Luzerner Hotelier Werner Birnstiel

Vom Luzerner Butler zum Hotelier und Künstler im Tessin

Vom Introvertierten zum Verkäufer: Werner Birnstiel mit Seidenschal.

(Bild: hae)

Der Luzerner Werner Birnstiel ist ein Mann der vielen Talente: Der Künstler arbeitete im Striplokal, als Butler und mit Behinderten – heute betreibt er im Tessiner Bleniotal ein Hotel. Derzeit sind seine Bilder und Foulards in der Stadt zu bestaunen.

Der Mann strahlt, und es leuchtet an allen Ecken in der kleinen f5-Galerie am Luzerner Franziskanerplatz: Aquarellbilder und Seiden- sowie Wollfoulards schimmern in warmen Farben. Dazwischen ein kleiner Mann mit neckischen Augen im runden Gesicht, schlicht gekleidet im schwarzen Pullover und dunkelgrüner Hose. Er will seinen Kunstwerken nicht die Show stehlen. Schliesslich will der Künstler sie ja verkaufen.

Werner Birnstiel (53) ist ein Mensch, der sich gerne in den Dienst der anderen stellt. Schon Zeit seines Lebens. Nicht, weil der Stadtluzerner untertänig wäre. Nein, einfach, weil er seine Mitmenschen interessant findet. «Ich glaube an das Gute, bis ich vom Gegenteil überzeugt werde», sagt er, zu seinem Lebensmotto befragt. Birnstiel hat ein grundsolides Weltverständnis, betrachtet überall das Positive zuerst.

Wasser und Wolken werden Gemälde und Schals

Und vor allem betrachtet er genau. Nicht nur in seiner neuen Wahlheimat seit 1993, dem Tessiner Bleniotal. Immer, wenn er in der Natur bei Farben und Formen Inspiration findet, will er sie als Muster gleich auf Papier übertragen. So werden Moos, Wasser oder Wolken zu Gemälden. Ausserdem bedruckt er auch feine Stoffe, die er in Como kauft. So verewigt Werner Birnstiel seine geliebte Berglandschaft des Lukmanier und der Greina-Hochebene.

«Mit den Glimmstängeln dämpft man sich doch nur, das raubt extrem viel Energie.»

Werner Birnstiel, Ex-Raucher

Dazu hört er stets Musik, ohne die er nicht arbeiten kann. Sowohl im Atelier als auch in der Küche, wenn er abends für seine Hotelgäste kocht: Freejazz, Electrolounge oder psychedelischen Rock. Vorzugsweise von Bands wie The Comet is Coming, Kemet oder von den experimentierfreudigen Schweizern Koch, Schütz, Studer.

«Mit diesen dynamischen Rhythmen im Ohr setze ich enorm viel Energie frei.» Früher hat Birnstiel viel geraucht, das Laster hat er heute überwunden, weil es ihm nicht guttat und er durch das sehr körperliche Malen einen Ersatz fand: «Mit den Glimmstängeln dämpft man sich doch nur, das raubt extrem viel Energie.» 

Das Hotel im Bleniotal: die Casa Lucomagno mit acht Gästezimmern.

Das Hotel im Bleniotal: die Casa Lucomagno mit acht Gästezimmern.

(Bild: zvg)

Natur statt Nikotin, Land statt Stadt, Blenio statt Luzern: Das sind die neuen Lebenskoordinaten des Städters aus dem Würzenbach, der sich winters als Künstler und sommers als Hotelier betätigt. Er ist geerdet, lacht und sagt: «Ich bin geschäftstüchtig.» Vielleicht dank seiner protestantischen Erziehung? – Nicht, dass er gläubig wäre. Nein, er lacht und sagt: «Wer als Protestant erzogen wird, glaubt doch, dass er mit Arbeit in den Himmel kommt.» Doch der ist noch weit, allenfalls lacht er ihm bei Wanderungen im geliebten Ticino zu.

Wanderjahre als Berufsmann

A propos Wandern: Werner Birnstiel hat viel gelernt in seinen Wanderjahren als Berufsmann. Er arbeitete neben seinen Studien an der Kunsthochschule stets im Hintergrund, war für die anderen da oder liess sie gut aussehen. Ob das jetzt Menschen mit Behinderung in Rathausen waren, die er als Betreuer umsorgte, Schauspieler im Theater oder Tänzerinnen des Striplokals «Red Rose», die er als Beleuchter von ihren besten Seiten zeigte. «Die Stripperinnen brachten mir immer den Whiskey hoch, den ihnen die Freier bezahlt hatten und den sie nicht trinken wollten. Seither kann ich kaum mehr Schnaps anrühren – viel zu viel war das!»

«Ein Foulard ist erst fertig und perfekt, wenn es beim Richtigen landet.»

Werner Birnstiel, Künstler

Auch seine Kunden stehen im Mittelpunkt, ob im Hotel oder derzeit bis am 25. November jeweils nachmittags im Atelier f5. Werner Birnstiel macht angewandte Kunst: «Ich möchte die Persönlichkeit des Kunden unterstützen. Ein Foulard ist erst fertig und perfekt, wenn es beim Richtigen landet.»

Doch wie findet der Schal den richtigen Besitzer? Mit der packenden Geschichte, die Birnstiel dazu erzählt. Denn niemand braucht noch ein zusätzliches Halstuch. Aber wenn Werner Birnstiel, der Verkäufer, beschreibt, wie das Wasser eines Bächleins im Bleniotal rauscht und er es mit seinen Farben einfängt, dann hängt die Kundschaft an seinen Lippen. Und will das fein bemalte Tuch.

Der Künstler und sein Kunde: Werner Birnstiel mit Erwin Kuster.

Der Künstler und sein Kunde: Werner Birnstiel mit Erwin Kuster.

(Bild: hae)

So wie Erwin Kuster (77), der immer mal wieder ins lauschige Hotel Casa Lucomagno im Bleniotal einkehrt. Und gerne Bilder des Hoteliers mit nach Hause nimmt. «Tolle Gegend zum Wandern, malerisch historisches Hotel und ein gutes Gastgeberduo, leckere Küche sowie schöne Kunst – deshalb gehe ich gerne in die Casa Lucomagno», schwärmt Kuster.

Palazzo aus dem 19. Jahrhundert

Das Hotel auf 900 Metern Höhe führt Birnstiel seit 2006. Es ist ein prächtiger Palazzo aus dem 19. Jahrhundert, stilvoll restauriert, ausgerichtet auf Schweizer Stammkunden. Hier kann der gestresste Städter runterfahren, denn die Natur ist ruhig und anregend.

Der Hotelier und seine Frau: Werner Birnstiel mit Pia Steiner.

Der Hotelier und seine Frau: Werner Birnstiel mit Pia Steiner.

(Bild: zvg)

Der Hotelier sagt: «Sonst hat der Gast wenig, am Abend sitzt man zusammen in unserem Haus, wir kochen sogenannte Cucina nostrana, eine Art urchiges Slow-food mit Produkten aus der Region.» Birnstiels Frau Pia Steiner (51) managt das Büro und den Garten. Sie stammt aus dem Luzerner Hinterland, ist heute «trockene» Ökonomin und arbeitet auch als Körpertherapeutin.

«Im Tessin muss man viele der alten Häuser demaskieren, weil beim Umbauen immer gebastelt wurde.»

Werner Birnstiel, Hotelier

Auch Werner Birnstiel ist wie Pia Steiner Quereinsteiger, zudem ein eigenwilliger Mensch. Als dritter Mann hat er an der Kunsthochschule in Luzern die Textilfachklasse gemacht. In der grossen Frauenrunde entdeckte er: Tuch ist sein Material. Schliesslich ist er erblich vorbelastet: Die Birnstiels kamen als Textilhändler aus dem Norden in die Schweiz, sie stammten aus der fränkischen Schweiz beim Main, wo es viele Burgen und Ruinen gibt. 

«Ich litt früher unter Existenzängsten und dachte, ich bin doch kein Verkäufer!»

Auch Werner Birnstiel zog es in den Süden. Dorthin, wo er sich im Tessin in ein altes Haus verliebte. «Wir waren vorsichtig, denn im Tessin muss man viele der alten Häuser demaskieren, weil beim Umbauen immer wieder gebastelt und gekleistert wurde.» Das Paar dachte zuerst an ein einfaches Tessinerhaus, doch die Casa Lucomagno hatte sie mit ihrem Charme gewonnen. «Wir haben ein Jahr umgebaut, heute vermieten wir acht Zimmer mit 19 Betten.» Und wie er sagt, läuft das Hotel gut.

Das hätte er anfangs nicht gedacht. «Ich litt früher unter Existenzängsten und dachte, ich bin doch kein Verkäufer!» Bis er sich einfach sagte, dass er beim Kunstmachen einfach nach innen gehen müsse, beim Verkaufen dann einfach nach aussen. So einfach kann das manchmal sein.  

Heute fühlt sich Werner Birnstiel auch als Verkäufer gut. Als Künstler ja schon lange, dank angenehmen Naturfarben. Es leuchtet an allen Ecken in der f5-Galerie. Und der Mann strahlt.

Der Wahltessiner in der Luzerner f5-Galerie: Werner Birnstiel mit Schals und Gemälden.

Der Wahltessiner in der Luzerner f5-Galerie: Werner Birnstiel mit Schals und Gemälden.

(Bild: hae)

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