Schneeräumung der Stadt Luzern sorgt für massive Kritik
Strasse schwarz, Trottoir weiss: So sah es am Sonntagnachmittag an der Luzerner Bodenhofstrasse aus. (Bild: ida)
Das Stadtluzerner Schneeräumungsregime gibt in den sozialen Medien ordentlich zu reden. Fussgängerinnen, Velofahrer und Buspassagiere fühlen sich benachteiligt.
Strasse: schwarz. Trottoir: weiss, zentimeterhoch. So präsentiert sich die Stadt Luzern derzeit in vielen Quartieren.
Der erste Schneefall der Saison sorgte in der Stadt für Chaos – und brachte den Verkehr am Donnerstagabend komplett zum Erliegen (zentralplus berichtete). Doch während Schneepflüge die Strassen für Autos danach sukzessive freischaufelten, bleibt ein grosser Teil des Schnees auf den Trottoirs, auf Velowegen oder vor den Füssen von Buspassagieren liegen.
Das sorgt in den sozialen Medien für hitzige Diskussionen.
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wie Fussgänger und Velofahrerinnen unter den Schneemassen leiden
was die Stadt zur Kritik an ihrem Schneeräumungsregime sagt
weshalb der Schnee auch für VBL-Passagiere gefährlich ist
So hat ein Luzerner in der öffentlichen Facebook-Gruppe «Du besch vo Lozärn, wenn …» ein Bild gepostet: Bushaltestelle beim Löwenplatz, er im Bus, vor ihm: ein grosser Schneehaufen. Dazu schreibt er: «Also wenn ich in der Stadt Luzern mit den Verkehrsbetrieben Luzern durch die Stadt fahre und es bei jeder Haltestelle halbe Meter hohe Schneeberge hat … frage ich mich schon ein wenig! Wie sollen das Schwangere, Ältere, Gehbehinderte, Rollatorbenutzer, Rollstuhlfahrer und Kinderwagengebraucher schaffen?!»
Unmut und Verständnis
Sein Beitrag hat über 150 Gefällt-mir-Angaben und 177 Kommentare. Viele teilen seinen Frust. «Es ist unfair, weil für die Autofahrer alles tipptopp geräumt ist», kommentiert jemand. «Es ist gefährlich, in den Bus zu kommen», jemand drittes.
Andere betiteln es als Gemotze. Die Stadt habe alles dafür gegeben, Strassen vom Schnee zu befreien, Angestellte hätten wohl zig Überstunden geleistet. «Nehmt doch eine Schneeschaufel mit und helft dem Strasseninspektorat bei dem Problem», enerviert sich etwa jemand, «ist jetzt halt Ausnahmezustand», eine weitere Person.
Auch Mario Stübi, der von 2014 bis 2024 für die SP im Luzerner Stadtparlament sass, macht seinem Ärger Luft – und spricht in einem Facebook-Beitrag Umwelt- und Mobilitätsdirektor Marco Baumann (FDP) direkt an. «Am Donnerstag hats geschneit. Diese Bilder sind von vorhin, drei Tage später. Wo soll ich mit dem Velo durchfahren?», fragt er scheinbar rhetorisch. Dazu hat er ein Bild des Velowegs am Luzerner Bahnhof gemacht – dieser ist an einer Stelle randvoll mit Schnee.
So lange zu warten, bis der Schnee einfach schmelze, könne nicht die Lösung sein. «Sag dem Winterdienst, dass die Arbeit nach den Autospuren noch nicht fertig ist», so Stübi. Nico van der Heiden, ehemaliger SP-Grossstadtrat und früherer Co-Präsident von Pro Velo Luzern, ist frustriert. Auch auf der Zürichstrasse «keinerlei Durchkommen auf dem Veloweg».
Weshalb der Schnee auf Trottoir länger liegen bleibt
Wie rechtfertigt die Stadt Luzern ihr Schneeräumungsregime? Antwort darauf gibt Bernhard Kuhn, Leiter des Strasseninspektorats. Er erklärt die Prioritätenliste: Grundsätzlich würden grosse Fahrzeuge als erstes Notfallwege, Hauptverkehrsachsen, Buslinien und stark frequentierte Strassen vom Schnee räumen. Danach seien Quartier- und Nebenstrassen an der Reihe.
Dann kämen kleinere Fahrzeuge zum Zug. Mit diesen – oder von Hand – würden Pfade von Trottoirs und Velowegen vom Schnee befreit sowie Treppen freigeschaufelt, Bushaltestellen und Fussgängerübergänge sowie Veloübergänge nachgebessert.
Der Schnee werde tatsächlich von der Strasse weggeräumt – und dann auf den Trottoirs abgeladen. Da es auf der Strasse keinen Lagerbereich für den Schnee gebe, «wird der Schnee von der Strasse an den Fahrbahnrand und teilweise auf das Trottoir geschoben», so Kuhn.
In einem zweiten Schritt werde der Schnee dann vom Trottoir an den Fahrbahnrand gehäuft. Würden die Trottoirs zuerst vom Schnee befreit, würden diese zumindest teilweise wieder mit Schnee bedeckt, wenn der Lastwagen auf der Fahrbahn seine Arbeit verrichte, was dann nochmals einen Arbeitsgang erfordere, so der Leiter des Strasseninspektorats weiter.
«Trottoirs werden in der Regel mit kleineren Räumfahrzeugen oder manuell geräumt, was wesentlich zeitintensiver ist», so Kuhn. Die Mitarbeiter würden während dieser Tage einen «enormen Einsatz leisten», doch auch sie brauchen Pausen und Schlaf.
Noch nie hat es mehr geschneit
Kuhn betont die grossen Schneemengen von vergangener Woche. Da brauche es Geduld. So hat es gemäss «Meteo News» in der Stadt Luzern seit Messbeginn noch nie an einem Tag so viel Neuschnee gegeben wie von Donnerstag auf Freitag (zentralplus berichtete). Die Kleinfahrzeuge hätten diese Schneemassen kaum mehr bewältigen können, so Kuhn.
Fussgängerinnen und Velofahrer benachteilige die Stadt nicht. «Wir spielen die verschiedenen Verkehrsträger nicht gegeneinander aus», sagt Kuhn. «Wir verfolgen eine klare Priorität, in der die öffentliche Sicherheit und der öffentliche Verkehr an erster Stelle stehen und danach der Komfort für den Individualverkehr wiederhergestellt wird.»
VBL bestätigen brenzlige Situationen
Auch die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) würden derzeit «sehr viele Meldungen» erreichen, wie Mediensprecher Marc Schwegler auf Anfrage schreibt. «Die Schneemassen erschweren an gewissen Haltestellen den Ein- und Ausstieg, gerade für ältere Fahrgäste und Menschen mit eingeschränkter Mobilität.»
Ob es bereits zu Stürzen gekommen sei, könne er nicht sagen. Über soziale Medien hätten die VBL aber entsprechende Rückmeldungen zu gefährlichen Situationen erhalten. Situativ würden Buschauffeure den Halteort anpassen.
Lieber sollten sich die Passagiere ein wenig mehr Zeit beim Ein- und Aussteigen nehmen beziehungsweise beim Klettern über die Schneehaufen lassen, sagt Schwegler. Die Verspätungen nehme man in Kauf.
Isabelle Dahinden schreibt über Menschen, Beziehungen und das Leben. Nach ihrem Studium in Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften schreibt sie seit Dezember 2017 als Gesellschaftsredaktorin für zentralplus. 2021 hat sie die MAZ-Diplomausbildung absolviert, seit August 2023 ist sie stellvertretende Redaktionsleiterin.
Danke an alle tüchtigen Arbeitenden, die seit Donnerstag unsere Strassen räumen. Mega!
Gewisse Verkehrspunkte und Prioritäten sind wohl nicht ganz nachvollziehbar*, aber hey, uns geht's wie immer saugut.
* z.B. Kasernenplatz Fahhradweg und -kreuzung vor dem Naturmuseum war auch am Montagnachmittag nicht befahrbar. Einfahrt in die Strasse 'cheibe gföhrli'.