Auf dem Kulturhof hinter Musegg sind diesen Sommer zwei Güggel geschlüpft. Nur können sie dort nicht bleiben. Irene Wespi, Co-Leiterin des Hofs, erklärt, was das mit Kot und Stress zu tun hat.
Auf dem Kulturhof hinter Musegg erfreuen sich Stadtluzerner sowie Touristinnen am Kaffee, bei dem man gleichzeitig einige Tiere beobachten kann. Doch Bewunderer der gefiederten Hofbewohner dürften bei einem Spaziergang hinter der Museggmauer bald weniger Hühner zählen als bis anhin.
Denn: Der Kulturhof will zwei Güggel seiner Hühnerschar abgeben, wie es in einem Facebook-Beitrag heisst.
Sorge vor Hahnenkämpfen
Auf dem Kulturhof leben stets zwischen 6 und 14 Hühner, wie Irene Wespi, Co-Leiterin des Kulturhofs hinter Musegg, bei einem Besuch sagt. Zurzeit frönen sechs ausgewachsene Hennen und der Güggel Ueli auf dem Hof ihrem Dasein. Im Sommer seien vier Bibeli zur Hühnerschar dazugestossen. Aus diesen sind mittlerweile zwei Hennen und zwei Gockel herangewachsen. «Deswegen müssen wir für die zwei männlichen Jungtiere jetzt ein neues Zuhause finden», sagt Wespi.
Der Grund hierfür liege im Geschlechterverhältnis der Stadtluzerner Hühnerschar. Optimalerweise liege dieses bei sechs bis zehn Hennen auf einen Güggel. So komme es zu keinem Konkurrenzkampf der Hähne bei der Paarung, was weniger Stress für die Hühnerschar bedeute.
Im Stall hätte es theoretisch genug Platz für zusätzliche Hennen, doch eine Vergrösserung der Hühnerschar hinter der Museggmauer sei praktisch nicht wünschenswert. «Die Hühner können sich bei uns auf dem Hof frei bewegen», so Wespi. Das führe zu gefiederten Gwundernasen zwischen den Hofbesuchern.
An sich ein schönes Erlebnis, doch die Hühner hinterliessen auf ihren Spaziergängen Kot zwischen den Tischen und scharrten gerne in den Blumentöpfen und dem Hochbeet. Um die in der Gastronomie geltenden Hygienevorschriften einzuhalten, müssen die Mitarbeiter den Kot entsorgen – bei einer grösseren Hühnerschar würde der Aufwand entsprechend grösser werden.
Güggel sollen lange weiterleben können
Die Hühner auf dem Kulturhof sind sogenannte Appenzeller Spitzhauben. Diese zeichnen sich durch ihr – der Haube zu verdankendes – spezielles Aussehen und ihren freiheitsliebenden Charakter aus.
Gerade aufgrund dieser Charaktereigenschaft ist es Wespi wichtig, dass die Güggel ein neues Zuhause mit genügend Auslauf finden. «Die Tiere sollen nicht in einem Stall eingepfercht sein, sondern wie bisher freilaufend ihr Leben geniessen können. Wir suchen einen schönen Platz, an dem die Jungtiere lange weiterleben können», nennt sie ihre Wunschvorstellung.
Es sei nicht die Idee, die Hühner an jemanden abzugeben, der ihnen die Federn stutzt oder sie gar schlachten möchte. Bei der Vermittlung verlasse sich Wespi auf ihre zwischenmenschliche Intuition: «Die Auswahl der neuen Besitzer beruht auf persönlichem Kontakt. Es gibt keinen Vertrag oder ein Formular, das unterzeichnet wird.»
Hierbei scheint die Co-Leiterin des Kulturhofs ein gutes Händchen zu haben: «Vor Jahren haben wir einen Güggel ins Elsass abgegeben. Wir erhalten noch immer ab und an Fotos von dem Güggel aus dem neuen Zuhause. Eine solche Geschichte freut uns natürlich ungemein.»
Künftiger Besitzer muss «Kikeriki» frühmorgens aushalten
Das Zusammenleben mit Hühnern empfinde sie als «unglaublich bereichernd» und die Hühnerschar spiele auch bei den Bildungsangeboten auf dem Hof eine wichtige Rolle. Doch sei dies nicht jedermanns Sache – potenzielle Interessenten müsse bewusst sein, worauf sie sich einlassen.
Man müsse kompatibel sein mit den «Lärmemissionen», die ein Gockel verursache. Im besten Fall sollte man auch keine Nachbarn haben, die sich an einem «Kikeriki» frühmorgens stören.
Güggel stossen solche Schreie das ganze Jahr über aus:
Ausserdem gebe es Vorschriften zu Stallgrössen zu beachten. Der Bund empfiehlt bei der Hobbyhaltung von Hühnern maximal vier Tiere pro Quadratmeter Stallfläche. Für genauere Informationen lohnt sich ein Blick in die entsprechende Broschüre.
Weiter könne die Eingliederung eines Güggels in eine bestehende Schar herausfordernd sein. Eine Krienserin versuchte dieses Problems mit Parfüm zu lösen (zentralplus berichtete). Wespi lacht: «An das Einparfümieren von Hühnern glaube ich nicht. Meines Wissens kann eine Integration des neuen Tieres über Nacht hilfreich sein.»
Um Hähne vor Kochtopf zu bewahren, sollen rasch neue Besitzer her
Momentan seien noch keine Meldungen von interessierten Personen beim Kulturhof hinter Musegg eingeangen – auch im Team oder bei Bekannten liess sich kein Platz finden. «Darum wenden wir uns jetzt öffentlich an Interessenten.»
Man hoffe, im Verlauf der nächsten zwei bis drei Wochen ein neues Zuhause für die beiden Stadtluzerner Hähne zu finden. «Je früher, umso besser», so Wespi. Eine konkrete Deadline gebe es aber nicht. Kritisch würde es werden, sobald sich die Güggel im Konkurrenzkampf untereinander blutig kämpfen.
Dann würde die Deadline im wahrsten Sinne des Wortes eintreffen: Dem Kulturhof bliebe nichts anderes übrig, als die überzähligen Güggel zu schlachten und im Kochtopf weiterzuverarbeiten.
Nemo oder Nikki oder ganz was anderes
Dies sei in der Regel aber nie der Fall. Die Güggel des Kulturhofs kommen meist irgendwo in der Zentralschweiz unter. Es sei aber natürlich auch denkbar, die Jungtiere beispielsweise im Wallis unterzubringen. «Die Hühner kennen ja keine Sprachbarriere», scherzt Wespi.
Es könnte also sein, dass die beiden Luzerner Güggel bald französische Namen tragen. Bisher tragen die Gockel noch keine Namen. «Nemo oder Nikki standen im Raum – die Namen für die Jungtiere sind aber noch nicht festgelegt. Die Abnehmerin darf selber entscheiden, wie die Güggel zukünftig heissen.»
- Persönliches Gespräch mit Irene Wespi, Co-Leiterin des Kulturhofs hinter Musegg
- Augenschein vor Ort
- Facebook-Beitrag des Kulturhofs hinter Musegg
- Broschüre des Bundes zu Hobbyhaltung von Hühnern