Bestseller auf Weihnachtsmärkten

Süsse Gewinnmarge von bis zu 1’000 Prozent auf Glühwein

Was da wohl im Becher sein mag, wenn das Schild schon abblättert? (Bild: hae)

Glühwein ist schön süss, wärmt, belebt den Geist und auch das Gemüt. Doch wie viel Gutes ist da wirklich drin? Kommt der Adventshit aus dem Grosskanister und sorgt vor allem für enorm hohe Margen? zentralplus hat bei den Glühweinausschenkern Luzerns nachgefragt.

Kennen Sie das Glühweineinmaleins? Ein Glühwein, swei Glühweih, rei Lühwei... Rund fünf Millionen Liter des gewürzten Heissgetränks rinnen winters durch die Kehlen der Schweizer, vorwiegend an den mehr als 200 Weihnachtsmärkten landauf, landab. Verlässliche Konsumzahlen gibt’s dazu allerdings nicht. Vielleicht liegt das an der nachlassenden Zählfertigkeit bei fortgeschrittener Menge – siehe oben.

Doch der Absatz wird Jahr für Jahr grösser. Denn für die meisten Menschen dürfen Glühweinstände auf dem Weihnachtsmarkt zur Adventszeit nicht fehlen, so hat es das Statistikinstitut Statista.com ermittelt: Als Spitzenreiter der «Must Haves» gilt das warme Glas Glühwein mit 81 Prozent, noch vor Lichterketten (79 Prozent) und Weihnachtsbäumen (78 Prozent). 

Was gehört in den richtigen Glühwein?
Im Glühwein steckt viel Gutes drin, nimmt man gemeinhin gerne an: Rotwein, Früchte und Gewürze. Diese weihnachtlichen Gewürze wie Kardamom, Nelken, Pimentkörner, Sternanis, Zimt, Koriander und Anis sind gesund und helfen unserer Verdauung auf die Sprünge. Zucker macht das Getränk angenehm süss. Glühwein muss mindestens einen Alkoholgehalt von 7,5 Prozent haben. Nach oben hin ist die Marke bei 14,5 Prozent gedeckelt. Werden Rum, Weinbrand oder Liköre beigegeben, spricht man von Punsch.

Die Besucher sind in diesen besinnlichen Adventstagen spendabel. Sie geben an einem Weihnachtsmarkt zwischen 50 und 100 Franken pro Tag aus, wie der «Blick» schrieb. Und weil viele Weihnachtsessen noch auf ein paar Runden Glühwein an den Ständen enden, ist von steigendem Umsatz und immer stärker alkoholisierten Besuchern die Rede.

Das deutsche «Stern»-Magazin hat vorgerechnet, dass an den beliebten deutschen Weihnachtsmärkten die Verkäufer eine Rendite von bis zu 1’000 Prozent haben. Lassen sich die Zahlen auch auf Schweizer Verhältnisse übertragen? Wenn also für einen Becher des süssen und stimmungshebenden Heissgetränks zwischen 5 und 6.50 Franken verrechnet werden, dann dürfte die Herstellung eines 2-dl-Bechers kaum mehr als 50 Rappen kosten. Wie sieht das in unserer Region aus?

Die Stände am Luzerner Franziskanerplatz liessen nicht in die Glühweintöpfe blicken. (Bild: hae)

Bei einer zentralplus-Umfrage auf den beiden Weihnachtsmärkten am Inseli und auf dem Franziskanerplatz wollte sich keiner der Anbieter in die Metallfässer und Kanister schauen lassen: «Geheimrezept», hiess es da. Oder: «Wir peppen Wein mit eigenen Kräutern auf.»  Ist da etwa der fixfertige Glühwein eines Grossverteilers gemeint, der für unter 2 Franken pro Liter zu haben ist und nicht einmal schlecht schmeckt? Da wäre tatsächlich eine Marge von 1’000 Prozent machbar, ohne Arbeit und Miete zu berechnen.

An «Rudolfs Weihnachten», Luzerns neustem Weihnachtsmarkt auf dem Inseli, gibt es überall den «Glöggli»-Glühwein. Dieser wird vom Getränkeverteiler Greiner in Niederwangen (BE) vertrieben. Doch Geschäftsführer Daniel Greiner fand leider keine Zeit, um über Absatz und Zusammensetzung seines Glühweines Auskunft zu geben. Auch sonst wollte niemand im Betrieb Red und Antwort stehen.

Auf der Greiner-Webseite ist zu lesen: «Unser Glühwein wurde auf der Basis von gutem Wein aus Spanien gemacht und mit natürlichen Aromen gewürzt. Die Süsse kommt über rektifizierten Traubensaft. Ein Glühwein, den man auch selber noch nachwürzen und abschmecken kann.» Der Name «Glöggli» kommt vom schwedischen Wort «Glögg», das für Glühwein steht.

So sieht es bei Muttern aus: Glühwein selbst gemacht. (Bild: hae)

Der Trend zur Automatisierung ermöglicht den Weihnachtsmarktbuden heute einen schnellen Service: Es gibt den Glühwein in Zehnliterkanistern oder gar noch grösseren Gebinden fixfertig zu kaufen. Fix geht es dann auch am Stand: Aufwärmen, Ausschenken, Abkassieren. Trotzdem muss man abends am Inseli mitunter bis zu einer Viertelstunde für einen Becher des beliebten Heissgetränkes anstehen. 

Selbst gemacht in der «Kostbar»

Nicht warten muss man in der «Kostbar» in der Luzerner Neustadt, wo Geschäftsführerin Esther Bühlmann ebenfalls jeden Tag rund sieben Liter Glühwein ausschenkt. Sie gab als einzige Auskunft, wie sie ihren eigenen Glühwein herstellt. Ganz nach alter Tradition: Sie trocknet selber Anfang November bereits Äpfel- und Orangenschalen, kauft passenden Rotwein an Aktionstagen, gibt anstatt Zucker Süssmost bei und verfeinert das Ganze mit Gewürzmischungen aus der Drogerie. Ihr Glühwein kostet so viel wie der Glöggli am Inseli: 6.50 pro Becher.

Und was ist jetzt Bühlmanns Gewinn? Ihr Liter Glühwein kostet rund 8 Franken, damit füllt sie vier Becher. Das macht eine Marge von 225 Prozent. «Ähnlich viel verdient man auch bei einem Kaffee, ohne Arbeit und Miete einzuberechnen», vergleicht die «Kostbar»-Chefin.

Selbst gemacht: Esther Bühlmann mit ihrem Glühwein in der «Kostbar». (Bild: hae)

Esther Bühlmann war mit ihrem Partner angefragt worden, ob sie nicht auch an «Rudolfs Weihnachten» mit einem Stand teilnehmen wolle, nachdem sie bereits am Zuger Schwingfest ESAF mit einem Älplermagronen-Stand dabei war. Doch die Anfrage war sehr kurzfristig Ende Oktober erfolgt. Dabei hätte sie guten Grund zum Mitmachen gehabt: «Ich habe den Glühwein nicht gern so klebrig und süss, wie er etwa auf dem Franziskanerplatz verkauft wird», sagt Bühlmann. Sie gesteht, dass sie vom hektoliterweise ausgeschenkten warmen Wein der Weihnachtsmärkte meist Kopfweh bekommt. 

Höhere Abgaben für Glühweinstände

Keinerlei Kopfschmerzen bereiten den vielen Ständen hingegen die süssen Margen auf dem Glühweinhit. Immerhin für ausgleichende Gerechtigkeit haben die Marktstandvermieter gesorgt: Glühweinstände bezahlen meist eine weitaus höhere Standmiete als etwa die Verkäufer von Kleinkunst. 

Nichtsdestotrotz werden die Handwerker von den Glühweinausschenkern zusehends vertrieben. Das ist – ganz nüchtern betrachtet – praktische Marktwirtschaft.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rolf Oehen
    Rolf Oehen, 25.12.2019, 13:09 Uhr

    Teuer ist dieser «Punsch» schon, aber immerhin stecken bei diesem feinen und wärmenden Getränk noch ein gerüttelt Mass an Arbeit und Energie drin: Materialeinkauf, aufbereiten, erhitzen, «richtiges» würzen, mischen, transportieren plus Becher, Standkosten, Löhne, Transport etc. und – vermutlich auch noch etwas Steuern – trotz «schwarzer» Nächte (…).
    Was ich viel unverhältnismässiger finde, sind die Preise des ach so «gesunden» Schorle-Getränks! Bestellt man einen «normalen» 3-er Süssmost, kostet der genau gleich viel wie dieselbe Menge dieses massiv gepanschten Schorle-Getränks!
    Und, à propos gute Gewinne: Schon mal überlegt wie die Margen bei einem «alltäglichen» Aspirin für den Folgetag aussehen?

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