Boot Nr. 13, Spendengelder, manipulierte Tonbänder

Was ist dran an den Gerüchten um den Kapellbrücke-Brand?

Ein trauriges Bild: Die Ruine der Kapellbrücke am Morgen nach dem Brand.

 

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Auch 25 Jahre nach dem Brand der Luzerner Kapellbrücke scheinen nicht alle Wunden verheilt. So machen auch heute noch Gerüchte um Brandstiftung, polizeiliche Vertuschungsversuche und veruntreute Spendengelder die Runde. Was ist dran?

Die Luzerner Kapellbrücke vermittelt für viele Luzerner wohl ein Gefühl von Heimat und hat für nicht wenige wohl fast schon eine sakrale Ausstrahlung.  

Und wie um alle heiligen Stätten ranken sich bis heute einige Gerüchte und Legenden um das Bauwerk. Vor allem zum Brand der Brücke am 18. August 1993. Ein für die Stadt einschneidendes Ereignis.

Wurde der Alarm verschlafen?

So auch für Susanna Bertschmann. Sie war an jenem Abend eine der Ersten, die den Brand bemerkt hat, wie sie sich diese Woche im «SRF-Regionaljournal» erinnerte. «Wir standen ziemlich ohnmächtig da, als wir sahen, wie zuerst eines und dann vier Boote brannten, bis das Feuer letztlich auf die Brücke übergriff», so die Altstadtbewohnerin. 

Bis heute ist sie überzeugt, dass Behörden mitverantwortlich sind, dass die Katastrophe ihren Lauf nehmen konnte. Sie habe bei Ausbruch der ersten Flammen umgehend die damalige Stadtpolizei alarmiert. Allerdings habe es sehr lange gedauert, bis der erste Löschzug vor Ort war, moniert sie. «Ich weiss nicht, ob es bei den Behörden einen Knopf gab, ob man mich nicht ernst genommen hat oder es einfach eine Verkettung unglücklicher Umstände war», so Bertschmann 25 Jahre nach dem Unglück.

Zusätzlich befeuert wurden die Gerüchte über ein Versagen der Behörden durch die Zeugenaussage eines Taxifahrers, der beobachtet haben wollte, dass die Brücke bereits zwischen 00.35 Uhr und 00.40 Uhr auf der Seite des Stadttheaters in Brand gestanden hat – also gut 15 Minuten bevor laut der Polizei der erste Anruf einging. Zudem sei das Feuer direkt von der Brücke und nicht von den Booten ausgegangen, so der Taxichaufeur. Doch genau so sollte es der Untersuchungsbericht später darlegen.

Den Vorwurf, nicht genug schnell gehandelt zu haben, wiesen die Behörden mit Bezug auf den zeitlichen Ablauf schon in der Brandnacht entschieden zurück. Feuerwehrkommandant Peter Frey beteuerte damals, dass der erste Löschversuch gut elf Minuten nach dem ersten Alarm um 00.50 Uhr erfolgte. Zudem gab er zu bedenken, dass in einem Brandfall jede Minute als unendlich lange empfunden werde.

Manipulierte die Polizei ihre Tonbänder?

Bertschmann und der Taxifahrer waren aber nicht die Einzigen, die das Feuer schon gut 20 Minuten vor Eintreffen des ersten Löschzuges beobachtet haben wollten. Auch weitere Personen machten von den Behörden abweichende Angaben zur zeitlichen Auslösung des Alarms.

Brisant: Trotz moderner Aufzeichnungstechnik konnte die exakte Eingangszeit des ersten Anrufs bei der Polizei bis heute nicht eindeutig verifiziert werden. Denn just an jenem Abend war die automatische Gesprächsaufzeichnung der Polizei defekt. Eines der Tonbandgeräte übertrug das Zeitsignal der Anrufe nicht auf die Kassette. Die 20 Minuten vor 1 Uhr morgens sind bis heute verloren.

Rasch wurden in der Folge happige Vorwürfe und Verschwörungstheorien laut. Wollte bei der Polizei jemand sein Versagen kaschieren und manipulierte deshalb die Aufzeichnungen? Hat man bei der Polizei bewusst erst (zu) spät reagiert?

Technisch machbar

Was genau passiert war, musste letzlich ein eigener Bericht klären. Wann der erste Alarm tatsächlich einging, musste durch den Vergleich von Zeugenaussagen mit entgegengenommenen Anrufen der Kantonspolizei (nicht Stadtpolizei) und der Feuerwehr geklärt werden.

Die zentrale Aussage des Berichts: Die Zeitangaben der befragten Personen über den Zeitpunkt ihres Anrufes bei der Polizei sind ungenau oder falsch. Teils würden sie um bis zu 35 Minuten vom ersten registrierten Anruf abweichen.

Die Analyse von 44 Anrufen innerhalb der ersten vier Minuten nach dem ersten Alarm zeigte, dass das Feuer von Beginn weg beobachtet wurde und dass zu diesem Zeitpunkt (00.50 bis 00.54 Uhr) immer noch «nur» brennende Boote gemeldet wurden. Kurz danach war dann allerdings von Feuer auf mehreren Metern Brücke die Rede.

Der Bericht kam deshalb zum Schluss, dass eine «vorgängige oder nachträgliche Manipulation mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann», obwohl dies rein technisch machbar wäre.

Augenzeugen wurden nicht befragt

Der damalige SP-Grossstadtrat Markus Tschabold, der den Bericht verfasst hatte, gelangte zur Einsicht, dass sich «keine der geäusserten Mutmassungen, Kritiken und Unterstellungen seitens von Augenzeugen» bewahrheitet hätten. Vielmehr sei «überlegt und besonnen reagiert worden».

Laut der «Luzerner Neusten Nachrichten» beharrten diverse Augenzeugen nach der Veröffentlichung des Bericht aber dennoch auf der Version, bereits gegen 00.30 Uhr Alarm geschlagen zu haben. Persönlich befragt hat Tschabold die wichtigste Augenzeugin, Susanna Bertschmann, damals nur am Telefon, und erst nachdem sie sich selber bei ihm gemeldet hatte. Die Aufzeichnung ihrer Anrufe durfte sie sich nicht anhören …

Das ominöse Boot Nummer 13

Bis heute kann die genaue Ursache des Brückenbrandes nicht genannt werden. Ein wissenschaftliches Gutachten vom Mai 1994 liess die Möglichkeit offen, dass das Feuer durch «vorsätzliche oder fahrlässige Brandstiftung» entfacht wurde. Da jedoch die exakten Beweise fehlten, wurde das Verfahren anschliessend eingestellt.

Der separate Untersuchungsbericht zur Brandursache schliesst jedoch mit der Erkenntnis, dass das Feuer am ehesten von einem unter der Brücke befestigten Motorboot ausging. Dieses trug die sagenumwobene Nummer 13.

Das Boot war am Abend des Brandes mit einer «nicht flammenhemmenden Blache» abgedeckt. Versuche zeigten, dass dieses Material mit einem Streichholz leicht in Brand gesteckt werden kann, so der Bericht. Ein Streichholz wird seither von offizieller Seite als Auslöser des Brandes vermutet. Und ein Bootsbesitzer schrieb damals in einem Leserbrief, dass man schon des öfteren «Drögeler und Nachtbuben» erwischte habe, die auf und unter der Brücke «zeuselten».

Drohungen und Brand des Schirmerturms

Der Verdacht, das Feuer sei absichtlich gelegt worden, erhärtete sich unmittelbar nach dem Brand zusätzlich. Bei der Polizei ging damals ein Brief ein, in dem ein anonymer Verfasser damit drohte, weitere Objekte in der Stadt anzuzünden. Bei einem Verhör stellte sich aber heraus, dass er nichts mit dem Brückenbrand zu tun hatte.

Und noch ein weiteres Ereignis liess die Luzerner mit einem unguten Gefühl zurück. Nur neun Monate nach dem Brand der Kapellbrücke brannte der Dachstock des Schirmerturms in der Museggmauer, wie die Kapellbrücke Teil der alten Stadtbefestigung, komplett aus. Laut dem Untersuchungsbericht war Brandstiftung die Ursache für das Feuer. Zu einem weiteren Feuer auf der Kapellbrücke kam es auch 1996 wieder. Auch hier wird Brandstiftung vermutet.

Was passierte mit den übrig gebliebenen Spendengeldern?

Doch es sind nicht die einzigen Gerüchte, die nach dem Brand aufkamen. Die Katastrophe löste eine grosse Flut an Spendengeldern aus, die für den Wiederaufbau nach Luzern flossen. Rund eine halbe Million Franken kamen durch verschiedene Sammelaktionen zusammen. Die PTT steuerte 100’000 Franken aus dem Verkauf einer Sonderbriefmarke bei. Der Rest des Erlöses ging auf Wunsch der Stadt an andere Projekte des Kulturgüterschutzes in der Schweiz.

Der Wiederaufbau der Brücke kostete 3,4 Millionen Franken. Nach den Spenden und den Leistungen der Gebäudeversicherung und der Denkmalpflege blieb ein ungedeckter Betrag von 600’000 Franken übrig, der dem Luzerner Steuerzahler auferlegt wurde.

Doch es kamen noch weitere Spenden zusammen. Über deren Verwendung und Verbleib wurden im Zuge der Berichterstattung von zentralplus Fragen aufgeworfen. Die Gelder stammen aus der vom Stadtrat lancierten Sammelaktion «Brücke für den Frieden», die anlässlich der Wiedereröffnung der Kapellbrücke im Frühjahr 1994 stattfand. Zum Erlös der Aktion trugen auch die Festwirtschaften bei, die die Hälfte ihres Umsatzes in die Spendenkasse legten.

Wie hoch der Betrag genau war, lässt sich nicht eruieren. Der Stadtrat spendete das Geld vollumfänglich in den Wiederaufbau der im Krieg zerstörten, berühmten Brücke in Mostar im heutigen Bosnien-Herzegowina.

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