Regionales Leben
Feuer sollen im Kanton Zug den Winter austreiben

Wenn alle Fasnächtler flach liegen, kommt die Schissigässlizunft zum Zug

«Eichefrässer»-Verbrennung in Hünenberg – Vorbild für Zug?

Falls die Fasnacht dazu dienen soll, den Winter auszutreiben, dann wurde 2020 offensichtlich vieles falsch gemacht. Einige Unentwegte leisteten in der Stadt Zug daher am Aschermittwoch Überstunden.

Aschermittwoch, 18.30 Uhr. Wer sich für eine richtige Fasnächtlerin oder einen richtigen Fasnächtler hält, kuriert jetzt seinen Kater aus oder arbeitet die Berge von Arbeit ab, die sich in der vergangenen Woche aufgetürmt haben. Die ganze Zentralschweizer Fasnachtswelt geht wohl oder übel die Fastenzeit an und fasst das närrische Treiben des nächsten Winters ins Auge.

Die ganze Zentralschweiz? Nein, in der Stadt Zug leisten einige Unverwüstbare Widerstand gegen den unvermeidlichen Lauf der Zeit. Die Schissligässlizunft lädt zum Ausklang der Fasnacht zum traditionellen Klopapierrollen-Verbrennen auf dem Zuger Schwanenplatz ein.

Das ist ein «Apéro pauvre»

Wobei die Zünftler im starken Schneetreiben nicht leicht zu finden sind.  Erst auf der zweiten Runde durch die Zuger Altstadt und nach einem Beizenstopp entdecken wir fünf Unentwegte, die sich in einen Hauseingang ducken und gerade dabei sind, den «Apéro pauvre» einzunehmen – bestehend aus preiswertem Schaumwein und Luft-Häppchen.

Beim «Apéro pauvre» Fredy Fritschi (links), Pia Spiess, Hans-Jörg Spiess und Nicolett II. die Uneigennützige. Abwesend: Einmann-Hofstaat Rico Furter. (Bild: zvg)

Dass an Aschermittwoch immer noch gefeiert wird, ist kein Problem. «Wir haben extra in Rom um Erlaubnis nachgefragt», sagt Fredy Fritschi. «Sie wurde exklusiv für Zug gewährt», behauptet er. Gewandet ist er im Grün-Schwarz der Eichezunft Hünenberg. Ebenso wie Hans-Jörg Spiess ist er als offizieller Abgesandter der Partner-Vereinigung aus dem Ennetsee unterwegs.

Gänsemarsch abgesagt

Mit von der Partie ist auch Rico Furter als Ein-Mann-Hofstaat der Zunftmutter Nicolett II., der Uneigennützigen. Zunftvater Remo II., der Eigennützige, indes weilt im fernen Berlin, wo er eine von einem Insektenstich rührende Sepsis auskuriert.

Sein Fehlen trifft die junge Zunft hart: Der traditionelle Umzug, bei dem es im Gänsemarsch durch das zwischen Unter und Ober Altstadt gelegene Schissligässli geht, musste vergangene Woche abgesagt werden.

Nicht alle «Schissigässler» sind wetterfest

«Tradition ist uns überaus wichtig», sagt Pia Spiess, Mitglied des Stadtzuger Zunftrats. Sie ist ebenfalls zugleich in Hünenberg engagiert und daher in Grün-Schwarz gekleidet.

«Pickelhart» sei man, ergänzt Ein-Mann-Hofstaat Rico Furter. «Bei Wind und Wetter ist der harte Kern der Zunft immer unterwegs», fügt Nicolett II. an. Bereits über 50 Mitglieder hat die neue Stadtzuger Fasnachtszunft im ersten Jahr ihres Bestehens gewonnen. Aber den meisten ist es am Aschermittwoch doch zu kalt geworden.

Brandschutzgerechtes Fasnachtsfeuer

Nun werden die mitgebrachten Klopapierrollen der Verbrennung zugeführt. Weil man in Zug die Feuerwehr hoch verehrt und auf keinen Fall einen Altstadt-Brand riskieren will, hat man die Rollen in eine Metall-Schüssel gepackt.

«Oh, wie brennen die schön!», ruft Nicolett II. Dann erzählt sie, man habe sich anstelle des abgesagten Umzugs einen neuen Event ausgedacht. Welchen, will sie noch nicht verraten. Aber es werde eine schöne Tradition, versichert sie. Die Klobürste als Zeichen ihrer Macht hat sie nicht dabei. Stattdessen hat sie ein Zuger Fähnli mitgebracht.

Die Klopapierrollenverbrennung im Video:

«Räbechüng» und «Eichefrässer»

Tradition ist das Stichwort. Am Güdeldienstag wurde traditionsgemäss zum Abschluss der Fasnacht in Hünenberg der «Eichefrässer» verbrannt. In Baar musste der «Räbechüng» daran glauben. Im Vorfeld kommt es dabei zu einem Fackelumzug durchs Dorf. Ein Brauch, der eindrücklich ist. Auch in Unterägeri wurde die traditionelle Fasnachtsfigur «Badjöggel» verbrannt.   

Feuer, um den Winter zu vertreiben, haben eine lange Tradition. Bekanntestes Beispiel ist der Böögg in Zürich, der am Sechseläuten gleich noch Wetterprophet spielt. Er wurde früher bei der Tag-und-Nacht-Gleiche abgefackelt.

Tradition ist relativ

In der Zentralschweiz sind solche Verbrennungsaktionen an die Fasnacht gekoppelt. In Amsteg gibt es am Güdel-Dienstag eine Böögg-Verbrennung mit Tradition – in Schwyz kommt es zum Blätzverbrennen (zentralplus berichtete).

Aber: Die traditionellen Zuger Fasnachtsbräuche sind gar nicht so alt. In der Zuger Fasnachtshochburg Baar etwa ersann der Grafiker Eugen Hotz nach dem Zweiten Weltkrieg die ganzen Fasnachtsfiguren und Abläufe. In Hünenberg hatte der Luzerner Grafiker Werner Hofmann bei manchem die Finger im Spiel. Den «Eichefrässer» erschuf man 1976, auf ein Märchen gestützt.

Demokratische Fasnacht in Oberägeri

Der «Badjöggel» aus Unterägeri ist seit 1965 unterwegs. Die Steinhauser verbrannten einige Jahre den «Bauelebock», haben ihn aber für den «Steigrind» eingetauscht, der nun zur Fasnachtszeit den Kreisel im Dorfzentrum schmückt.

Eine längere Tradition reklamieren die Oberägerer für sich, welche schon seit dem 19. Jahrhundert ihre «Legoren-Fasnacht» feiern. Vorbild für den Legor ist der Hofnarr von Herzog Leopold, der vor der Schlacht bei Morgarten 1315 durchs Dorf gekommen sein soll. Jede und jeder kann ihn darstellen.

Am Feitag war seit langem wieder was los

Und die Stadtzuger? Haben eigentlich nur den historischen Brauch der Greth Schell, der am Güdelmontag den Schulkindern einen freien Tag beschert. Ansonsten bemüht sich die Schissigässlizunft um Belebung der Altstadt, hat am Komischen Freitag auch einen Fasnachtsball nach Zug zurückgebracht.

«Mir ist kalt», sagt nun Nicolett II., die Uneigennützige, und dirigiert ihr Gefolge in den Rathauskeller, um traditionsgemäss «Ghackets mit Hörnli» einzunehmen.

Das Klopapierverbrennen aber war nicht umsonst. Das heftige Schneegestöber ist vorüber und Stille kehrt in die Gassen von Zug ein.

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