Neuer Forstweg auf der Rigi: Projekt hinterlässt Fragen
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Im Rigigebiet will eine Korporation einen vollständig subventionierten Forstweg bauen. Dabei beruft sie sich auf einen Weg, der seit Jahrzehnten aus der Landeskarte verschwunden ist. Für die Natur sind solche Erschliessungswege grundsätzlich problematisch.
Es ist eine wilde und nur wenig begangene Gegend, das Gebiet zwischen Rigi-Teuffeli und Rigi-Rotenfluo, unterhalb der Rigi-Scheidegg im Kanton Schwyz. Der bewaldete Abhang ist steil und mit vielen Bachläufen durchsetzt. Die raue Seite der Rigi, wie sie nur wenige kennen.
In dieser unberührten Gegend will nun die Unterallmeind Korporation Arth (UAK) einen 1,12 Kilometer langen Forstweg errichten. 1,5 Meter breit soll er werden. «Forst will einen Weg zurück», titelte die Lokalzeitung im vergangenen Herbst. Das Projekt soll vollumfänglich durch die öffentliche Hand – also Bund und Kanton – finanziert werden.
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Die UAK schreibt in ihrem Baugesuch: «Ein alter, noch teils bestehender Weg, der bis 1979 in der Landeskarte eingezeichnet war, läuft von der Hinteregg bis ins Teuffeli.» Der Weg sei «vielenorts noch vorhanden und circa 50 Zentimeter» breit, hält die UAK fest. Und weiter: «Für die forstliche Nutzung als Begehungsweg und für die Bringung von Handwerkzeugen muss dieser Weg ausgebaut werden.»
Ein Einheimischer, der sich auf der Rigi sehr gut auskennt, beschreibt die Situation anders. Er sagt, jemand, der dieses Gebiet nicht kenne, finde diesen Weg nicht. Der Ortskundige spricht von einem schmalen Weglein, das streckenweise überhaupt nicht mehr vorhanden sei. So oder so habe es sich auch früher höchstens um einen schmalen Trampelpfad gehandelt, der deutlich weniger als 50 Zentimeter breit gewesen sei.
1979 war der Weg nur noch in Fragmenten eingezeichnet
Die UAK beruft sich in ihrem Projektbeschrieb also darauf, dass dieser Weg bis 1979 auf der Landeskarte eingezeichnet gewesen sei. Eine Anfrage bei Swisstopo ergibt nun aber ein etwas anderes Bild.
«Der Weg wurde vermutlich nach 1965 nicht mehr unterhalten und dem Zerfall überlassen.»
Joël Vorburger, Bundesamt für Landestopografie
Joël Vorburger vom Bundesamt für Landestopografie schreibt: «Der genannte Weg ist das erste Mal auf dem Kartenblatt ‹Rigi› der Landeskarte 1:25’000 aus dem Jahr 1954 ersichtlich.» Die darauffolgenden Aktualisierungen des genannten Kartenblattes würden den Weg bis und mit zur Ausgabe von 1965 vollständig zeigen. «Das nachfolgende Kartenblatt von 1971 zeigt den Weg zum ersten Mal nur noch in Fragmenten. Der Weg wurde vermutlich nach 1965 nicht mehr unterhalten und dem Zerfall überlassen.»
Mit anderen Worten: Anders als von der UAK suggeriert, war der erwähnte Weg im Jahre 1979 bloss noch in Fragmenten auf der Karte eingezeichnet.
1979 war der Weg bloss noch in Fragmenten auf der Landeskarte eingezeichnet:
Interessanterweise legte die UAK ihrem Baugesuch zwar einen aktuellen Kartenausschnitt und einen aus dem Jahre 1961 bei, nicht aber einen aus dem Jahre 1979. Zudem: Seit dem Jahre 1982 ist dieser Weg im fraglichen Abschnitt überhaupt nicht mehr eingezeichnet. Und auf der aktuellen Karte ist im betreffenden Gebiet gar kein Weg mehr zu finden – also auch nicht im Bereich gegen die Alp Rotenfluo hin.
Im Jahre 1982 war der Weg komplett aus der Landeskarte verschwunden:
Pius Betschart, Geschäftsführer der Unterallmeind Korporation Arth, gibt auf Anfrage zuerst Auskunft. Später aber verweist Betschart darauf, dass es sich um ein laufendes Verfahren handle. «Aus diesem Grund darf ich aktuell keine weiteren Auskünfte geben oder Angaben machen.»
Berufung auf blossen «Ausbau» bringt Vorteile
Was man wissen muss: Für eine Bauherrin ist es ein klarer Vorteil, wenn sie sich darauf berufen kann, bei einem geplanten Forstweg gehe es nicht um einen eigentlichen Neubau, sondern bloss um den Ausbau eines bereits vorhandenen Weges. Es kann dann nämlich eine sogenannte «erleichterte Ausnahmebewilligung» nach Artikel 24c des Raumplanungsgesetzes erteilt werden. Gemäss Thomas Kappeler, Sektionschef Recht beim Bundesamt für Raumentwicklung (Are), dürfen dabei aber allfällig vorgesehene Änderungen des Weges jeweils nur geringfügiger Art sein, sowohl in Bezug auf die Dimensionierung, das Trassee als auch den Belag.
Thomas Kappeler bestätigt, dass die Berufung auf einen blossen Ausbau Vorteile mit sich bringt: Das Verfahren werde so vereinfacht, und die Bewilligung sei auf diesem Wege einfacher zu erhalten.
Die Landeskarte als Indiz
Ein solches Vorbestehen müsse bei Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone jeweils für das Jahr 1972 nachgewiesen werden können. Dies war das Jahr, in welchem die Gewässerschutzgesetzgebung in Kraft trat.
Thomas Kappeler fügt weiter an: «Zudem muss glaubhaft gemacht werden, dass die Nutzung seither fortgedauert hatte. Der vorbestehende Weg muss daher auch noch heute erkennbar sein, und er muss auch heute noch bestimmungsgemäss genutzt werden.»
«Wenn der angebliche Weg schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht mehr auf der 1:25’000er-Karte figuriert, erscheint dies als Indiz, dass die ursprüngliche Nutzung aufgegeben wurde.»
Rudolf Rohrbach, Are
Das ist im vorliegenden Falle der entscheidende Punkt: Seit dem Jahre 1982 – also seit mehr als 40 Jahren – ist dieser Weg komplett aus der Landeskarte verschwunden. Rudolf Rohrbach vom Are sagt dazu: «Wenn der angebliche Weg schon seit Jahren oder gar Jahrzehnten nicht mehr auf der 1:25’000er-Karte figuriert, erscheint dies als Indiz, dass die ursprüngliche Nutzung aufgegeben wurde.»
Befürchteter Rundweg wird Tatsache
Das Projekt Forstweg Rigi-Teuffeli hinterlässt auch noch aus weiteren Gründen Fragezeichen. Pro Natura Schwyz, WWF Schwyz und Jagd Schweiz hatten deshalb am 6. Oktober 2022 Einsprache gegen das Vorhaben eingereicht. Die Umweltverbände befürchteten insbesondere, dass aus dem eingezeichneten Stichweg mit einer Fortsetzung in Richtung Alp Rotenfluo ein eigentlicher Rundweg entstehen könnte.
Aus den Rückmeldungen der Bauherrschaft mussten die Verbände in der Folge zur Kenntnis nehmen, dass ein entsprechendes Fortsetzungsstück mittlerweile bereits existiert: Im Rahmen des Neubaus der Seilbahn Kräbel-Scheidegg vor rund sechs Jahren wurde zur Erreichung der obersten Seilbahnstütze ein rund 500 Meter langer Erschliessungsweg erstellt.
Beschwerdefrist läuft noch
Die Alp Rotenfluo ist eine weitgehend noch intakte Geländekammer mit interessanter Fauna und Flora. Anlässlich der Naturtage 2022 auf der Rigi wurde dort zum Beispiel der seltene Wiesenpieper – ein Vogel – gesichtet.
Interessant: Das Amt für Wald und Natur des Kantons Schwyz beurteilte das Vorhaben bereits im Rahmen des Projektbeschriebs positiv. Weil sich der geplante Forstweg ausserhalb der Bauzonen befindet, bedarf es für das Vorhaben aber einer kantonalen Raumplanungsbewilligung. Der Kanton Schwyz erteilte diese Bewilligung am 3. Mai dieses Jahres. Die Gemeinde Arth ihrerseits bewilligte das Bauvorhaben am 15. Mai. Gegen diese Baubewilligung kann bis am 6. Juni Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Schwyz geführt werden.
Die Häufung solcher Projekte im Rigigebiet
Robert Bachmann vom Schwyzer Umweltrat schreibt auf Anfrage, das vorliegende Projekt sei im Rigigebiet nicht das erste seiner Art. «In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurden immer wieder Projekte für eine bessere Alp- oder Walderschliessung eingegeben und umgesetzt.»
Auf der Rigi sei zudem in der jüngeren Vergangenheit generell eine massive Zunahme der Freizeitaktivitäten und des Besucherdrucks festzustellen. Bachmann erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem E-Mountain-Bikes, Cross-Motorräder, Trikes oder auch Drohnen.
Erschliessungsstrassen führen zu zusätzlichen Störungen
Ohne Subventionen liesse sich der Bau einer Forststrasse betriebswirtschaftlich in den meisten Fällen nicht rechtfertigen, erklärt Thomas Wirth, Projektleiter Biodiversität beim WWF. «Der Bau von Waldstrassen erleichtert die Zugänglichkeit. Gebiete, die ansonsten bloss vereinzelt von Jägerinnen, Pilzsucher und Alpinwanderinnen aufgesucht werden, sind dann für alle einfach erreichbar, womit die Anzahl der Nutzerinnen steigt. Das führt zu vermehrten Störungen in Gebieten, die vorher nicht oder wenig gestört waren.»
Auf einen interessanten Aspekt verweist Livio Rey von der Vogelwarte Sempach: Bereits die reine Anwesenheit von Spazierenden im Wald könne langfristige Auswirkungen haben, wie eine neue Studie mit Kohlmeisen zeige. «Diese an sich kleinen Störungen haben schon einen negativen Einfluss auf die Lebenserwartung und die Anzahl gelegter Eier.» Dabei sei die Kohlmeise ein häufiger Brutvogel und grundsätzlich gut an menschliche Nähe angepasst. «Umso mehr müssen solche Resultate zu denken geben, wenn es um Störungen bedrohter und sensibler Arten geht, wie etwa Raufusshühner, Greifvögel oder Reiher.»
- Schriftlicher Austausch mit Pius Betschart, UAK Arth
- Schriftlicher Austausch mit Josef Gabriel, Kanton Schwyz
- Schriftlicher Austausch mit Gemeinde Arth, Bauverwaltung
- Schriftlicher Austausch mit Joël Vorburger, Bundesamt für Landestopografie,
- Schriftlicher Austausch mit Bundesamt für Raumentwicklung (Are)
- Schriftlicher Austausch mit Bundesamt für Umwelt (Bafu)
- Schriftlicher Austausch mit Robert Bachmann, Schwyzer Umweltrat
- Schriftlicher Austausch mit Elena Strozzi, Pro Natura
- Schriftlicher Austausch mit Thomas Wirth, WWF Schweiz
- Schriftlicher Austausch mit Livio Rey, Vogelwarte Sempach
- Technischer Bericht der UAK vom 22. 7. 2022
- Artikel im «Bote der Urschweiz» vom 17.9.22
- Karten von Swisstopo
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