Seit 55 Jahren existiert in Menzingen ein Skilift. zentralplus hat sich mit dem Gründer getroffen, dessen Herz trotz schwindenden Schneemengen für diesen anspruchsvollen Lift schlägt.
«Es wird deutlich wärmer. Der Schnee schmilzt nur so dahin», dröhnt es aus den Lautsprechern, die entlang der Skipiste am Menzinger Lindenberg montiert sind. Die kurze Piste ist zwar noch weiss und befahrbar, dunkle Flecken weisen jedoch darauf hin, dass der Radiomoderator recht hat. Auch die beiden Buben, die kurz nach 11 Uhr an diesem Sonntag auf der Piste stehen, beklagen sich über den schweren Schnee. Die Bretter gleiten darauf so träge, dass die etwas zu leichten Jungs mehrmals vom Schlepplift fliegen.
Die Primarschüler sind ohne ihre Eltern hier. Das ist am Lindenberg kein Problem. Rita Abächerli, die heute Kassen- und Beizdienst hat, kennt ihre Gäste und weiss, wen es zu kontaktieren gilt, sollte ein Problem auftauchen. «Wenn öppis isch, düender eifach luut rüefe», sagt sie. Hier läuft alles unkompliziert. Und auch verhältnismässig günstig.
welche Rolle Jugendliche bei der Gründung des Skilifts spielten
wie ein Blitzeinschlag den Betreibern Schwierigkeiten bereitete
Eine Sonntagstageskarte kostet für Kinder acht Franken und werktags nur einen «Fünfliber», Erwachsene bezahlen sonntags zehn Franken. Weber dazu: «Die meisten Leute nutzen die Weihnachtsaktion, da gibt’s die Saisonkarte für Kinder zu 50 statt 90 Franken und für Erwachsene zu 70 statt 110 Franken. Viele kaufen diese nur aus Solidarität.»
Skifahren in voralpiner Umgebung
Dass sich der Schnee nach ein paar kühlen Tagen gerade wieder verabschiedet, nimmt Beat Weber gelassen. «Wir sind schon fast happy mit der Saison», sagt der 81-Jährige mit Blick auf die ausgedruckte Statistik auf einem Blatt Paieier, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Der Präsident des Skiliftes Lindenberg in Menzingen sagt: «Diese Saison konnten wir bereits 13 offene Tage verzeichnen sowie dreimal die Nachtpiste in Betrieb nehmen. Und es ist erst anfangs Januar. In der vergangenen Saison konnten wir den Lift nur während fünf oder sechs Tagen laufen lassen.»
Der Skilift Lindenberg, der sich etwas versteckt, nördlich des Dorfs befindet, liegt auf nur 800 Metern über Meer. Müsste das Projekt rentieren, wäre es längst begraben worden. Doch der Lift läuft nach wie vor. «Wir leben von Sponsorengeldern. Die Meisterzunft Menzingen etwa hat uns zum Jubiläum vor fünf Jahren das Lift- und Kafihäuschen um einen Meter zwanzig vergrössert. Von der öffentlichen Hand erhalten wir bis auf den Beitrag, den Vereine sowieso bekommen, nichts», sagt Weber. Er findet das gut. «Obwohl wir hier von der Hand in den Mund leben. Sich auf öffentliche Gelder zu stützen, entspricht nicht meinem liberalen Gedankengut», sagt der einstige Politiker, der während 20 Jahren die damalige CVP sowie die Bedürfnisse seiner Heimatgemeinde Menzingen im Kantonsrat vertrat.
Eines der damals unerfüllten Bedürfnisse nahm Weber bereits 1970 auf. «Früher wurde meist am Bumbach, einem nordgerichteten Hang gegenüber dem Kloster, Ski gefahren und geschlittelt», erinnert er sich. Einen Skilift gab es damals jedoch nicht. «Dieser ‹Pumpi-Hoger›, so genannt wegen des Pumphäuschens, eignete sich nicht für den Bau eines Skilifts.» Als ebenfalls Nord gerichteten Hang fand man den Lindenberg hingegen geeignet. «Am kürzesten Tag geht die Sonne um 14.40 Uhr hinter dem Hügel unter. Somit bleibt der Schnee hier eher liegen.» Das Besondere an diesem herzigen Lift: Hier können Einheimische nicht nur tagsüber, sondern auch nach Einbruch der Dunkelheit noch ein paar Stemmbogen vollführen.
Eine Nachtpiste für unterbeschäftigte Teenager
«Ich war früher Lehrmeister und mir fielen immer wieder die Jungen auf, die abends im Dorf herumstanden, plauderten und rauchten. Denen wollte ich eine schlaue Alternative bieten.» Das sei gut angekommen. «Nicht nur bei den Jugendlichen, sondern auch bei den ‹Goofen›.» Weber erinnert sich: «Damals waren die Erstklässler die Kleinsten auf den Skiern, heute stehen hier viel jüngere Kinder auf den Brettern.»
Die Kinder sind denn auch der Grund, warum dieser Lift überhaupt noch existiert. «Für sie ist das ein guter Übungshang, den sie ohne ihre Eltern besuchen können.» Auch wenn der Schlepplift nicht ganz ohne Tücken ist. «Der Hang neigt sich etwas nach rechts, was gerade für Snowboarder zuweilen anspruchsvoll ist. Vor allem, wenn nicht gerade mehrere Leute den Lift benützen und so das Drahtseil stabilisieren.» Er sagt es, während einer der beiden Buben in der Mitte der Liftstrecke gerade Forfait geben muss. Ein etwas grösseres Kind auf dem Snowboard hängt hingegen so entspannt im Seil, dass es während der kurzen Strecke auf den Hügel hinauf problemlos auf dem Handy rumscrollen kann.
«Wer mit diesem Lift fahren kann, kann mit jedem Skilift fahren», sagt Weber schmunzelnd. Währenddessen ruft Rita Abächerli den beiden jüngeren Buben aus dem Fenster zu: «Geht es?» Diese grummeln und beschliessen, im Inneren der kleinen Kassenhütte eine Pause einzulegen. Für 1.50 Franken bekommt man hier die vielleicht günstigste Tasse Kaffee der Region.
Nicht nur die Preise, sondern auch die Stühle auf der kleinen Sonnenterrasse, die mit orange-braunen Blumenpolstern bestückt sind, verleihen der ganzen Anlage einen Hauch von Nostalgie. «Viele Leute kommen einfach so bei uns zu Besuch, ohne Ski zu fahren», sagt Abächerli. Sie kommen offenbar nicht ohne Grund. Der Umgangston ist warm und vertraut, auch als Auswärtige fühlt man sich rasch zugehörig.
Ein Blitzeinschlag beschädigte die Lichtanlage
«Drei Faktoren machen den Skilift Lindenberg überhaupt möglich: das gute Kassenteam, das effiziente Aufbauteam sowie die Familie Meienberg. Dieser Lift ist nur möglich, weil wir ihn seit 55 Jahren auf dem Land dieser Bauernfamilie betreiben dürfen», sagt der Präsident, und weiter: «Bereits mit dem Grossvater habe ich gearbeitet und nach wie vor ist das Verhältnis zur Familie toll. Ist Not am Mann, hilft sie sogar selber mit.»
Trotz viel Engagement und Willen hat das Unternehmen ab und zu mit Schwierigkeiten zu kämpfen. «Letzten Sommer schlug der Blitz in der grossen Linde auf dem Hügel ein», sagt Weber und zeigt auf den prächtigen Baum. «Dadurch nahmen unsere Liftsteuerung und die Lichtanlage Schaden und wir mussten sie reparieren lassen.» Was das kostet, lässt sich noch nicht genau beziffern. Denn noch ist unklar, ob die Versicherung für den Schaden aufkommt.
«Solche Reparaturen können wir als Unternehmen zwar stemmen. Für die Erneuerung der gesamten Anlage hingegen müsste uns dann die öffentliche Hand schon unter die Arme greifen.» So müssen sich die beiden Buben auch weiterhin mit dem anspruchsvollen Lift zufriedengeben. Sie scheinen sich damit abgefunden zu haben. Bereits sind sie wieder draussen auf der Piste und bauen an einer Schanze.
Es sollte ein kurzlebiges Bauwerk bleiben. Einen Tag später bleibt die Anlage am Lindenberg nämlich aufgrund des warmen Wetters geschlossen. Ob Weber nicht manchmal genug hat von dieser steten Unsicherheit? «Ich bin ein Schneesportspinner. Und nicht nur ich, sondern alle möchten, dass es weitergeht. Nur muss jemand den Hut anziehen. Und das bin bis jetzt halt ich.»
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.
Ein herzliches Dankeschön an Beat und das gesamte Helferteam für euren unermüdlichen Einsatz, diesen nostalgischen Skilift in Zug am Leben zu erhalten! Eure Leidenschaft und euer Engagement für dieses einzigartige Stück Winterkultur sind inspirierend. Es ist beeindruckend, wie ihr mit viel Herzblut und Einsatzbereitschaft einen Ort schafft, an dem Jung und Alt Freude im Schnee erleben können. Vielen Dank für euren wertvollen Beitrag zur Region und zum Wintersport!