Tradition steht vor dem Aus – mit bitteren Folgen
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Seit über 30 Jahren kümmern sich Vereine um die Papier- und Kartonsammlung in Horw. Doch nun steht die Tradition auf der Kippe.
Einmal im Monat ziehen Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit gelbgrünen Westen durch die Strassen der Gemeinde Horw. Das ist keine Hommage an die fünfte Jahreszeit, die Fasnacht, sondern schweisstreibende Arbeit. Mitglieder verschiedener Horwer Vereine sammeln Papierbündel und Karton, um sie zu entsorgen.
Seit über 30 Jahren gibt es diese Tradition. Sie ermögliche den beteiligten Vereinen, ihr Budget mit 2700 Franken pro Sammlung aufzubessern, schreibt Christian Volken, Sprecher der Gemeinde, auf Anfrage. Doch ohne Vereinsmitglieder, die bereit sind, an einem Wochenende freiwillig zu arbeiten, ist diese Tradition bald Geschichte.
Das persönliche Wohl steht über dem Gemeinwohl
Ehrenamtliches Engagement stellt Schweizer Vereine seit Jahren vor Herausforderungen. Auch in Horw kenne man das Problem, wie Christian Schnyder, Präsident des Tennisclubs Horw berichtet. Er erkenne in den letzten Jahren eine veränderte Dynamik in der Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit – und das nicht erst seit der Pandemie.
Corona habe den Umbruch in der Gesellschaft zwar verstärkt, doch den Ursprung vermutet der Präsident andernorts. Zeitdruck und Schwierigkeiten, Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten unter einen Hut zu bringen, hätten dazu geführt, dass viele das persönliche Wohl heute wichtiger finden als das Gemeinwohl.
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Schnyder berichtet: «Früher war es völlig klar, bis in den Nachmittag zu arbeiten und anschliessend gemeinsam zu grillieren. Heute schätzen es viele, wenn der Einsatz spätestens um 12 Uhr endet und der restliche Tag anderweitig planbar bleibt.» Dieser Gesellschaftswandel vollziehe sich schrittweise und unbewusst.
Wegen fehlender Freiwilliger zieht sich Verein aus der Sammlung zurück
Bis vor Kurzem hat der Tennisclub an der Papier- und Kartonsammlung nicht teilgenommen. Für die Jahre 2024 und 2025 startete der Verein einen Testversuch, musste aber feststellen, dass die Suche nach Helfern zu herausfordernd war.
Obwohl der Club mit dem «Chrampferbatzen» richtig kreativ wurde: Alle Mitglieder entrichten einen jährlichen Beitrag. Meldet man sich für einen freiwilligen Einsatz, bekommt man den Beitrag rückvergütet.
Dennoch muss sich Verein per 2026 erneut zurückziehen. Er benötige die Freiwilligen für die Instandhaltung der Vereinsinfrastruktur, sagt Schnyder. Im Gegensatz zu anderen Vereinen könne der Tennisclub in Sachen Infrastruktur nicht vom Werkdienst der Gemeinde oder etwa einem Schulhaus-Hauswart profitieren.
Horwer Papier- und Kartonsammlung steht auf der Kippe
Der Rückzug des Tennisclubs hinterlässt eine Lücke in der Organisation der Papier- und Kartonsammlung der Horwer Vereine. Denn für die Gemeinde entscheidend ist, dass jeder Sammelmonat durch einen Verein abgedeckt wird. Für das laufende Jahr sei dies gewährleistet, schreibt Gemeindesprecher Volken. Ab 2026 sei es ungewiss.
Tim Studhalter, Scharleiter der Jungwacht Horw, weiss derweil, dass es noch keinen Ersatz für den Tennisclub gibt. Der Jugendverein beteiligt sich seit gut 15 Jahren an der Horwer Tradition. Studhalter befürchtet eine Kettenreaktion. Auch andere Vereine könnten aussteigen, wodurch die Suche nach Nachfolgern noch schwerer würde.
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Am Ende würde wohl Real sämtliche Sammlungen übernehmen. Für die Jungwacht wäre das ein grosses Problem.
Für Jungwacht hätte Ende der Tradition verheerende Folgen
Denn: Die Jungwacht übernimmt mit dem Blauring gemeinsam vier Sammlungen jährlich. Für den Jugendverein sind die Einnahmen essenziell für das Vereinsleben. Und wenn die Haupteinnahmequelle wegfällt? «Dann müssten wir beim Materialeinkauf erheblich sparen. Das würde uns bei der Koordination eines attraktiven Programms für die Kinder und Jugendlichen massive Hürden in den Weg stellen», sagt Studhalter.
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Nicht für alle beteiligten Vereine wäre ein Ende der Horwer Tradition gleichsam verheerend.
Die Trychlergruppe Horw übernehme jährlich eine Sammlung – das sei eines von drei finanziellen Standbeinen des Vereins, erzählt Trychlermeister Severin Bättig. Helfer hätten sie jeweils genug. Doch eine Übernahme der Sammlung durch die Real hätte auch für diesen Verein Konsequenzen.
Es gäbe ein gut besuchtes Event weniger und ein Finanzloch. Allenfalls müsste die Trychlergruppe dann einen Mitgliederbeitrag einführen, sagt Bättig. Seit 20 Jahren sammeln die Horwer Trychler bereits Papier und Karton.
Politik und Vereine machen sich für Horwer Tradition stark
Die Umfrage zeigt: Mit einem Ende der Horwer Tradition drohen unangenehme Folgen für die beteiligten Vereine. Die Vereine suchen daher gemeinsam nach Lösungen.
Die Trychler oder auch der Tennisclub wären bereit zur Unterstützung eines anderen Vereins, der sich für die fehlende Sammlung verpflichten würde. Dort liegt jedoch der springende Punkt. Es fehlt weiterhin ein Verein, der in die Lücke springt und die Hauptverantwortung übernimmt.
Auch die Lokalpolitik hat dieses Problem erkannt. Die FDP Horw hat kürzlich einen Vorstoss eingereicht, um Klarheit bezüglich der Zukunft der Papier- und Kartonsammlung zu schaffen. Hierbei verweist die Partei auch auf die von der Sammlung abhängigen Vereine. Vielleicht kann die Horwer Tradition doch noch gerettet werden.
- Schriftlicher Austausch mit Tim Studhalter, Scharleiter Jungwacht Horw
- Schriftlicher Austausch mit Christian Schnyder, Präsident Tennisclub Horw
- Telefonat mit Severin Bättig, Trychlermeister Trychlergruppe Horw
- Schriftlicher Austausch mit Christian Volken, Kommunikationsverantwortlicher Gemeinde Horw
- Dringliche Interpellation der FDP Horw zur Papier- und Kartonsammlung
- Mitteilung der Gemeinde Horw