Flyer sorgen in Luzern für Gesprächsstoff

Verunreinigtes Wasser: Was hinter dem mysteriösen Flyer steckt

Dieser Flyer sorgt seit Sonntag im Quartier Langensand Matthof für Verwirrung und Ärger. (Bild: PLU)

Die Menschen im Quartier Langensand-Matthof haben wegen der Trinkwasserverunreinigung Ärger. Jetzt sorgen zusätzlich Flyer für Verunsicherung. zentralplus hat einen Mann getroffen, der am Sonntag Zettel verteilte.

Stell dir vor, du musst dein Trinkwasser seit Tagen wegen einer Verunreinigung abkochen. Plötzlich hängt ein Zettel an deiner Türe – eine Firma informiert dich über Wasserfilter. So passiert in der Stadt Luzern. Eine Bewohnerin kann diese Geschäftstaktik nicht verstehen und schreibt auf Social Media: «Da versuchen doch tatsächlich Private, mit der Angst der Leute Geschäfte zu machen!»

Der Flyer stammt von einer Firma aus dem Aargau. Sie bietet spezielle Wasserfilter-Systeme an, die das Wasser reinigen sollen. Das Unternehmen mit Sitz in Turgi schreibt auf seiner Website, dass es immer wichtiger werde, sich mit Trinkwasser auseinanderzusetzen. «Zeit, die Initiative zu ergreifen und für eigenes, sauberes Trinkwasser zu sorgen», heisst es dort.

Flyer löste Verunsicherung bei Bevölkerung aus

Ein möglicherweise weiteres Flugblatt sorgte über das Wochenende ebenfalls für Verunsicherung. Laut diversen Meldungen wurde die Bevölkerung darin informiert, dass das Wasser wieder trinkbar sei. Die EWL reagierte und schrieb auf der Homepage: «EWL wurde von verschiedenen Seiten darauf angesprochen, dass Flyer zum Thema Trinkwasserverunreinigung im Umlauf sind, wobei auch das Stichwort Entwarnung gefallen ist. Vorsorglich haben wir hier darauf hingewiesen, dass allfällige Entwarnungen nicht von der EWL stammen.»

«Die EWL wird mit der Firma in Kontakt treten.»

EWL Medienstelle über den Werbeflyer

Gegenüber zentralplus erklärt die EWL, wie du das echte Schreiben erkennen kannst. So werde die EWL «via offiziellem Schreiben an den Gebäuden, auf der EWL-Website sowie in den Medien breit über die Aufhebung der Massnahmen informieren. Auch wenn dies nur in bestimmten Teilgebieten der Fall sein sollte.»

Wenn du dann trotzdem nicht sicher bist, ob die Meldung wirklich stimmt, kannst du dich telefonisch absichern. Die Telefonnummer lautet 0800 395 395.

Sind «Entwarnungs-Flyer» und «Werbe-Flyer» die gleichen?

Sind also zwei Flyer im Umlauf? Ausgeschlossen werden kann das nicht. Recherchen von zentralplus zeigen allerdings, dass der EWL kein anderer Flyer als der mit den Wasserfiltern aus dem Aargau bekannt ist. Möglich ist, dass die Piktogramme (unten das blaue Trinkwassersymbol) falsch interpretiert wurden.

So sieht der Flyer aus, der seit Sonntag für Verunsicherung sorgt.

So sieht der Flyer aus. Von einer «Entwarnung» ist nichts zu lesen. (Bild: PLU)

Das steckt hinter dem «Werbe-Flyer»

Am Montag treffen wir einen Mann, der am Sonntag Flyer im Quartier verteilte. Es ist Hakan Oswald von CWO-Tech, einer Start-up-Firma aus Turgi. Der 64-Jährige wollte mit den Flyern nach eigenen Aussagen weder Verwirrung stiften noch Geld machen: «Ich verdiene nichts an dem Projekt.» Er geht auch auf den Vorwurf ein, dass diese Flyer die Leute verängstigt haben könnten. «Wir haben keine Angst verbreitet. Wir haben lediglich gesagt, dass wir eine Lösung haben, um sauberes Trinkwasser zu garantieren.» Auch betont er, dass nirgends auf den Flyern stehe, dass das Wasser nun wieder trinkbar sei.

In unserem rund 40-minütigen Gespräch betont Oswald immer wieder, dass er nicht die Arbeit der EWL anzweifle. «Die EWL hat nur die Verantwortung, sauberes Trinkwasser bis zum Hausanschluss zu liefern. Was danach passiert ist, nicht ihre Sache und da kommen unsere Systeme ins Spiel.»

Die Flyer habe er nur an zwei Strassen im Quartier Langensand-Matthof verteilt. Die gute Absicht von Oswald wird nicht überall geteilt. So können einige nicht verstehen, dass in der jetzigen Situation ein solcher Flyer verteilt wird. «Ich kann verstehen, wenn die Menschen gereizt reagieren», sagt Oswald. «Es ist nicht verboten zu reklamieren. Allerdings ist es auch nicht verboten, Flyer zu verteilen.»

Hakan Oswald betont gegenüber zentralplus, dass er die Leute informieren möchte, was im Wasser drin sei: «Im Leitungswasser hat es Schwermetalle, Rückstände von Hormonen und Medikamenten oder Mikroplastik.» Die Wasserwerke könnten diese Stoffe schlicht nicht alle rausfiltern.

EWL klopft Firma auf die Finger

Die Werbeflyer verärgern auch die EWL. Auf Anfrage von zentralplus schreibt das Unternehmen, dass die Aargauer Firma bald von der EWL hören werde: «Die EWL wird mit der Firma in Kontakt treten und darauf hinweisen, dass die Aktion bei der betroffenen Bevölkerung für Verunsicherung gesorgt hat.»

zentralplus weiss, dass die EWL schon am Montagnachmittag mit Hakan Oswald Kontakt aufgenommen hat. Die Redaktion hatte Einsicht in das E-Mail. Darin bittet die EWL Oswald, die Flyer zu entfernen. Auch droht sie mit möglichen rechtlichen Konsequenzen. Es ist damit zu rechnen, dass die EWL bald erneut in dieser Sache informieren wird.

Da die bakterielle Verunreinigung noch immer besteht, hat die EWL fünf Zapfhähnen mit frischem Trinkwasser im Quartier aufgestellt (zentralplus berichtete). Sie befinden sich an den folgenden Standorten:

Bodenhofstrasse 12 (Karte)
Studhaldenhöhe 8 (Karte)
Vorderrainstrasse 15 (Karte)
Hirtenhofstrasse 48 (Karte)
Langensandstrasse 92 (Karte)

Weiter gilt im Gebiet Langensand in Luzern, dass die Anwohnerinnen das Trinkwasser für folgende Tätigkeiten abkochen müssen:

  • Trinken, Getränkezubereitung (zum Beispiel Eiswürfel)
  • Nahrungszubereitung
  • Zähne putzen
  • Medizinische Zwecke (Wundreinigung, Nasenspülen usw.)
  • Geschirrabwasch von Hand
  • Kaffee- oder Teezubereitung mit Haushaltsgeräten
  • Waschen von Obst, Gemüse, Salat oder weiteren Lebensmitteln
  • Trinkwasser für empfindliche Haustiere

Beim Geschirrspüler (höchste Temperaturstufe), für die allgemeine Reinigung, zur Toilettenspülung, fürs Duschen oder fürs Wäschewaschen sei das Abkochen nicht nötig. Zum Trinken oder als Säuglingsnahrung sollten die Anwohnerinnen auf Mineralwasser ausweichen.

Verwendete Quellen
  • Treffen mit Hakan Oswald in der Stadt Luzern
  • Meldungen auf Social Media
  • Mailverkehr mit der EWL
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