Sommerfestival Hinter Musegg – mit vollem Risiko
Hochkarätig fährt das erste Sommerfestival auf dem Kulturhof Hinter Musegg auf. Mit grossen Namen, Begeisterung und Risikobereitschaft geht das Team des Stadtluzerner Bauernhofs das hauseigene Theaterspektakel an. Doch noch laufen im Vorverkauf nicht alle Vorstellungen gleich gut.
Endo Anaconda, Michael Fehr oder Joachim Rittmeyer geben sich diesen Sommer auf dem Kulturhof Hinter Musegg die Ehre. Selbst Kabarettist Georg Schramm steigt, eigens für das erste Sommerfestival auf dem Bramberg, nochmals auf die Bretter, denen er doch eigentlich abgeschworen hatte.
Grund für dieses «Hammer-Line-up», wie es viele Kenner nennen würden, sind die langjährigen Kontakte und Freundschaften, welche die ehemalige Co-Leiterin des Kleintheaters, Pia Fassbind, und Irene Wespi aus der Zeit in der Neustadt mitgenommen haben. Mitgenommen in ihr Zuhause und ihre Wirkungsstätte gleich hinter der Stadtmauer.
Aus der Liste der Wunschkandidaten hätten alle, bis auf einen – der gerade pausiert – zugesagt. «Endo hat Wort gehalten – dass er, wenn wir dann mal Heubühne haben, bei uns auftreten wird», sagt Fassbind. Und Georg Schramm habe sogar schon eine Woche auf dem Hof mit angepackt, «wegen einer verlorenen Wette», ergänzt Wespi lachend. Auf der Sauwiese, in der Beiz, er habe gekocht und Teppiche verlegt.
Die Mischung macht’s
Doch wichtig ist den beiden Leiterinnen der Heubühne auf dem Kulturhof, dass nicht nur die Künstler mit den grossen Namen eine Plattform bekommen. Es werde so Einiges zu entdecken geben: Ein zur Bühne umgebauter Zirkuswagen namens «Fahrieté» mit regionalen Kulturschaffenden und Entdeckungen wird die Heubühne während des Festivals ergänzen.
Isa Wiss, Albin Brun, Ursula Hildebrand, Christof Wolfisberg, Beat Portmann, Nina Halpern und Butter Place Production (Theater Aeternam und Fetter Vetter & Oma Hommage) – das Programm vom 22. Juni bis 7. Juli liest sich wie ein Who is Who der Luzerner Kulturszene. Auch eigens für das Festival wird produziert: Beatrice Im Obersteg und Claudia Bucher entwickeln ein Stück in der Heubühne, während Fassbind und Wespi uns im Foyer Rede und Antwort stehen.
Weibeln wie wild
Die Idee des Sommerfestivals sei schon seit Jahren in ihren Köpfen gereift. Drinnen und zum Teil auch draussen Theater zu zeigen, wenn alle anderen Bühnen dicht machen. Auf einem sommerlichen Festivalgelände, wo man sich zwischen den Bühnen bewegen kann. «Es wird kein klassischer Theaterbesuch, sondern eher sowas wie ein Theaterspektakel in kleinem Rahmen – man kann seine Picknickdecke mitnehmen, sich in die Hofbeiz setzen, vom Fahrieté zur Heubühne pilgern oder doch lieber zu den Alpakas», so Fassbind.
Die grosse Vorfreude auf das Festival wird bei den beiden Organisatorinnen sofort spürbar, wenn sie während des Erzählens auf den Hof blicken. Doch so gross wie die Freude ist auch der Aufwand. Einige grosse Namen seien fast ausverkauft, doch bei den regionalen und weniger bekannten Produktionen sei Luft nach oben. «Wir müssen noch richtig weibeln», betont Wespi.
In der Stadt sei vielen Leuten noch nicht klar, dass hier, gleich hinter der Museggmauer, der Kulturhof stehe. Daher sei auch noch kein grosses Netzwerk oder Stammpublikum vorhanden, auf das man zurückgreifen könne. Im Quartier hingegen ist der Kulturhof angekommen. Viele freiwillige Helfer und Stammgäste kommen aus dem Quartier. «Die Leute nehmen Anteil und sind begeistert, dass es im Bramberg endlich etwas gibt», so Wespi.
«Wir müssen ständig balancieren.»
Pia Fassbind, Pächterin Kulturhof Hinter Musegg
Seit letztem Jahr findet einmal pro Monat eine Veranstaltung auf der Heubühne statt. Diese liefen zum Teil super, manchmal sei es aber auch ein Kraftakt, die Leute zu erreichen. Das Festival soll deshalb auch als Leuchtturm für den Kulturhof und die Heubühne dienen. Gebündelt würden Veranstaltungen stärker und von einem breiteren Publikum wahrgenommen, sind die beiden überzeugt. Zudem bringe das Line-up eine nationale Ausstrahlung.
Und die Reaktionen geben ihnen Recht. Plötzlich trudeln täglich Anfragen für die Heubühne ein, wo man vorher noch unter dem Radar geflogen sei. Das Festival soll künftig alle zwei Jahre stattfinden. Je nach Erfahrungen dieses Jahr mit der Fussball-WM eventuell dann auch um ein Jahr verschoben. «Vielleicht jedoch nehmen die weniger Fussballaffinen das Festival als willkommenes Alternativprogramm an», sagt Wespi.
Ein rechtes Risiko
Mit dem Festival geht der Kulturhof auch ein Risiko ein. Die Auslastung muss stimmen. Man habe zwar geschaut, dass das Sommerfestival nicht mit anderen Festen oder Theaterproduktionen in Konflikt komme, doch finanziell habe man sich ziemlich aus dem Fenster gelehnt. Wie schon bei der Heubühne und der gesamten Infrastruktur drumherum, der eine grosse Fremdverschuldung vorausging. «Wir müssen ständig balancieren. Und nur mit viel Herzblut und ehrenamtlichen Helfern ist der Betrieb so möglich», betont Fassbind. «Und auch ohne das Festival hätten wir locker genug zu tun», sagt Wespi.
Mit der Landwirtschaft, dem Bildungsangebot für Gruppen und Schulen, der Stiftung, mit Betrieb und Gastronomie, als Turmwarte und der Heubühne. Doch für die beiden Frauen ist das Theater eine Herzensangelegenheit. «Oft drehe ich am Morgen meine erste Runde, stehe hier und freue mich: Wir haben unser eigenes Theater!», sagt Fassbind und strahlt.
Kultur für und aus Luzern
Doch nicht zu vergessen ist: Neben dem Pächterpaar Pia und Walter «Wädi» Fassbind und der vierköpfigen Familie von Irene Wespi sind mittlerweile zahlreiche Personen Teil des Kulturhof-Teams geworden. Ein Praktikant im Kulturhof-Büro und als Mitorganisator des Sommerfestivals, zwei Festangestellte für Gastronomie, rund ein Dutzend Stundenlöhner in Landwirtschaft und Beiz und dazu noch eine ganze Reihe freiwilliger Helfer im Bildungs- und Kultur-Angebot.
Und all die Angebote, all das Drumherum auf dem Kulturhof entstand eigentlich mit dem Ziel, den Hof hinter der Museggmauer langfristig erhalten zu können. Das Bildungsangebot, die Beiz, die Bühne haben alle denselben Ursprung: die defizitäre Landwirtschaft querzufinanzieren. All das, um Kultur im weiten und im engeren Sinne zu produzieren und zu präsentieren. Kultur für und aus Luzern.
Hinweis: zentralplus ist Medienpartner des Sommerfestivals.