Stadtluzernerinnen im Gebiet Bellerive klagen seit Jahren über unergründlichen Lärm in Ihrer Nachbarschaft. (Bild: Screenshot Google Maps / Symbolbild: Adobe Stock)
Mehrere Bewohner des Bellerive-Quartiers in der Stadt Luzern stören sich seit Jahren ob eines penetranten Geräuschs. Schlaflose Nächte beschäftigen die Anwohnerinnen und der Stadt sind die Hände gebunden.
Im Kanton Luzern häufen sich Berichte über mysteriöse Geräusche – mit etwas Fantasie könnte man sich langsam denken, dass die Zentralschweizer Versionen von «Max und Moritz» Luzernerinnen Klangstreiche spielen. Erst letzten Monat nervte ein rätselhaftes Geräusch die Bevölkerung der Gemeinde Malters (zentralplus berichtete). Auch in der Stadt Luzern soll es unerklärliche Geräusche geben, die Stadtluzernern den Schlaf rauben – und das seit mehreren Jahren.
Im Bellerive-Quartier störe seit Jahren ein penetranter Brummton die Ruhe mehrerer Quartierbewohner, wie Loris Mainardi, Anwohner des Bellerive-Quartiers, gegenüber zentralplus berichtete.
«In der DDR hat man Personen auf diese Art und Weise gefoltert.»
Mainardi spricht von «einem tiefen Ton ähnlich einer Vibration». Eine weitere Anwohnerin des betroffenen Quartiers, die anonym bleiben möchte, beschreibt das störende Geräusch als ein Summen. Sie meint gar parallel zwei verschiedene Laute wahrzunehmen: «Eines ist stehend, während das Zweite wellenweise zu vernehmen ist», so die Anwohnerin gegenüber zentralplus.
Die Anwohnerin beschreibt das Geräusch als sehr ermüdend, es halte sie vom Schlafen ab. «Besonders nachts, wenn die Geräuschkulisse generell abklingt, stört das Summen meine Ruhe.» An Schlafen sei dann nicht zu denken. Auch Mainardi raube der Brummton den Schlaf. Er habe bereits in der Luzerner Altstadt gewohnt, Lärm am Wohnort sei also nichts Neues für ihn.
Mit dynamischem Lärm, wie in der Altstadt, könne er umgehen. Das Geräusch im Bellerive sei jedoch unglaublich penetrant, da es konstant bleibe. Er unterstreicht den Ernst der Lage: «In der DDR hat man Personen auf diese Art und Weise gefoltert.»
Das Verkehrshaus Luzern als Lärmquelle im Verdacht
Die Quartierbewohnerin habe die Klänge bereits zu verschiedenen Zeitpunkten gemessen und es sei stets dieselbe Frequenz gewesen. Auch Mainardi habe das Geräusch identifizieren können – so auch weitere betroffene Bewohner des Quartiers. Sie alle seien unabhängig voneinander auf denselben Schluss gekommen: «Es handelt sich um den Ton Es mit 77 Hertz.»
Das beschriebene Störgeräusch dürfte also in etwa so klingen:
Seiner Meinung nach zeige dies, dass es sich nicht um ein Hirngespinst oder einen Zufall handle: «Das Geräusch kann unmöglich eine Einbildung sein.» Beide Betroffenen berichten, dass die Lärmbelastung im Winter innerhalb ihrer Heime besonders ausgeprägt sei. Im Sommer verbringe man mehr Zeit draussen, so nehmen Betroffene die Belastung weniger wahr.
Insbesondere bei schneebedecktem Boden oder bei länger anhaltenden Nässephasen mache sich das nervtötende Geräusch bemerkbar. Mainardi vermutet deswegen dessen Ursprung unter der Erdoberfläche: «Für mich ist es am naheliegendsten, dass eine Wärmepumpe die Ursache für den Brummton ist.»
Da das Störgeräusch grossflächig im Quartier vernommen werden könne, vermute er den Erzeuger des Geräusches nicht etwa bei der Wärmepumpe eines Einfamilienhauses. Sein momentaner Verdacht liegt bei einem beliebten Ausflugsziel: «Vor einigen Jahren wurde beim Verkehrshaus eine grosse Wärmepumpenanlage installiert, diese hätte die Kapazität, um grossräumig für solche Geräusche zu sorgen.»
Um die Ursache des Problems zu finden und dieses zu beheben, habe der Quartierbewohner bereits mit Fachpersonen aus der Geologie und vom Umweltschutz der Stadt Luzern im Austausch gestanden. Wie es sich zeigen sollte, bisher noch erfolglos.
Bereits 2020 untersuchte die Stadt das störende Geräusch
Peter Schmidli, Bereichsleiter Energie, Klimaschutz und Luftreinhaltung des Umweltschutzes der Stadt Luzern, erklärt gegenüber zentralplus auf Anfrage, dass die Lärmstörung im Jahre 2020 von der Stadt untersucht worden sei. Er führt aus: «Bei unserem Besuch der Liegenschaft konnte jedoch der störende Schall nicht wahrgenommen und folglich auch nicht identifiziert werden. Der Schall schien aus unserer Sicht am besagten Ort entweder nicht vorhanden oder aber sehr leise zu sein.»
Weitere Anwohnerinnen des Quartiers hätten über ähnliche Lärmstörungen berichtet – interessanterweise in rund 300 Meter Luftdistanz. Für Schmidli ein Rätsel: «Eine Erklärung für das Auftreten dieser möglichen Störung an zwei weit auseinander liegenden Orten gibt es bislang nicht.» Man habe verschiedene mögliche Ursachen in Zusammenarbeit mit den VBL, dem EWL und dem Tertianum untersucht, konnte jedoch keine Lärmquelle identifizieren.
Anfang dieses Jahres habe die Stadt bei einem weiteren Besuch das Geräusch – wenn auch sehr leise – wahrnehmen können. Es höre sich ähnlich an wie Geräusche einer Umwälzpumpe einer Heizung, so Schmidli. Er zeigt Verständnis für das Problem der Quartierbewohner: «Es ist trotz des niedrigen Schallniveaus nicht zu bestreiten, dass solche Geräusche subjektiv störend sein können.»
Betroffene und Stadt sind sich über Zuständigkeit uneinig
Die Lärmquelle konnte trotzdem noch immer nicht identifiziert werden. Deswegen seien der Stadt die Hände gebunden. Sie könne einen identifizierten Lärmverursacher verpflichten, Lärmimmissionen unter Beizug von Lärmfachleuten aufzuzeigen und dann, falls nötig, Lärmschutzmassnahmen anordnen.
Im Falle des Bellerive-Quartiers fehle der identifizierte Lärmverursacher. Zudem lasse sich aufgrund der durchgeführten Besichtigungen folgern, dass Belastungsgrenzwerte der Lärmschutzverordnung weder erreicht noch überschritten würden.
Für Mainardi ein wunder Punkt. Er fordert von der Stadt, externe Experten beizuziehen, um die Lärmquelle ausfindig zu machen. «Es ist die Aufgabe der Stadt, sich um das Wohlergehen aller Stadtluzerner und Stadtluzernerinnen zu kümmern.»
Der Bereichsleiter des Klimaschutzes der Stadt sieht dies nicht so. Er erklärt: «Es ist nicht Aufgabe der Stadtverwaltung, bei privaten Liegenschaften derartige Untersuchungen zu subjektiv allenfalls störenden, aber objektiv gesetzeskonformen Geräuschen durchzuführen.» Die Stadt sei jedoch offen, Lösungsansätze zu evaluieren, sobald die Frage nach der Lärmquelle geklärt sei.
Quartierbewohner fühlen sich von der Stadt nicht ernst genommen
Für die Betroffenen des Bellerive-Quartiers ist es ein Eklat. Eine Anwohnerin fühle sich «vernachlässigt» und spricht von «Respektlosigkeit» seitens der Stadt. Das Problem sei – wenn auch für wenige Betroffene – real und schränke ihre Lebensqualität ein. Auch Mainardi fragt sich, ob die Stadt das Problem ernst nehme.
Diese bezieht zu den Vorwürfen Stellung: «Wir nehmen die Aussagen der Anwohnenden selbstverständlich ernst und bedauern deren Unannehmlichkeiten. Wir haben aber bislang trotz einigem Aufwand die Ursache nicht ausfindig machen können. Somit können wir auch keine Massnahmen zu ihrer Behebung vorschlagen. Unsere Zuständigkeiten sind begrenzt. Den Bewohnenden steht es jedoch frei, sich von einem Akustikfachbüro unterstützen zu lassen und so eventuell eine Ursache für die von ihnen wahrgenommenen Geräusche zu finden.»
Mainardi zeigt sich hartnäckig. Für ihn sei es keine Option, die Untersuchungen zu finanzieren. Dafür sei die öffentliche Hand zuständig. Ob sich dieses Patt in Zukunft lösen lässt und somit im Bellerive-Quartier wieder entspannt eingeschlafen werden kann, wird sich zeigen.
ist seit Sommer 2024 als Praktikant für zentralplus tätig. Der gebürtige Luzerner schrieb in seiner Zeit als Geschichtsstudent vorwiegend über Vergangenes in fernen Ländern. Bei zentralplus findet er die zeitliche und geographische Nähe zur Heimat wieder und berichtet am liebsten über lokale Kuriositäten.