Antworten auf die wichtigsten Fragen

Von auffällig bis zweckmässig: Diese Ideen gibt’s für den Luzerner Bahnhof der Zukunft

Vision des neuen Bahnhofplatzes. (Visualisierung: Team Güller Güller, Atelier Brunecky, Zürich) (Bild: zvg)

Ob Velofahrer, Pendlerin oder Tourist: Die Neugestaltung des Luzerner Bahnhofs werden alle zu spüren bekommen. Zur Debatte stehen auch aufsehenerregende Ideen wie ein Autoverbot auf der Seebrücke, eine Treppe zum Seeufer oder eine Verschiebung des Torbogens. Wo bleibt eigentlich noch Platz für die Autos?

Es dauert noch mindestens 20 Jahre, bis der Luzerner Durchgangsbahnhof (DBL) den Betrieb aufnimmt. Obwohl es in erster Linie um neue, unterirdische Geleise geht, kann dank dem Milliardenprojekt auch das ganze Areal rund um den Bahnhof neu gestaltet werden. Eine grosse Chance für Luzern, um Verbesserungen anzupacken.

In welche Richtung das gehen könnte, hat die Stadt am Montag präsentiert. Drei interdisziplinäre Expertenteams haben im Rahmen einer sogenannten Testplanung Vorschläge für die Entwicklung des Bahnhofs erarbeitet (zentralplus berichtete). Wie sehen diese Visionen aus? Was bedeutet das für Pendler, Taxifahrerinnen und das KKL? Und wie geht es nun weiter? Antworten auf die wichtigsten Fragen zur künftigen Luzerner Jahrhundertbaustelle.

Wieso braucht es zwei neue Bahnhofplätze?

Künftig werden viel mehr Menschen mit dem Zug unterwegs sein. Nicht nur, weil die Bevölkerung ohnehin wächst, sondern auch weil man im Zuge der Klimadiskussionen vermehrt auf den öffentlichen Verkehr umsteigen wird. Davon gehen zumindest die Planer aus. Um bis zu 50 Prozent mehr Personen könnten 2040 rund um den Luzerner Bahnhof unterwegs sein.

«Die Erkenntnis ist klar: Angesichts der möglichen Verdoppelung der Personenströme reicht ein einzelnes Bahnhofsportal, wo die Leute ein- und ausgehen, nicht mehr», sagt die Luzerner Baudirektorin Manuela Jost. «Für eine Entflechtung muss es attraktiv sein, von Westen oder Osten her in den Bahnhof zu kommen.» 

Alle drei Planerteams haben – unabhängig voneinander – deshalb zwei zusätzliche Bahnhofplätze auf der Seeseite und beim Hirschmatt-Quartier vorgeschlagen.

Was ändert sich auf dem heutigen Bahnhofplatz?

Der Bahnhofplatz wird Verkehrskreuz bleiben, aber zugleich zur hübschen Visitenkarte werden. Im westlichen Teil zur Hauptpost hin ist ein Busbahnhof angedacht, Richtung KKL hin ein neuer Stadtplatz, auf dem beispielsweise auch Märkte oder ein Eisfeld möglich sind.

Dazu muss ein grosser Teil der Haltestellen verschwinden. «Es sollen keine Busse mehr auf dem Bahnhofplatz warten», bestätigt Manuela Jost. Möglich wird das zum einen durch mehr Durchmesserlinien, zum anderen durch mehr S-Bahn-Verbindungen, welche Folgen haben für den Busfahrplan.

Zur Diskussion steht auch, rund um das Café Luz und die Schiffsstation Treppen zum Seeufer hinab zu bauen. Zudem muss der Torbogen während der Bauarbeiten für den Durchgangsbahnhof verschoben werden – womöglich bekommt er darüber hinaus einen neuen Standort.

Was ändert sich auf der Seeseite?

Die Seeseite ist der Bereich, der sich in den nächsten 20 Jahren am stärksten wandeln dürfte. Zum einen mit dem Neubau der Luzerner Hochschule und der Rösslimatt-Überbauung. Zum anderen mit dem neuen «Bahnhofplatz Ost», der das Quartier besser an die Züge anbinden soll. Angedacht ist eine Kiss-&-Ride-Zone, Taxistände und Haltekanten für Reisecars – später ist auch ein Fernbusterminal möglich. Die Bürgenstrasse wird als neue Hauptachse vorgeschlagen, ebenso ist eine Busachse geplant.

Mit dem Wegfall der Gleise gibt es zudem zusätzlichen Platz. Was darauf entstehen soll, ist noch recht vage. Allerdings hat das Zeit: Dieses Puzzleteil kann erst nach Fertigstellung des DBL realisiert werden.

Was ändert sich an der Zentralstrasse?

Heute oft von stauenden Autos geprägt, soll die Zentralstrasse – jene, die parallel zu den Gleisen verläuft – zu einer Busachse mit eigener Haltestelle und einem Bahnhofplatz West werden.

Mit der Aufwertung der Unterführung will man einen attraktiven Zugang vom Hirschmattquartier zum Bahnhof und See schaffen.

Wie sieht es bei den Bussen aus?

Nächster Halt: Bahnhof West. So könnte künftig die Durchsage im Bus lauten. Denn angedacht ist, dass die Busse künftig an mehreren Haltestellen am Bahnhof Luzern halten: Bei der Zentralstrasse, am heutigen Bahnhofplatz und bei der Rösslimatt.

Statt vieler Strecken, die am Bahnhof enden, soll es künftig mehr sogenannte Durchmesserlinien geben.

Was ist mit dem Busbahnhof über den Gleisen?

Diese Idee steht schon seit längerer Zeit im Raum – wurde im Rahmen der Testplanung aber verworfen. «Keines der Teams hat uns den Busbahnhof über den Gleisen vorgeschlagen», erklärt Deborah Arnold von der Stadtplanung Luzern. Auf Nachfrage hin habe es sich gezeigt, dass eine solche Anlage weder verkehrstechnisch noch städtebaulich überzeugen könne.

Wo bleibt der Autoverkehr?

Autos werden auf dem Bahnhofplatz künftig weniger häufig zu sehen sein. Denn der Bund erwartet – als Voraussetzung dafür, dass der Durchgangsbahnhof überhaupt realisiert wird –, dass man in Luzern aufzeigen kann, wie man es schafft, mehr Menschen auf den öffentlichen Verkehr zu bringen.

Alle Teams wollen darum den Durchgangsverkehr reduzieren. Wie das geschehen soll, dazu sind zahlreiche Ideen im Gespräch. Eine davon: Die Seebrücke sperren. Eine andere – wohl realistischere: Die Zufahrt zum Bahnhof soll für Autos via Tribschen- und Rösslimattquartier möglich sein – vom Bahnhofplatz Richtung Inseli zu fahren wäre hingegen nicht mehr erlaubt. Auf der Zentralstrasse, wo sich die Autos heute oft stauen, soll es künftig ebenfalls weniger Durchgangsverkehr geben. Dafür müsste man die Zufahrt vom Bundesplatz her einschränken, was wiederum auf anderen Strassen Folgen hätte. Zur Diskussion stehen deshalb entsprechende Pilotversuche.

Trotz allem versichern die Verantwortlichen der Stadt Luzern: Der Bahnhof muss weiterhin auch für Autofahrer erreichbar sein. «Das ist auch wichtig für den Tourismus, die Schifffahrt und das KKL», sagt Manuela Jost. Weil viele Hauptstrassen betroffen sind, hat indes auch der Kanton ein gewichtiges Wort mitzureden – und der hat in einer ersten Reaktion leise Kritik geäussert (zentralplus berichtete).

Was ändert sich für die Velofahrer?

Vieles. Denn heute ist der Bahnhofplatz für viele Velofahrer ein Ort des Grauens. Die heutige Situation wird denn auch von allen Teams als unbefriedigend beurteilt. «Wir wollen die Lücken im Velonetz schliessen», sagt Jost. Neue Velowege entlang der Gleise sowie Querverbindungen sollen dabei helfen – auch auf der See- und Langensandbrücke.

Wie kommt man über das Gleisfeld? Dafür liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. Zum einen ein Veloweg in der bestehenden Personenunterführung. Zum anderen eine neue unterirdische Velostrasse oder eine oberirdische Brücke über die Gleise («Rösslimattsteg»).

Was ändert sich für Fussgänger?

Die Experten sind sich einig: Die Fussgänger sollen mehr Gewicht und entsprechend mehr Platz erhalten. Denn viele Nutzer des Bahnhofs sind zu Fuss unterwegs.

Insbesondere quer und längs des Gleisfelds sollen neue, attraktive Verbindungen geschaffen werden. So ist etwa vorgesehen, dass die Unterführung zwischen den Quartieren Hirschmatt und Rösslimatt möglichst rund um die Uhr geöffnet ist. Zudem ist es ein Hauptziel, die Pendlerströme – die sich heute oft durch den schmalen Ein- und Ausgang beim Brezelkönig zwängen – besser zu verteilen.

Das Kinderparlament erklärt in einfachen Worten, worum es beim Durchgangsbahnhof geht:

Wird das nun alles so gebaut?

Nein, entschieden ist noch gar nichts. Welche dieser Ideen letztlich realisiert werden, ist noch offen. «Es liegt ein fachliches Bouquet an Ideen vor, das wir nun öffentlich diskutieren werden», sagt Jost.

Wie oft beim Thema Verkehr dürften die Meinungen auseinander gehen. «Ich erwarte eine engagierte und lebhafte Diskussion», sagt Jost. «Es hat sehr viel spannende Themen, die vielleicht auch polarisieren.» Die Stadt wolle in der Mitwirkung nun herausfinden, was gut ankomme und wo man noch genauer hinschauen müsse.

Was kostet das Ganze?

Ein Preisschild haben die präsentierten Ideen noch nicht, es liegt noch nicht einmal eine grobe Schätzung vor. Das kommt erst in einem späteren Stadium des Prozederes hinzu – und könnte dafür sorgen, dass der eine oder andere städtebauliche Traum platzt.

Klar ist: Das Schienenprojekt wird vom Bund bezahlt. Alles darüber hinaus ist Gegenstand von Abklärungen und Verhandlungen.

Wann geht es los?

Mit dem Baustart für den DBL wird in rund zehn Jahren gerechnet. Allerdings zeigt der am Montag veröffentlichte Schlussbericht zur Testplanung: Es macht Sinn, gewisse Massnahmen bereits früher umzusetzen. Beispielsweise die Reorganisation des Bussystems mit einer vorläufigen Achse durch das Tribschenquartier und einer Haltestelle am Bahnhof West beim Hirschmattquartier.

Was, wenn der Durchgangsbahnhof gar nicht kommt?

Der Durchgangsbahnhof ist noch nicht beschlossene Sache. Voraussichtlich 2026 werden die Eidgenössischen Räte über den nächsten Ausbauschritt entscheiden, in dem das Geld für das Zentralschweizer Milliardenprojekt erwartet wird.

In Luzern rechnet man nicht mit dem Worst-Case-Szenario, wonach der DBL auf der Zielgerade noch scheitern könnte. «Wir gehen davon aus, dass das Konzept überzeugt», sagt Manuela Jost. Die vorliegenden Arbeiten zur Entwicklung des Bahnhofsgebiets sind ohnehin nicht für die Katz – denn gerade sie sollen den Weg für das Jahrhundertprojekt ebnen. «Sie sind auch ein Zeichen an den Bund, dass die Stadt Luzern parat ist», sagt die Stadträtin. 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von MvR
    MvR, 02.02.2021, 12:01 Uhr

    Zufahrt für PKW nur noch über das Tribschen-Rösslimatt Quartier – das ist doch ein Witz. Man soll sich mal vorstellen wie der Verkehr dann auf dem Bundesplatz aussieht. Wenn ich also von der Zürichstrasse oder Haldenstrasse her zum Bahnhof will muss ich zuerst über den Bundesplatz, die Langensandbrücke und dann alles hintenrum zurück? Wieviel grösser wird dadurch die Umweltbelastung (und die Illusion das bis dann alles nur noch E-Autos sind könnte ihr vergessen). Man könnte diese Idee verwirklichen wenn es komplett selbstfahrende Taxis gäbe welche mich zu Hause abholen und am Bahnhof (für mich eher das KKL für Konzerte) abladen und später wieder zurück nach Hause.

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