Hagel «köpft» Tannenbäume

Sommergewitter zerdeppern Christbäume im Kanton Zug

Bei der interkantonalen IG Suisse Christbaum tauscht man seine Erfahrungen aus – auch in Bezug auf Unwetter und Hagelschäden. (Bild: IG Suisse Christbaum)

Der Winter war zwar noch ein paar Monate weg, trotzdem gab es für Zuger Christbaumproduzenten im Sommer eine schlimme Bescherung. Die Hagelgewitter haben im Kanton Zug teils grossflächige Schäden angerichtet.

In Zeiten der Pandemie wird einem auch gar nichts mehr gegönnt. Nebst den ganzen Corona-Spassbremsen mit Lockdowns, Betriebsschliessungen und Einschränkungen steht nun wegen der heftigen Sommerunwetter möglicherweise auch noch eine Urschweizerische Weihnachtstradition auf der Kippe: der Christbaum.

Zumindest im Kanton Zug, wo die Gewitter im Juni und Juli besonders heftig gewütet haben. Die Wassermassen und Hagelstürme haben nicht nur ganze Gemüseernten zerstört und Weinreben zerdonnert (zentralplus berichtete), sondern auch bei lokalen Christbaumproduzenten Schäden hinterlassen.

Krumme Spitzen, Ausfälle und Schafe

Stark betroffen ist beispielsweise die Plantage von Beni und Ursi Langenegger. Das Ehepaar betreibt einen landwirtschaftlichen Hof mit rund 23 Hektaren Nutzfläche an der Inwilerstrasse in Baar. Auf über drei Hektaren pflanzen die Langeneggers Christbäume. Rund 20’000 Tannenbäume wachsen hier, an die tausend Stück verkauft die Familie pro Jahr in der Adventszeit direkt ab ihrem Hof.

Zumindest war das bisher so. «Wir können dieses Jahr nur etwa zwei Drittel der Bäume verkaufen», sagt Beni Langenegger auf Anfrage. Bei den anderen hat der Hagel die Spitzen oder einzelne Triebe abgeknickt. Die betroffenen Bäume sind jedoch nicht automatisch ein Fall für den Häcksler. «Wir haben Glück, dass wir viele Jungbäume haben, bei denen noch die Möglichkeit besteht, dass sie sich wieder erholen.»

«Die Leute werden heuer Verständnis haben, dass einige Bäume dieses Jahr vielleicht etwas krummere Spitzen haben.»

Beni Langenegger, Landwirt

Das ist aber mit Mehraufwand verbunden, denn die Bäume müssen zurückgeschnitten und gepflegt werden. Unterstützt bei der Feldarbeit werden die Langeneggers dabei von einer Herde Shropeshire-Schafe, die quasi als vierbeinige Rasenmäher und Unkrautvertilger fungieren, die Tannenbäume aber unberührt lassen. Ausserdem hatte die Familie Glück im Unglück: «Wäre der Hagelsturm zwei Wochen früher gekommen, wo die Triebe noch weicher waren, hätte es wohl schlimmer ausgesehen.»

Seit Langenegger den Hof 1992 von seinem Vater übernommen, und das Christbaumgeschäft sukzessive ausgebaut hat, habe er ein Hagelgewitter wie diese noch nie erlebt. Wirtschaftliche Sorgen macht er sich deswegen nicht. «Die Leute werden heuer Verständnis haben, dass einige Bäume dieses Jahr vielleicht etwas krummere Spitzen haben.»

Shropeshire-Schafe wie diese hier «bewirtschaften» auch das Feld der Familie Langenegger. (Bild: IG Suisse Christbaum)

Zwei Kilometer machen den Unterschied

Andere hatten Glück. So beispielsweise Richard Keiser, der auf seinem Hof in Menzingen eine Christbaumplantage betreibt. «Der Hagelsturm zog zwei Kilometer an uns vorüber. Im 2011 hat es uns erwischt. Heuer hatten wir sehr viel Glück.»

Ein paar Gemeinden weiter, in Steinhausen, muss der Landwirt Beda Schlumpf ebenfalls mit Einbussen rechnen. «Der Hagel hat Schäden im Umfang von rund 20 Prozent angerichtet», erklärt er. Jeweils ab Anfang Oktober startet er mit dem Verkauf der Tannenbäume auf seinem Hof. Obwohl es derzeit schwer sei, eine Einschätzung zur kommenden Saison zu geben, kann Schlumpf jetzt schon sagen: «Es wird eine beschränktere Auswahl an 1.-Klasse-Bäumen geben.» Sollten die Leute aber auf Regionalität und Nachhaltigkeit setzen, sollte die Saison in etwa dem Vorjahr entsprechen – auch wenn die Verkaufspreise aufgrund der Qualitätsmängel wohl tiefer liegen werden.

Ein Blick über die Kantonsgrenze zeichnet ein ähnliches Bild. Bei «Bühlmanns Weihnachtsbäume» in Emmen, wo die Familie Bühlmann seit 1963 Weihnachtsbäume anpflanzt – jährlich um die 2’000 Setzlinge – haben die Unwetter sichtbare Spuren hinterlassen. Auch hier sind gemäss Sabrina Bühlmann einigen Bäumen die Spitzen abgebrochen. «Es gibt dadurch diesen Winter einige 2.-Klass-Bäume.» Aber immerhin: «Es ist nicht so schlimm wie in Zug.»

Baum ist nicht gleich Baum

Was aber macht einen 1.-Klasse-Baum aus? Wir haben bei der IG Suisse Christbaum nachgefragt. Präsident Philipp Gut erklärt uns, dass es eigentlich drei Klassen an Bäumen gibt. Die 1. Klasse sind quasi die Ballköniginnen unter den Tannen. Gleichmässiger Wuchs und formvollendet. Bäume der 2. Klasse haben Unregelmässigkeiten oder eben leichte Schäden. Und dann gibt es noch 3.-Klasse-Bäume. «Diese gelangen eigentlich nicht in den Verkauf», so Gut. Spannend sei aber zu beobachten, dass bei Orten, wo die Leute ihre Bäume selbst aussuchen können, öfters auch mal ein Klasse-2-Baum vor einem Klasse-1-Baum gewählt wird.

In Schweizer Wohnzimmern besonders beliebt ist übrigens mit grossem Abstand die Nordmanntanne. Zwar sind auch Weiss- und Rottannen begehrt, diese verlieren aber ihre Nadeln schnell. Die Nordmanntanne, die ihren Ursprung im Kaukasus hat, braucht zwar länger, um zu wachsen und braucht einen nährstoffreicheren Boden, dafür ist sie robust, wächst dicht und verliert im Gegensatz zu der europäischen Rottanne ihre Nadeln nicht so schnell.

Eine IG hält zusammen

Auch wenn die Lage punktuell desaströs aussieht, auf den gesamtschweizerischen Christbaummarkt haben die Unwetter keinen grossen Einfluss. «Wir rechnen mit weniger als 5 Prozent Ausfällen auf die ganze Schweiz», sagt Philipp Gut, Präsident der IG Suisse Christbaum. Grundsätzlich gebe es jedes Jahr Unwetter und Frostschäden. «Dieses Jahr lokal vielleicht mehr als sonst.»

«Eine Tanne mag es eher nass. Darum haben auch nur die Hagelunwetter Schäden angerichtet und nicht die Regenfälle.»

Philipp Gut, Präsident IG Suisse Christbaum

Grundsätzlich sei Regenwetter sogar gut für die Bäume. «Die Tannen stammen ursprünglich aus den Voralpen- und Bergregionen», erklärt Gut. Und da würde grundsätzlich mehr Regen fallen als im Flachland. «Eine Tanne mag es eher nass. Darum haben auch nur die Hagelunwetter Schäden angerichtet und nicht die Regenfälle.»

Was bei Ausfällen immer greift, sei die Solidarität unter den Christbaumproduzenten. «Diese helfen sich jeweils gegenseitig aus, wenn irgendwo ein Mangel herrscht.» Und diese Solidarität müsse heuer vielleicht etwas mehr spielen als sonst. Das bestätigt auch Beni Langenegger aus Baar. Er wird wohl ebenfalls einige Bäume von Produzenten abkaufen, die von den Unwettern verschont geblieben sind. «Das mindert zwar den Reingewinn etwas, dafür bleibt der Gesamtumsatz wohl in etwa gleich.»

Letztlich ist es aber völlig egal, ob man nun einen Baum der 1., 2. oder 3. Klasse ins Wohnzimmer geholt hat, denn wenn die Weihnachtszeit vorüber ist, wartet auf die meisten das gleiche Schicksal: Sie werden in der KVA verbrannt oder von der Grünabfuhr kompostiert. Dort wird das daraus entstehende Biogas als Energie gewonnen.

Hinweis: Dieser Artikel ist erstmals am 19. September erschienen.

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