Arbeitstiere! In Edlibach gibt's ein lustiges Projekt

Mit ihrem Hunger: Kroatische Schweine retten rare Kröten

Sie arbeiten im Auftrag des Kantons: Kroatische Turopolje-Schweine in Edlibach. (Bild: wia)

Am Fuss des Gubels grunzen seit knapp zwei Monaten drei Schweine durch die Moränenlandschaft. Sie haben einen Job: Sie mampfen sich durch Schilfwurzeln und helfen damit, seltene Tierarten zu retten. Wir haben die Tiere besucht und wurden dabei leicht angeknabbert.

An Edlibach vorbei, dann die erste Strasse vor dem Kieswerk hoch zum Bauernhof: Dort erwartet uns nicht nur der Landwirt Peter Iten, sondern auch gleich seine fünf Kinder. Sie wollen mitkommen zu den besonderen Schweinen, die im Rahmen eines Pilotprojekts ganz in der Nähe eingesetzt werden.

Drei Turopolje-Schweine – es handelt sich um eine seltene kroatische Rasse – leben nur einige hundert Meter entfernt von Itens Hof auf dem Gelände der Kibag. Der Landwirt, der sich eigentlich auf Aufzuchtrinder spezialisiert hat, ist seit Anfang Juni nun auch für die drei Schweine zuständig. Auf ihrem verhältnismässig grossen Gelände führen die Schweine nicht einfach nur ein schönes Leben. Sie sind im Arbeitseinsatz. Das wollen wir sehen.

Umringt von Kindern machen wir uns auf den Weg zu ihnen, über die Wiese und einen sandigen Hügel rauf, bis wir auf einer kleineren umzäunten Ebene stehen. Der Boden ist mal steinig, mal schlammig, stellenweise auch karg bewachsen. Mehrere Teiche sind zu sehen, etwas Schilf, daneben einige Gehölze und ein Plastik-Iglu, das vor der Witterung schützt. Kein Schwein in Sicht.

Lara, Sina, Alessia, Severin und Aline (v.l.) sind mitgekommen zur Schweinekontrolle. (Bild: wia)

«Die Tiere finden zwar in ihrem Gehege genügend Wasser und Futter, doch kontrolliere ich täglich den elektrischen Zaun und beobachte, ob die Schweine gesund sind», erklärt Iten, während wir das Gehege betreten. Wie er das anstellt? Ganz einfach. Itens Sohn Severin hat einen Kübel mit etwas Futter mitgebracht, den er nun zu schütteln beginnt.

Ängstliche Schweine? I wo

Flugs, mit wackelnden Ohren, kommen sie angelaufen, die drei schwarz-rosa gefleckten Schweine. «Wenn sie so heranrennen, ist das bereits ein Zeichen, dass es ihnen gutgeht. Sie haben Hunger und sind unverletzt», sagt Iten. Und auch gar nicht scheu. Einige Meter vor uns leert Severin etwas Futter aus, die Schweine beginnen sofort, dieses vom sandigen Boden zu fressen.

«Während der ersten Tage hatten sie Angst vor uns und rannten davon. Wir mussten ihnen beibringen, was das Rascheln des Kübels bedeutet», erklärt Iten, während er den Schweinen beim Fressen zusieht. Sie lernten schnell. «Bereits nach drei Tagen kamen sie angerannt.»

Idyllisch sieht die Szene beim ehemaligen Schlammweiher ja aus. Doch wozu genau wurden die Tiere hier eingesetzt? «Früher wurde hier Kies abgebaut. Nach dem Abbau übriggeblieben ist ein sogenannter Ruderal-Lebensraum», sagt Iten und präzisiert: «Das sind Gegenden mit steinigen Böden und karger Vegetation sowie kleineren Teichen.» Diese wiederum seien gute Lebensräume für Amphibien, mitunter auch für seltene Arten.

Orte wie diese bestehen nicht aus reiner Freude an der Natur. Alle Kiesgrubenbetreiber sind verpflichtet, neben den Abbaubereichen innerhalb des Werkareals solche Flächen für den ökologischen Ausgleich bereit zu stellen.

Das Schilf stellt für kleine Tiere ein Problem dar

«Das Problem auf diesem Gelände ist jedoch die Verschilfung. Wenn man die Gegend sich selber überlassen würde, wären die Gewässer über kurz oder lange mit Schilf überwuchert», erklärt der Landwirt.

Sieht zwar schön aus, doch ist das für die Biodiversität nicht optimal. «Amphibien brauchen Licht und Wärme. Wenn überall Schilf wächst, verhindert dies die Ansiedelung der Tiere. Die Schweine sind dafür zuständig, im Schlamm zu wühlen und die Schilfwurzeln zu fressen. Diese können sehr lang werden. Wenn man nichts dagegen unternimmt, ist die ganze Fläche über kurz oder lang von Schilf überwuchert.»

Doch nicht nur Amphibien freuen sich über das Gebiet. Vor zwei Jahren wurde das Gelände renaturiert. «Schon nach einem Jahr konnten wir Flussregenpfeifer beobachten, eine seltene Vogelart. Auch Gelbbauchunken haben sich hier angesiedelt», sagt Iten freudig.

Peter Iten ist für die Betreuung der Schweine zuständig. (Bild: wia)

Tatsächlich ist neben dem zufriedenen Grunzen aus den Teichen ein lautes Quaken zu vernehmen.

Dass hier Turopolje-Schweine und nicht eine hiesige Sorte eingesetzt wird, hat seinen Grund. «Diese Rasse ist robuster als unsere hiesigen Schweine. Sie begnügen sich mit dem Futter, das sie selber finden und sind nicht auf Kraftfutter angewiesen.» Entsprechend werden sie auch erst nach 1,5 Jahren geschlachtet und nicht wie gewöhnliche Schweine nach einem halben Jahr. Das ist dann aber nicht mehr Itens Problem, denn er ist nur der Betreuer der Tiere. Der Besitzer der drei Schweinchen lebt nicht im Kanton Zug.

So kam's zur Idee

Die Idee, in diesem Gebiet Schweine einzusetzen, kam Stefan Rey bereits vor fünf Jahren. Rey, der im Kanton für den Artenschutz zuständig ist, sagt weiter: «Da es sich um kein alltägliches Vorgehen handelt, hat es einige Jahre gedauert, bis man sich tatsächlich mit dieser Idee auseinandergesetzt hat und sie in den Köpfen der Beteiligten reifen konnte.»

Er sagt weiter: «Im Prinzip könnte man auch alle paar Jahre mit dem Bagger im Gebiet auffahren und die oberste Boden- und Vegetationsschicht abziehen. Doch empfanden wir es als sinnvoll, eine nachhaltige Methode zur Förderung der Biodiversität zu suchen. Abseits von Maschinen, die Diesel brauchen.» Zudem könne mit Baggern nur beschränkt gearbeitet werden, da der Boden beim ehemaligen Schlammweiher wenig tragfähig sei.

Wie lange der Pilotversuch dauert, sei noch nicht ganz klar, so Rey. «Wir entscheiden das situativ. Auch müssen wir beobachten, ob der Einsatz dreier Schweine zu tief ist. Dann könnten wir die Zahl nächstes Jahr auf beispielsweise fünf erhöhen.»

Wir werden zu Knabberspass

Zurück nach Edlibach. Dort wühlen die drei Schweine zwar noch im Kies herum, vom ausgestreuten Futter ist jedoch kaum mehr etwas zu sehen. Entsprechend legen die Schweine stattdessen ihr Interesse auf die Gäste und beginnen, diese anzuknabbern. Scheu sind die Tiere tatsächlich nicht mehr. Nachdem der zwölfjährige Severin noch geprüft hat, ob der Strom des Zauns noch funktioniert, treten wir den Rückweg an.

Beim Rückweg in Richtung Edlibach werfen wir noch einen Blick auf einen weiteren Weiher am Rande des Wohnquartiers. Vor lauter Schilf ist dieser kaum mehr zu erahnen. Ein paar Schweine täten auch diesem gut.

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