetrieb mittels Laufstallhaltung weiterzuführen. Vergeblich. Weil der Stall denkmalgeschützt ist, können wir das vergessen.»

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