Schüler bauen virtuelles Pendant

So hast du die Kantonsschule Reussbühl noch nie gesehen

Die Kantonsschule Reussbühl findest du neu nicht nur im Ruopigen-Quartier der Stadt Luzern, sondern auch virtuell. Begeisterte Schüler haben mit ihrem Informatiklehrer Timothee Liniger die Schule im Spiel «Minecraft» nachgebaut.

Die Schulglocke klingelt, der Lehrer läuft ins Geografiezimmer. Auf den Laptops der Schüler läuft das Spiel «Minecraft», eine Art virtuelles Lego, bei dem die Spielerinnen die Bausteine zuerst in der Spielwelt sammeln müssen. Entgegen den Erwartungen gibt es jedoch keinen Rüffel vom Lehrer Timothee Liniger. Denn diese Schulstunde dreht sich genau um diese virtuelle Spielewelt.

Vor knapp einem Jahr ist eine Gruppe von Schülern auf den Geografie- und Informatiklehrer Liniger zugegangen. Die Idee: Ihre Schule auf einem eigenen Server möglichst detailgetreu nachbauen. Damit haben sie beim 35-Jährigen offene Türen eingerannt. In den nächsten drei, vier Monaten haben die Schüler die Idee umgesetzt.

«Alles wohlgemerkt nach der Schule», fügt Liniger an. Während der Schulzeit stehen dem Team nur einmal pro Woche 45 Minuten im Rahmen eines Freifachs zur Verfügung. Diese wird vor allem zur Koordination und Aufgabenverteilung genutzt, wie ein Besuch vor Ort zeigt.

Über 3000 Stunden Arbeit stecken im Projekt

Denn das «Minecraft-KSR»-Team ist in mehrere Unterteams gegliedert, die grösstenteils unabhängig voneinander agieren. So kümmert sich ein Team ums Bauen und das Planen von Events, ein weiteres unterhält den Server und programmiert die Plug-ins, wiederum ein anderes moderiert den Server und das letzte Team kümmert sich ums Marketing.

Zusammen hätten sie bisher gut 3000 bis 6000 Arbeitsstunden ins Projekt gesteckt, so Liniger. Derzeit sind sie 16 Personen, doch die Gruppe ist vielen Fluktuationen ausgesetzt. So etwa, weil Schüler nach Ende des Schuljahres nicht länger an der Kantonsschule Reussbühl sind. «Ab und zu sind Schüler auch ausgestiegen, da das Projekt für sie neben der Schule zu viel war», so Liniger.

Das Team hinter der Minecraft-Version der Kantonsschule Reussbühl.
Das Team hinter der Minecraft-Version der Kantonsschule Reussbühl. (Bild: zvg)

Das jetzige Team sei jedoch mit voller Begeisterung dabei. Diese hat sich auch auf die Schulleitung übertragen. Die Idee, aus dem Projekt ein Freifach zu machen, kam gar von der Rektorin Annette Studer. «Sie war sofort Feuer und Flamme und meinte, wir sollen das Projekt bewerben.» Wohl auch, weil Sekundarschulen schweizweit den Informatikunterricht fördern wollen (zentralplus berichtete). Seit Kurzem ist Informatik auch ein obligatorisches Fach am Gymnasium.

Dementsprechend hängen in der ganzen Schule grosse Plakate, die auf das Projekt hinweisen. Die Schüler tragen auch Merchandise-Pullover. Einen Teil davon zahlt die Schule, einen anderen zahlen Sponsoren. Mit Werbung, Serverkosten und die Kosten für Plug-ins, die verschiedene Funktionalitäten sicherstellen sollen, kostet das ganze Projekt laut Liniger rund 2000 Franken.

Originalgetreu, mit lustigen und kreativen Abweichungen

Entstanden ist eine virtuelle Kantonsschule Reussbühl, die das Schulareal samt Sportplatz abbildet. «Es ist alles originalgetreu nachgebaut. Wir haben mit den Bauplänen der KSR gearbeitet», sagt Mischa Maccarrone, während er die Autorin durch die virtuelle Welt lotst.

Zumindest fast. An einigen Stellen sind bewusst kleine Überraschungen und schelmische Witze eingebaut, die die Spieler entdecken können. So etwa ein Schrein für ein Frauenposter im Hausmeisterbüro. Oder sehr tief fliegende Flugzeuge über dem Sportplatz. «Die stören uns während des Unterrichts oft», erklärt der Schüler und lacht.

Andernorts haben die Schülerinnen bewusst ihre Kantonsschule etwas aufgepeppt. Statt der grauen und leeren Dachterrasse zieren in der virtuellen Kanti Sitzecken, Bäume und Pflanzenkübel das Dach. Aus einem der Biologiezimmer im zweiten Stock wird kurzerhand ein kleiner Laden für virtuelle Haustiere.

Liniger betont, dass durch das Projekt jedoch nicht nur die Kreativität der Schüler gefördert werde. Sondern auch Programmier- und Projektmanagementfähigkeiten.

Künftig auch für Ehemalige und andere Schulen geöffnet

Bisher können nur Schüler und Lehrerinnen der Kantonsschule Reussbühl die Welt in Minecraft erkunden. Nebst der Entdeckungstour können sie sich auch auf einem kleinen kreativen Grundstück kreativ betätigen oder ihre Kräfte im Survival-Mode messen. Künftig seien auch Events geplant, an denen sich die Schüler in verschiedenen virtuellen Disziplinen messen können. Für Dezember plant das Team ausserdem einen Adventskalender. Alles Aktivitäten, um das gemeinsame Spielen in der virtuellen Kanti zu fördern.

Im Schulhaus machen mehrere Plakate auf das Projekt aufmerksam.
Im Schulhaus machen mehrere Plakate auf das Projekt aufmerksam. (Bild: mik)

Langweilig wird es dem Team auf alle Fälle nicht. Künftig sei es auch geplant, den Server für andere Schulen oder Kantonsschulen zu öffnen. Oder auch Ehemalige könnten künftig Ihre Schule so regelmässig virtuell besuchen. Zuerst müsse der Server jedoch stabil laufen. Bis dahin wartet auf das Team noch einiges an Arbeit. Bei all der Zeit, die bereits im Projekt steckt, scheint das jedoch ein Klacks zu sein.

Verwendete Quellen
  • Website «KSR-Minecraft»
  • Persönliches Gespräch mit Timothee Liniger und Schülern des Freifachs
  • Besuch einer Schulstunde
  • Tour durch die Minecraft-Kantonsschule Reussbühl
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 08.12.2022, 18:55 Uhr

    Ja super – Minecraft in der Schule spielen, dafür erscheinen Deutsch- und Mathematik-Kenntnisse – MINT generell – zunehmend mangelhaft. Üben ist halt anstrengender als Spielen und dann damit noch zur Presse rennen, für etwas Publicity? Wenn schon, hätte der Lehrer eine Einführung in BIM (Building Information Modeling) geben und damit einige Übungen machen können.

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    • Profilfoto von Besserwisser
      Besserwisser, 09.12.2022, 09:18 Uhr

      Wohl den Artikel nicht gelesen oder selber nicht allzu lange in der Schule gewesen?
      Es steht im Artikel: «Alles wohlgemerkt nach der Schule», fügt Liniger an. Während der Schulzeit stehen dem Team nur einmal pro Woche 45 Minuten im Rahmen eines Freifachs zur Verfügung.
      Aber wohl lieber nur rummotzen, wie früher alles besser war.

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      • Profilfoto von Hanswurst
        Hanswurst, 09.12.2022, 19:43 Uhr

        Cc „Besserwisser“ – „Nomen est omen“: Die Präposition „in“ versteht sich einerseits räumlich in den von mir verwendeten Sinne (Schule / Gefäss Schule), andererseits zeitlich: Dann würde man besser schreiben „in der Schulzeit“ – wozu gehört übrigens ein Freifach? Zum ausgeführten Werk in Minecraft meinte ein damit seit vielen Jahren vertrauter Gamer: „Gute Fleissarbeit“. Weltweit widmen sich unzählige Minecraft-Gamer :Innen als Hobby der Nachbildung von Bauten und ganzer Städte, viele bewundernswerte Projekte. Bereits 2021 haben übrigens zwei Schüler die Stadt Luzern in Minecraft liebevoll nachgebaut (LZ 18.01.2021) – lohnt sich. Also: Kritisch zu hinterfragen und ins rechte Licht zu rücken ist nicht die virtuelle Kantonsschule, sondern deren wohl überhöhte Vermarktung – die Marketing-Gruppe hat ganze Arbeit geleistet ;-).

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    • Profilfoto von Hanswurst_Lover
      Hanswurst_Lover, 09.12.2022, 09:35 Uhr

      Sie sind sicher ein guter Lehrer lieber Herr Hanswurst.
      Aber die Publicity interessiert sich halt mehr für Neues als für Sachen, welche bestimmt an einer Kanti behandelt wird.

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