Luzern: Quartierladen sagt der Verpackung adieu

Quai4-Markt wird zum modernen Tante-Emma-Laden

Noël Wirth, Leiter Detailhandel der Quai4-Märkte

(Bild: jal)

Nach zweieinhalb Jahren sind die Türen bereits wieder zu: Der Quai4-Markt hat bis Ende Januar geschlossen. Nicht, weil das Geschäft schlecht läuft, versichern die Verantwortlichen. Sondern aus einem ganz anderen Grund.

 

Das Licht ist aus, der Laden leer: Zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung steht man beim Quai4-Markt vor verschlossenen Türen. Seit Anfang Januar ist nur noch das Restaurant des Quai4 in Luzern geöffnet, der Markt bleibt bis am 30. Januar zu. Nur noch beim Eingang zum Restaurant werden einige Waren feilgeboten. Was ist passiert?

«Wir haben uns entschieden, unser Konzept anzupassen», sagt Noël Wirth, seit letztem Juni Leiter des Detailhandels. «Ein Selbstbedienungsladen bietet unseren Mitarbeitenden zu wenig intensive Beschäftigung.» Dazu muss man wissen: Der Quai4-Markt und das Restaurant sind Angebote der «Wärchbrogg», einer Institution, die Menschen mit psychischer Beeinträchtigung sinnvolle Arbeit bietet. Für sie sei der Kontakt zu den Kunden genauso wichtig wie die Arbeit an der Kasse oder an den Regalen.

Und so entsteht am Alpenquai 4 ein moderner Tante-Emma-Laden, mit bedienten Theken, an denen man Fleisch, Käse, Antipasti, Brot oder Ravioli kaufen kann. Die wenigen verbleibenden Regale sind nur 1,3 Meter hoch, sodass der gesamte Laden überblickbar ist. Es entsteht neu eine Kaffee- sowie eine Smoothiebar für kurze Verschnaufpausen.

«Für einen konventionellen Detailhandel sind wir schlicht zu klein.»

Ruedi Rey, Marketingverantwortlicher

Ab Februar werden 21 Mitarbeitende im Quai4-Markt tätig sein, die Stellenprozente werden von bisher 800 auf 1200 aufgestockt. Die meisten Mitarbeitenden arbeiten in einem Teilzeitpensum zwischen 50 bis 70 Prozent.

Abfüllstation für möglichst wenig Plastik

Doch nicht nur für das Team gibt es Änderungen, auch die Produktepalette wird angepasst. «Für einen konventionellen Detailhandel sind wir schlicht zu klein», sagt Ruedi Rey, zuständig für das Marketing. Deshalb setzt der Quai4-Markt noch stärker auf Bioprodukte aus der Region.

Noël Wirth öffnet sein Notizbuch und zeigt eine Liste regionaler Anbieter, deren Produkte neu ins Angebot kommen. Dazu gehören Bekannte wie der Ueli- oder der Haldihof, die Produzentenorganisation Regiofair, aber auch eine Nachbarin, die selber Marronikuchen bäckt. «Klein, hausgemacht, regional», fasst Wirth die Kriterien zusammen.

«Klar muss man das ein Stück weit zelebrieren und sich die Zeit dafür nehmen.»

Noël Wirt, Leiter Detailhandel

Das Herzstück des neuen Ladens steht symbolisch für die zwei Neuerungen: eine Abfüllstation. Auf fünf Metern Breite werden Dutzende Behälter installiert, gefüllt mit Reis, Teigwaren, Nüssen und Trockenprodukten – insgesamt über 100 Produkte. Die Idee: Die Kunden bringen ihre Gefässe selber mit, drehen unten den Hahn auf und schöpfen so viel, wie sie brauchen. Oder eben: Sie lassen sich die Produkte von den Mitarbeitenden des Quai4-Marktes abfüllen. Keine Verpackung, kein Abfall, so die einfache Rechnung – weltweit bekannt unter dem Namen Zero Waste.

Noch ist nicht viel zu sehen: An der Wand werden diese Woche die diversen Theken eingerichtet.

Noch ist nicht viel zu sehen: An der Wand werden diese Woche die diversen Theken eingerichtet.

(Bild: jal)

Noël Wirth liess sich auf einer Reise in Rotterdam inspirieren. «Mit welcher Selbstverständlichkeit dort in jedem Laden verpackungsfreie Produkte gekauft werden, hat mich unglaublich fasziniert.» Deshalb ist er überzeugt, auch in Luzern damit erfolgreich zu sein. «Klar, man muss das ein Stück weit zelebrieren und sich die Zeit dafür nehmen. Aber ich spüre bei vielen den Willen dazu.»

Eine Viertelmillion Franken investiert

Vorerst werden in der Abfüllerei nur Produkte zu finden sein, die lange haltbar sind. Flüssiges wie Öl oder Ketchup könnten womöglich später dazukommen, so Noël Wirth. Wer kein eigenes Gefäss dabei hat, kann entweder eines der im eigenen Nähatelier produzierten Baumwollsäcklein kaufen (Kosten: 8 Franken für das kleine, 12 für das grosse) oder erhält eine biologisch abbaubare Tüte, die im Unterschied zu den Raschelbeuteln bei anderen Grossverteilern gratis ist.

«Toilettenpapier kaufen auch auf Nachhaltigkeit sensibilisierte Kunden lieber zum halben Preis in der Migros.»

Noël Wirth, Leiter Detailhandel

In die Umgestaltung wird rund eine Viertelmillion Franken investiert. Geld, das die Institution Wärchbrogg über Spenden auftreiben will. Einzelne Zusagen seien bereits da, sagt Ruedi Rey. «Wir sind zuversichtlich, dass es klappt.» Der Umbau wird am 4. Februar mit einem Wiedereröffnungsfest gefeiert. Auch der zweite, kleinere Quai4-Markt an der Baselstrasse wird im März umgestellt und soll eine kleine Abfüllstation mit 20 bis 30 Produkten erhalten.

Kaum Laufkundschaft am Alpenquai

Vermutungen, wonach der Umbau auf schlechte Zahlen zurückzuführen sei, weist Ruedi Rey zurück. «Wir sind absolut im Plan, sowohl das Restaurant als auch der Markt laufen gut.» Es sei vielmehr so, dass man einen Schritt vorwärts gehen wolle. «Mit dem jetzigen Konzept konnten wir nicht mehr Arbeitsplätze anbieten, obwohl das Bedürfnis da ist.» Von Seiten des Kantons und der Invalidenversicherung sei das Interesse vorhanden, mehr Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu platzieren.

Unverpackt einkaufen an der Zürichstrasse

Der Trend, Lebensmittel unverpackt zu verkaufen, ist in Luzern angekommen. Wie der Quai4-Markt will auch der gebürtige Slowake Milan Nevicky einen Laden mit verpackungsfreien Produkten eröffnen (zentralplus berichtete). Nun hat er ein passendes Lokal gefunden, nämlich an der Zürichstrasse 44, wie er auf Facebook mitteilt. Er wird sein Geschäft Ende März eröffnen, das genaue Datum steht noch nicht fest.

Ruedi Rey gibt aber auch zu: «Wir waren neu im Detailhandel und mussten unsere Erfahrungen sammeln.» Denn am Standort am Alpenquai gibt es vergleichsweise wenig Laufkundschaft. So zeigte sich schnell: Der Markt muss etwas Besonderes anbieten, damit sich ein Besuch für die Kunden lohnt.

Oder wie Noël Wirth es ausdrückt: «Toilettenpapier kaufen auch auf Nachhaltigkeit sensibilisierte Kunden lieber zum halben Preis in der Migros.» Deshalb spezialisiert sich der Quai4-Markt nun auf regionale und biologische Lebensmittel. «Mit unseren 160 Quadratmetern werden wir der grösste Laden dieser Art in Luzern.» 

Mit der Laufkundschaft ist’s schwierig: Der Quai4-Markt am Alpenquai setzt darum auf Spezialisierung.

Mit der Laufkundschaft ist’s schwierig: Der Quai4-Markt am Alpenquai setzt darum auf Spezialisierung.

(Bild: jal)

Dass auch etliche Grosshändler auf den Geschmack kommen und vermehrt Regionales und Bioprodukte anbieten, ist laut Ruedi Rey kein Problem. Im Gegenteil: «Konkurrenz hilft. Immer mehr Kunden zeigen so Bereitschaft, für gute Produkte einige Rappen mehr auszugeben.» In Luzern, so schätzt er, seien das bis zehn Prozent der Kunden.

«Die Leute wollen einfach Bananen.»

Noël Wirth, Leiter Detailhandel

Abgesehen davon biete der Quai4-Markt, anders als der übliche Detailhändler, kein Biofleisch aus Argentinien oder eine Bio-Mango aus Costa Rica. «Biologisches und Regionales zu vereinen, gelingt vielen Grosshändlern nicht», sagt Noël Wirth. Im Quai4-Markt hingegen findet man weder Exotisches wie Ananas noch Himbeeren im Winter.

Einzige Ausnahme: Bananen. «Daran kommen wir leider nicht herum, die Leute wollen einfach Bananen», rechtfertigt Noël Wirth. Mit seinem Versuch, den Kunden Bananen aus Spanien schmackhaft zu machen, sei er gescheitert – sie seien den Käufern zu wenig gelb gewesen.

Eher ein Treffpunkt denn ein typisches Geschäft: So soll der Quartierladen ab Februar aussehen.

Eher ein Treffpunkt denn ein typisches Geschäft: So soll der Quartierladen ab Februar aussehen.

(Bild: zvg)

Das Mittagessen aus der Mehrwegschale

Auch die Migros setzt auf Nachhaltigkeit. Sie führt bei schweizweit über 170 Filialen Mehrwertgeschirr ein, wie sie am Montag mitteilte. Wer in einem Migros-Restaurant oder Take-Away sein Essen bestellt, kann das für ein Depot von fünf Franken in einer Mehrwegschale mitnehmen – und diese anschliessend dreckig wieder zurückbringen. Ein Test in Zürich habe gezeigt, dass das Bedürfnis nach umweltfreundlichem Geschirr bei den Kunden bestehe, teilt Migros mit. Die grünen Take-Away-Schalen wurden vom Schweizer Start-up Recircle entworfen und in Einsiedeln produziert. Gemäss einer Mitteilung der Migros essen wöchentlich rund 1,2 Millionen Menschen in Migros-Restaurant und Take-Aways – rund ein Drittel davon nimmt das Essen mit. 

Auch in der Zentralschweiz machen zwölf Migros-Filialen mit, darunter die Take-Aways Schweizerhof Luzern, Zugerland Steinhausen, Surseepark in Sursee und Metalli Zug. Ebenfalls angeboten wird das Mehrweggeschirr in den Migros-Restaurants in Ebikon, in Kriens, im Wohncenter und am Sonnenplatz in Emmenbrücke sowie in Hochdorf, Ibach, Sarnen und Stans.

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