Streit um 16 Millionen an Subventionsgeldern

Neues VBL-Gutachten: Was steht da eigentlich drin?

Die VBL bestreiten, wissentlich zu hohe Subventionsgelder kassiert zu haben. (Bild: zvg)

Die «VBL-Subventionsaffäre» nimmt eine unerwartete Wendung: Plötzlich stellt man bei den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL) die Rückzahlung von 16 Millionen Franken grundsätzlich infrage. Die Verantwortlichen stützen sich dabei hauptsächlich auf ein neues Gutachten. Hier sind die wichtigsten Punkte aus dem 25-seitigen Bericht.

In einer klassischen Freitag-vor-den-Ferien-Aktion wurden in der Causa «VBL-Subventionsgelder» die Karten nochmals neu gemischt. Ging man bisher davon aus, dass die Rückzahlung von 16 Millionen Franken nur noch eine Formsache ist, wurde man vergangene Woche innert weniger Stunden eines Besseren belehrt.

Der Verkehrsverbund Luzern (VVL) droht den VBL nun mit rechtlichen Schritten (zentralplus berichtete), während die VBL sich weigern, die Rückzahlungsvereinbarung zu unterschreiben und rechtliche Schritte ebenfalls nicht ausschliessen (zentralplus berichtete).

Wesentlich für die neue – komplizierte – Ausgangslage ist ein neues Gutachten, das der Jurist und frühere Rektor der Universität Luzern Paul Richli für die VBL erstellt hat. Das sind die sechs wichtigsten Punkte daraus:

1. Was wurde begutachtet?

Das Gutachten beschäftigt sich in erster Linie mit einer Prüfung der VBL-Holdingstruktur, die das Bundesamt für Verkehr (BAV) im Jahr 2012 durchgeführt hat. Im Auftrag des VVL prüfte der Bund damals die 2010 eingeführte Holdingstruktur der VBL sowie die Abrechnungsgrundsätze von Leistungen auf ihre Rechtmässigkeit hin.

2. Ist der BAV-Bericht rechtlich relevant?

Als «bedeutungsvollste» Rechtsfrage sieht Richli die Einordnung des BAV-Berichts. In seinem Gutachten argumentiert er, dass dieser Bericht keine Vertragsqualität hat. Er falle stattdessen in den Bereich des Verwaltungshandelns. Das Gutachten kommt in der Folge zum Schluss, dass der Bericht keine Rechtswirkung hat und mit Rechtsmitteln «ohne Weiteres anfechtbar» ist.

3. Wie viel wussten Bund und Kanton?

Einer der umstrittensten Punkte ist, inwiefern Bund und Kanton über die Verrechnungspraxis der VBL Bescheid wussten. In Richlis Gutachten stehen dazu unter anderem folgende Behauptungen:

  • Der Bericht des BAV von 2012 hielt gegenüber der VBL AG explizit fest, dass die der VBL AG verrechneten Sätze (kalkulatorische Zinsen) der Wiederbeschaffung Rechnung tragen und darin «das unternehmerische Risiko angemessen berücksichtigt» wird.
  • Auch der VVL habe Kenntnis von den erwähnten Berechnungselementen für die Beitragsgesuche gehabt. Er habe auch auf die angeforderten Auskünfte, die er angeblich nicht erhielt, nicht insistiert. Er hätte aufgrund der Rechtsgrundlagen im Luzerner Staatsbeitragsgesetz aber insistieren sollen, schreibt Richli.

4. Greift für die VBL der Vertrauensschutz?

Seit Beginn dieser Affäre insistierten die VBL, nach Treu und Glauben gehandelt haben. Dies auch, weil die nun umstrittenen Jahresrechnungen jeweils vom Bund abgesegnet wurden. Richlis Gutachten unterstreicht diesen Punkt.

Selbst wenn die Verrechnungspraxis nicht rechtmässig wäre, müsste für die VBL der Vertrauensschutz greifen. Denn die VBL vertrauten auf die Einschätzungen des Bundes. Falls diese falsch waren, dürfe den VBL kein Nachteil entstehen.

In diesem Zusammenhang verweist Richlis Gutachten auch auf das kantonale Staatsbeitragsgesetz. Diesem zufolge kann auf einen Widerruf von Staatsbeiträgen verzichtet werden, wenn die Rechtsverletzung für die Empfängerin – in diesem Fall die VBL – nicht leicht erkennbar war.

5. Wären Rückforderungsansprüche verjährt?

Die infrage gestellten Abgeltungen betreffen die Jahre 2010 bis 2017. In dieser Zeit hätten die VBL insgesamt 16 Millionen Franken an Subventionsgeldern zu viel erhalten, so der Vorwurf.

Das Richli-Gutachten macht nun aber folgende Behauptung: Mit Ausnahme der Beiträge für 2017 wären die Rückforderungsansprüche des BAV und des VVL bereits verjährt. Weiter ist im Gutachten zu lesen: «Im Streitfall wäre die Verjährung von Forderungen staatlicher Stellen gegen private Rechtssubjekte im Übrigen von Amtes wegen zu beachten.» Im Moment sieht es ziemlich stark nach «Streitfall» – sprich Gerichtsgang – aus.

6. Was klammert das Gutachten aus?

Das Richli-Gutachten fokussiert sich ganz auf mögliche Schwachstellen im BAV-Bericht. Andere Unterlagen werden ausgeblendet. Dazu gehört etwa eine im März 2020 von den VBL veröffentlichte betriebswirtschaftliche Analyse von EY (Ernst & Young) oder das vom VVL in Auftrag gegebene Gutachten der Gfeller+Partner AG. Beide kritisieren die undurchsichtige Holdingstruktur der VBL (zentralplus berichtete).

Brisant: Gemäss dem BAV besteht eine schriftliche Bestätigung der VBL, dass die Leistungspreise keine kalkulatorischen Zinsen und somit auch keine Eigenkapitalverzinsung und ebenso keine Gewinnzuschläge enthalten. «Das BAV hält daran fest, dass die zu viel bezogenen Subventionen zurückzuerstatten sind», wie der Bund auf Anfrage mitteilt.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Anonym
    Anonym, 26.09.2020, 15:05 Uhr

    Ich kann JEDEM davon abraten bei der vbl im Fahrdienst tätig zu sein. Für Familien der totale Killer. Von gutem Lohn ist auch nicht die Rede.

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  • Profilfoto von Thomas Romer
    Thomas Romer, 07.07.2020, 17:35 Uhr

    Interessant wäre, wenn zentralplus das komplette Gutachten von Prof. Richli veröffentlichen könnte.

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  • Profilfoto von Hans Hafen
    Hans Hafen, 07.07.2020, 09:07 Uhr

    Eine ungeheuerliche Frechheit jagt atemlos die nächste!! Die VBL-Verantwortlichen wollen sich wohl nach dem Corona-Loch auch noch ins Sommerloch retten, um sich dann endgültig im Schneckenloch dem Zugriff zu entziehen! Die Zinsmaschine läuft bereits auf Hochtouren.

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