Älteste Zunft von Luzern

Safran-Zunft: Hier ziehen Manager und Treuhänder die Fäden

Die Safran-Zunft eröffnet traditionell die 5. Jahreszeit in der Stadt Luzern. (Bild: Archivbild Emanuel Ammon)

Die Zunft zu Safran ist eine uralte Bruderschaft und zentraler Akteur der Luzerner Fasnacht. Für Mitglieder ist die Organisation eine wahre Verpflichtung.

Man tritt in jungen Jahren ein und wird Teil der Zunft. Diese Leute kennt man dann ein Leben lang. Es bilden sich Netzwerke, es bilden sich Freundschaften, es bilden sich Geschäftsbeziehungen. So viel ist den meisten Luzernern bekannt: Man betrachtet Zünfte von der Ferne, kennt vielleicht das eine oder andere Klischee.

Doch was genau geschieht hinter den Toren der Zunfthäuser? Und wer zieht hier die Fäden? Wachsen Zünfte oder sterben sie aus? Nach Antworten auf diese Fragen hat sich zentralplus auf die Suche gemacht.

Safran-Zunft ist die grösste und älteste der Gemeinschaften

Vier grosse Zünfte und Gesellschaften gibt es in der Stadt Luzern: Safran, Wey, Fidelitas und Maskenliebhaber. Sie stehen gemeinsam hinter dem Luzerner Fasnachtskomitee.

Jedes Jahr zur Fasnacht treten sie daher besonders laut und bunt in Erscheinung. Zum Beispiel, wenn der Fritschivater, der Zunftmeister der Safran-Zunft, mit Bruder Fritschi und «seiner Familie» am Schmutzigen Donnerstag die Feierlichkeiten eröffnet. Oder wenn der Wey-Zunftmeister am Güdismäntig Tagwache abhält.

Die Fritschifamilie: Vorne der Fritschibruder und die Fritschene, hinten links der Narr, neben ihm der Pajazzo, Bauern und die Kindsmagd. (Bild: Archivbild zvg)

Abseits der Fasnacht engagieren sich die Zünfte bei Veranstaltungen rund ums Jahr als Bewahrer des Brauchtums, sind aber weniger sichtbar. Die grösste und älteste Zunft der Stadt Luzern ist Safran mit rund 450 Mitgliedern. Ihre Geschichte reicht über 600 Jahre zurück.

Damals war die Teilnahme essenziell: Nur wer Zunftmitglied war, durfte als Händler Geschäfte in der Stadt treiben. Später schlossen sich den Krämern auch Handwerker wie Maurer und Steinmetze an. Ihren Namen erhielt die Zunft von dem kostspieligen Gewürz, dem viele ihren Reichtum verdankten.

Heute haben dagegen Manager und Treuhänder in der Zunft zu Safran das Sagen. Der Händler- und Handwerkerbund hat sich gewandelt. Viele der Obersten pflegen dazu engste Beziehungen in die FDP. Auch das ist Teil der Stadtgeschichte, denn Luzern war lange eine Hochburg der Liberalen – bevor es zum Linksrutsch kam.

Auswertung der Zunftmeister von Safran zeigt: kaum Handwerker

In der Zunft zu Safran ist die liberale Prägung noch immer sichtbar. Wie genau, zeigt eine Erhebung von zentralplus zu Alter, Beruf, Parteiämtern sowie weiteren Faktoren aller Safran-Zunftmeister seit dem Jahr 2000.

Die Ergebnisse: Ein Zunftmeister ist im Durchschnitt 55 Jahre alt und in 75 Prozent der Fälle selbstständiger Unternehmensinhaber. Häufig waren Zunftmeister auch in den Verwaltungsräten anderer Firmen vertreten. In den anderen 25 Prozent der Fälle ist der Fritschivater ein leitender Angestellter wie der frühere Vorstandschef der Krankenkasse Helvetia Philipp Gmür. Er ist der Ehemann der Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür.

Nach Berufen landen klar an erster Stelle Manager mittlerer und grösserer Firmen. Danach folgen Treuhänder, dann Handwerker, meist Inhaber von KMU, sowie Bauingenieure. Danach folgen Berufe wie Ärzte, Architekten oder Hoteliers.

Auch FDP-Politiker sind unter den ehemaligen Zunftmeistern: Damian Hunkeler, Andreas Moser, Georges Theiler. Kantonsrat Hunkeler präsidiert den Verband der Hauseigentümer. Moser war Fraktionschef im Kantonsrat, Theiler National- und Ständerat. Alle gelten als Schwergewichte der Luzerner Freisinnigen.

Klassische Händler als Zunftmeister, also Krämer, gibt es dagegen sehr selten. Hervorzuheben ist Viktor M. Giopp, Kaufmann und Inhaber der Giopp Caffè – Giopp Handels GmbH, der 2022 der Zunft vorstand.

Männlich, Bürger der Stadt, guter Ruf, bürgerlich: Das wird verlangt

Ob die Wirtschafts- und Politelite auch innerhalb der 450 Mitglieder so stark vertreten ist wie in der Zunftleitung, lässt sich schwer abschätzen. Mitgliederlisten sind geheim.

Auf Anfrage schreibt die Zunft zu Safran, «vom Alarmanlagenspezialisten bis zum Gärtner» seien alle willkommen. Voraussetzung sei einzig das abgeschlossene 20. Lebensjahr, das Bürgerrecht der Stadt oder einer Agglomerationsgemeinde sowie über zehn Jahre Wohnsitz hier. Dazu «ein guter Ruf», eine «bürgerliche Gesinnung» und das männliche Geschlecht.

Dass Frauen nicht mitmachen dürfen, ist seit Jahrzehnten ein Streitthema. Die grossen vier Zünfte und Gesellschaften haben dazu eine klare Haltung: War nicht, ist nicht – obwohl Witwen im Mittelalter Teil einer Zunft werden konnten (zentralplus berichtete).

Zurück zu Safran: Wenn zwei «Paten» aus der Zunft ein Referenzschreiben geben, wird ein Gesuch auf Eintritt durch eine Kommission und den neunköpfigen Zunftrat geleitet, bevor am Bot abgestimmt wird. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit muss dem Anwerber wohlgesonnen sein.

Der Bot – die Jahresversammlung der Zunft – findet Anfang Januar stets im Hotel Schweizerhof statt. Die Brüder Patrick und Mike Hauser, beides FDP-Politiker im Kantonsrat, Fasnachtsliebhaber und langjährige Zünftler, machen es möglich. Sie leiten in fünfter Generation das 5-Sterne-Haus und öffnen den Festsaal des Luzerner Hotels gerne (zentralplus berichtete).

Welche Prominenz den diesjährigen Zunftmeister gefeiert hat

Am Bot wird auch der Zunftmeister gewählt, der für ein Jahr dem Zunftrat vorsteht. Dieses Jahr heisst er Daniel Zimmermann, ist 51 Jahre alt, promovierter Wirtschaftler und Chef der Personalabteilung bei der CSS-Versicherung – also einer von wenigen leitenden Angestellten in diesem Amt.

Seine Inthronisation am traditionellen Bärteliessen Mitte Januar wurde in der Altstadt ausgiebig gefeiert und von äusserst illustren Persönlichkeiten begleitet.

Darunter FDP-Ständerat Damian Müller, CSS-CEO Philomena Colatrella und «Nebelspalter»-Chefredaktor Markus Somm. Schnappschüsse zeigen die Melange aus Politik, Wirtschaft und Medien gemeinsam in einer Kutsche in der Altstadt von Luzern. Es fliesst reichlich Alkohol. Das verbindet.

Die CSS-Chefin neben dem FDP-Ständerat gemeinsam in einer Kutsche mit Markus Somm (hinten links). (Bild: LFK)

Die engen Verstrickungen mit der Politik werden innerhalb der Safran-Zunft nicht kritiklos hingenommen. Ein Mitglied erklärte vor einigen Jahren gegenüber zentralplus, dass Mitglieder politisch aktiv seien, werde teils «argwöhnisch» betrachtet. Doch die Zunft sei ein Bund, der bis zum Tod halte und ein enges Netzwerk bilde (zentralplus berichtete). Man lässt gewähren.

Beziehungen in der Safran-Zunft helfen auch für den Beruf

Auf Anfrage sagt die Safran-Zunft ganz ungeschönt, wie wichtig die Beziehungen sind. Netzwerke seien die Grundlage für den Zunft-Zweck, die «Geselligkeit und Verpflichtung zur Kameradschaft und Hilfsbereitschaft gegenüber Mitzünftlern zu erfüllen». Man hilft sich also.

«Darüber hinaus ergeben sich viele gute Kontakte für den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhalt.» Das bedeutet: Zünftler gehen miteinander eine Verpflichtung ein – in der Zunft, im Privaten, im Politischen, im Geschäftlichen. Man hält zusammen. So einfach ist das.

Wer profitieren will, muss mit anpacken

Dafür verlangt die Zunft allerdings tatkräftigen Einsatz. Monatlich finden Zunfthöcks statt. Dazu gibt es Turmfeste im Nölliturm, dem Zunfthaus sowie wichtige Anlässe wie die Sempacher Schlachtfeier, das Zürcher Sechseläuten, die Fête des Vignerons in Vevey oder die Olma in St. Gallen.

Am Sechseläuten in Zürich und an anderen Festen vertreten die Zünftler die Stadt Luzern nach aussen. (Bild: Archivbild: Emanuel Ammon/AURA)

Auch diverse Ämter gibt es: Zunftschreiber, Säckelmeister, Zunftarchivar, Zeugherr des Innern, Zeugherr des Äussern, Rodelführer oder Kommissionsmitglied. Der politische Apparat einer Zunft braucht viele Zahnräder. Wer vom Netzwerk profitieren will, muss einiges an Zeit an die Zunft geben. Nicht aktiv am Zunftleben teilzunehmen, wird nicht gerne gesehen – und wohl auch nicht toleriert.

Etwa 100'000 Franken soll das Amt des Zunftmeisters kosten

Zudem muss Geld an in die Zunft fliessen. Neben einem Jahresbeitrag und einem Aufnahmebeitrag, deren Höhe nicht öffentlich bekannt sind, muss vor allem der Zunftmeister tief in die Tasche greifen. Bei Bescherungstouren in Alters- oder Kinderheimen werden auch mal 1000 Geschenke verteilt.

Medien gehen von Kosten im hohen fünfstelligen bis sechsstelligen Bereich aus, die der Fritschivater während seines Amtsjahres zu tragen hat. Diese Zahlen wurden von der Zunft allerdings nie bestätigt. Ein Ehemaliger sagte zu zentralplus, der primäre Aufwand sei «zeitlicher, nicht finanzieller Natur» (zentralplus berichtete).

Daniel Zimmermann hat als neuer Zunftmeister viele Aufgaben vor sich – mit seinem Arbeitgeber CSS ist das abgesprochen.

Das erklärt ein Stück weit die Berufe der Zunftmeister – als Selbstständiger oder leitender Angestellter in Managerposition kann man sich leichter einmal freinehmen. Und hat eventuell auch das nötige Kleingeld.

Zunft zu Safran sucht neue Räume – denn sie wächst

Ämter, Zeit, Geld: Trotz all der Pflichten scheint die Anziehung von Brauchtum und Netzwerk ungebrochen zu sein. Sieben bis zehn neue Mitglieder begrüsst Safran nach eigenen Angaben pro Jahr.

Die Zunft berichtet zentralplus sogar von «wachsendem Interesse». Sie glaubt, wegen des «gesteigerten Bewusstseins für kulturelle Wurzeln und die Bedeutung historischer Institutionen» in einer globalisierten Welt.

Daher will Safran nun auch räumlich wachsen. Im Mittelalter logierte die Organisation am Standort des heutigen Hotels Des Balances und hatte später das Stubenrecht im Theater. Seit 1922 nutzt die Zunft den Nölliturm als Zunfthaus. Der Nutzungsvertrag mit der Stadt wurde bis 2062 verlängert (zentralplus berichtete).

Im Nölliturm treffen sich die Zünftler regelmässig. (Bild: Zunft zu Safran)

Die Zunft will dennoch weitere Räume mieten oder kaufen. Für die langfristige Entwicklung. Der für die Suche verantwortliche Zünftler teilt zentralplus mit, dass bisher nur «informelle» Gespräche stattgefunden hätten.

Viele Luzerner Zünfte haben nicht überlebt

Die Zunftkultur bleibt von aussen betrachtet elitär. In Zürich oder Basel ist das Zunftwesen dabei noch ausgeprägter als in Luzern. Weil Politik und Wirtschaft im Laufe der Geschichte zu stark mit den Zünften verflochten waren, haben viele Zünfte in Luzern nicht überlebt (zentralplus berichtete).

Safran hat überdauert. Und wird es wohl noch länger – bei dem Personal.

Verwendete Quellen
  • Diverse Hintergrundgespräche zu Zunftwesen in der Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit der Zunft zu Safran
  • zentralplus-Medienarchiv zu Zunft zu Safran
  • Website des LFK mit Bildern zur Zunft zu Safran
  • Zunftmeister von 1996 bis 2015
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