Im Tribschen kommt er mit dem Jeep

Wenn der Samichlaus Traditionen neu interpretiert

Der etwas andere Samichlaus: Der Wahlaustralier Thomas Sigrist als Samichlaus vom Bireggwald auf einem Surfbrett. (Bild: Thomas Sigrist)

Im Luzerner Tribschenquartier kommt der Samichlaus bereits im November zu den Kindern. Und nicht nur das: Er fährt mit einem alten Militärjeep vor. Der Mann dahinter steht für eine moderne Interpretation des Brauchtums.

«Schneller, schneller!» Die Kinder haben es offensichtlich gerne. Sie sitzen am Mittwochnachmittag in einem alten Militärauto am Richard-Wagner-Weg in Luzern. Das Fahrzeug gehört dem Samichlaus vom Bireggwald. Am Steuer sitzt, mit einem breiten Grinsen, der Schmutzli – seine weissen Zähne blitzen durch die russgeschwärzte Schminke, als er den Passanten zuwinkt.

Das Markenzeichen des Samichlaus vom Bireggwald: Der alte Militärjeep, auf dem die Kinder mit dem Schmutzli eine Runde drehen dürfen. (Bild: fuv)

Auf dem Gelände der «Garden Villa» selbst herrscht reges Treiben. Kinder reiten auf Eseli, Erwachsene geniessen Glühwein, und die Sonne taucht alles in ein warmes Licht. Der «Tag des offenen Waldes» zieht an diesem Nachmittag knapp 300 Personen an. Besonders ins Auge fällt die lange Schlange vor dem Eingang. Aufgeregt warten die Kinder darauf, den Samichlaus zu treffen, ihm ein Versli aufzusagen und ihm ihre mitgebrachten Zeichnungen zu überreichen.

Eine «moralische Verpflichtung»

Thomas Sigrist, der «offizielle» Samichlaus vom Bireggwald, ist heute in zivil anzutreffen. «Wir wollen, dass die Kinder den Samichlaus ohne Angst erleben und aktiv mitmachen können», erklärt er im Gespräch. Statt steifer Zeremonie gibt es hier ein liebevolles, interaktives Erlebnis. Die Kinder erhalten vom Samichlaus ein Chlaussäckli und ein Kinderbuch, die Eltern einen Grittibänz – alles gespendet von Gönnern aus dem Quartier.

Thomas Sigrist, der «offizielle» Samichlaus des Bireggwaldes, ist Initiator des «Tag des offenen Waldes» und mit Herzblut dabei. (Bild: fuv)

Thomas Sigrist ist die treibende Kraft hinter der Veranstaltung. Seine Familie lebt die Samichlaustradition seit Generationen. «Ich bin damit aufgewachsen. Mein Vater war auch Samichlaus, und ich habe als Schmutzli angefangen.» Nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm Sigrist dessen «Gwand» und somit die Rolle des «Samichlaus vom Bireggwald». Vor neun Jahren rief er den «Tag des offenen Waldes» ins Leben, um noch mehr Kindern die Möglichkeit zu geben, den Samichlaus zu erleben. «Wir können nicht alle Familien zu Hause besuchen. Deshalb laden wir die Kinder hierher ein.»

Heile Welt und Fahrten im Jeep

Die Veranstaltung hat sich seitdem zu einem Quartierhöhepunkt entwickelt. «Es ist überwältigend zu sehen, wie viele Menschen sich einfinden. Wir hätten nie gedacht, dass wir das Vorjahr noch übertreffen können.» Thomas Sigrist ist froh, dass die Vorbereitungen rechtzeitig abgeschlossen wurden. «Vor drei Tagen hatten wir hier auf dem Gelände noch 43 Zentimeter Schnee.»

Das Angebot der Veranstaltung ist vielfältig: Kinder können auf Eseli reiten, am Lagerfeuer Schlangenbrot bräteln oder die Stiefel des Samichlaus putzen. Ein Höhepunkt ist die Fahrt im Jeep mit dem Schmutzli. Nicht nur für die Kinder, wie von einem Schmutzli zu erfahren ist. Er sei heute zum ersten Mal mit dem alten Jeep gefahren und könne gar nicht genug davon bekommen.

Für Thomas Sigrist hat der Anlass neben dem Gaudi auch eine tiefere Bedeutung: «In einer verrückten Welt, in der so vieles schiefläuft, schaffen wir hier eine kleine heile Welt. Kinder spielen miteinander, egal welcher Nationalität oder Religion sie angehören. Es geht um Gemeinschaft und Freude an der Samichlaustradition.» Der Erlös der Veranstaltung geht an die Juniorenabteilung des Sportclubs Obergeissenstein.

Mehr als ein Mythos

Die Samichlaustruppe besteht aus mehreren Samichläusen und Schmutzlis, die auch Hausbesuche machen. «Wir sind kein klassischer Kirchen-Samichlaus», erklärt Sigrist. Neben den Besuchen bei Kindern gibt es auch unterhaltsame Auftritte bei Firmen, bei denen der Humor auch mal derber sein darf. «Wir bedienen zwei Welten», sagt Sigrist, der nach dem Samichlausauftritt jeweils einige Monate in Australien verbringt.

Rodi (5) und Camilo (4) überreichen dem Samichlaus stolz eine Zeichnung, nachdem sie ein Versli aufgesagt haben. (Bild: fuv)

Aber auch die Kinder haben ihre Wünsche und Sorgen. «Manche Kinder wünschen sich einfach nur Frieden oder sagen, sie seien zufrieden mit dem, was sie hätten. Das berührt mich am meisten», sagt Sigrist. Besonders rührend sei der Brief eines Kindes gewesen, das sich gefragt hätte, ob es den Samichlaus wirklich gebe. «Ich habe ihm geantwortet, dass der Samichlaus ein Mythos ist, der überliefert wurde. Dass es nicht nur einen, sondern viele Samichläuse gibt. Und ja, dass der Bart nicht echt ist, aber das, was wir im Herzen tragen, schon – die gemeinsame Freude am Samichlaus.»

Der Exot unter den Samichläusen

Der «Tag des offenen Waldes» hebt sich bewusst von anderen Samichlausanlässen ab. «Wir wollen den Kindern ein sympathisches Mitmacherlebnis bieten», betont Sigrist. Das Konzept geht auf: Die Stimmung ist ausgelassen, das Gelände voller Leben. Und das auch gegen Ende der Veranstaltung. Selbst nach drei Stunden hat sich die Schlange der Wartenden nicht aufgelöst. Der Samichlaus wurde inzwischen unter dem Vorwand abgelöst, er müsse kurz nach seinen Eseli sehen. Der Samichlaus der ersten Schicht ist erschöpft, aber glücklich: «Nach über zwei Stunden ist ein Wechsel wichtig, damit der Samichlaus noch genügend Energie hat, um auch die letzten Kinder angemessen zu betreuen.»

Haben das Samichlausgen vom Vater geerbt: Thomas Sigrist als Samichlaus (rechts im Bild) mit seinem Bruder Michael. (Bild: Thomas Sigrist)

Während der Samichlaus, die Schmutzlis und die Gäste den Nachmittag geniessen, plant Sigrist bereits für das nächste Jahr. «Wir müssen schauen, wie wir noch mehr Leute unterbringen können, ohne den Charme zu verlieren. Aber diese Begeisterung ist ein schönes Problem.» Der «Tag des offenen Waldes» ist mehr als ein Samichlausbesuch – er ist für viele Familien aus dem Tribschenquartier und unlängst auch aus anderen Quartieren zu einem festen Bestandteil der Adventszeit geworden.

Verwendete Quellen
  • Augenschein vor Ort
  • Persönliches Gespräch mit Thomas Sigrist
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