Maskenliebhaber-Gesellschaft

Maskierte Macht: Luzerner Bruderschaft im Wandel der Zeit

Die Fahne der Luzerner Maskenliebhaber-Gesellschaft. (Bild: MLG)

Ein Putsch, ein Maskenball und eine exklusive Bruderschaft: Seit über 200 Jahren prägt die Maskenliebhaber-Gesellschaft Luzern das gesellschaftliche Leben der Stadt.

1814, am Vorabend des Schmutzigen Donnerstags, hallt ein Böllerschuss durch die engen Gassen der Stadt Luzern. Ein Signal für den geplanten Bürgerputsch gegen die ungeliebte Übergangsregierung. Stadtluzerner Milizen stürmen den Regierungssitz, inhaftieren die Obrigkeit und erklären die Stadt für befreit. Kurz darauf beschliessen die Putschisten, ihren Erfolg zu feiern – mit Masken und Theater. Was als spontanes Fest beginnt, führt fünf Jahre später zur offiziellen Gründung der Maskenliebhaber-Gesellschaft der Stadt Luzern, kurz MLG.

«Anstatt zu jammern, feierten die Wehrmänner ihre wiedergewonnene Freiheit mit einem Maskenball», blickt Basil Koch, Archivar der Gesellschaft, zurück. «Das war nicht nur eine humorvolle Selbstdarstellung, sondern auch ein Forum für freie Meinungsäusserung. Dazu kam die Idee, mit dem Erlös Bedürftige in Luzern zu unterstützen.» Eine Tradition, die sich bis heute gehalten hat.

Hitzige Diskussion und eine Statutenänderung

Die MLG ist eine der vier grossen Luzerner Fasnachtsgesellschaften. Sie ist Mitglied des Lozärner Fasnachtskomitees (LFK), das sich aus zwei Zünften und zwei Gesellschaften zusammensetzt. Für das LFK muss die MLG, wie die anderen drei LFK-Organisationen, jedes Jahr 10 ihrer insgesamt 120 Mitglieder als Delegierte stellen. «Unsere jüngsten drei Jahrgänge sind für das Umzugssujet verantwortlich», erklärt Koch.

Basil Koch ist seit 1993 Mitglied der Maskenliebhaber-Gesellschaft Luzern. (Bild: MLG)

Die MLG ist bis heute eine exklusive Bruderschaft. «Zünfte und Gesellschaften sind traditionellerweise bürgerlich ausgerichtet», erklärt Stefan Bucher, Präsident der Gesellschaft. Auch politisch ist die Ausrichtung klar: freisinnig-liberal, also FDP-nah. Doch eine Anekdote aus jüngerer Zeit zeigt, dass selbst in dieser traditionsbewussten Gesellschaft die Zeit nicht stillsteht.

«Das wird nicht gerne gesehen.»

Basil Koch, Archivar der MLG

«Wir hatten mal einen Fall, der für ordentlich Wirbel gesorgt hat», erinnert sich Basil Koch. «Ein Maskenbruder, bis dahin ein FDP-Mann, wechselte aus Karrieregründen zur SVP. Das führte intern zu einer Spaltung in Pro und Contra.» Die Situation habe zur Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung geführt – und am Ende sogar zu einer Statutenänderung.

Wer einmal eintritt, bleibt ein Leben lang

Die Plätze in der Gesellschaft sind rar. Mitglied wird nur, wer von zwei Maskenbrüdern – den Götti – empfohlen wird. «Wir schauen zum Beispiel im Bekanntenkreis, wer zu uns passt», sagt Koch. Die Bewerber müssen beruflich gefestigt, männlich und motiviert sein. Sie bewerben sich mit Lebenslauf und Foto.

Traditionell wurde bei der Auswahl auf eine Durchmischung der Berufsgruppen geschaut. «Früher wurde ein Maler nicht aufgenommen, wenn schon ein Maler dabei war», so Koch. Solche Standesregeln, die ihren historischen Ursprung in zünftischen Gebräuchen haben, gebe es heutzutage aber nicht mehr.

Wer einmal in die Gesellschaft eintritt, bleibt in der Regel ein Leben lang. Nach 20 Jahren wird man Ehrenmitglied. Aber kann man auch austreten? «Das wird nicht gerne gesehen», sagt Koch. Ein Kommen und Gehen wie in anderen Vereinen gebe es bei der MLG nicht.

Krawattenzwang herrscht nur an der GV

Die Gesellschaft gehe ganz bewusst mit der Zeit. «Das Tragen einer Krawatte ist heute nur noch an der Generalversammlung Pflicht», nennt Präsident Bucher ein Beispiel. Auch bei den Aufnahmekriterien habe sich etwas getan: «Früher waren nur Stadtluzerner zugelassen, heute kommen unsere Mitglieder auch aus der Agglomeration oder aus anderen Kantonen», sagt Koch.

Heia ho, immer froh, allzeit fürs Vaterland.

Auszug aus dem Maskenbruderlied

Ein persönliches Erlebnis verdeutlicht diesen Wandel: Als Koch 1993 der Gesellschaft beitrat, wohnte er im Kanton Nidwalden. «Das hat zu Diskussionen geführt. Aber irgendwann musste man sich davon lösen und moderner werden.» Der Bezug zur Stadt Luzern sei aber in jedem Fall wichtig.

Zudem wurde das Gesellschaftshaus, die Liegenschaft der MLG am Süesswinkel 7 in Luzern, geöffnet und wirtschaftlich genutzt. «Neben den Mitgliederbeiträgen finanzieren wir uns durch Vermietungen für Hochzeiten, Firmenanlässe und Büros», sagt Koch.

Maskenschwestern ins Gesellschaftsleben eingebunden

Die gegenseitige Unterstützung sei ein wichtiger Teil der Gesellschaft. «Das Wohlergehen jedes Maskenbruders ist unser Anliegen», heisst es in den Leitsätzen der MLG. Soll heissen, man hilft sich.

Und die Frauen? Die sind zwar gemäss Statuten nicht aufnahmeberechtigt, sie seien jedoch eng ins Gesellschaftsleben eingebunden. Die MLG sei die einzige der vier LFK-Zünfte und -Gesellschaften, die eine eigene wertschätzende Bezeichnung für die Partnerinnen kenne: Maskenschwestern.

Darüber hinaus organisierten die Frauen eigene Ausflüge und Veranstaltungen. So organisiert zum Beispiel das Samichlausen-Komitee, bestehend aus rund zehn Maskenschwestern der MLG, den seit 100 Jahren bestehenden Samichlausanlass, bei dem jährlich auch Kinder in sozialen Institutionen beschenkt würden.

Aktivitäten jenseits der Fasnacht

Die MLG ist das ganze Jahr über aktiv. Sie organisiert Veranstaltungen wie den Maibummel, den Gesellschaftsabend, den Herrenabend und den Partnerinnen- und Partneranlass. «Unsere Anlässe sind immer schöne, gesellige Zusammenkünfte mit Gastrednern aus Politik, Sport und Wirtschaft», erzählt Koch. «Was neben der Fasnacht läuft, ist hauptsächlich vergnüglich.»

Laut Präsident Bucher treffen sich die Mitglieder fünfmal im Jahr zu sogenannten Monatsversammlungen. Bei diesen Versammlungen gibt es Informationen durch den Präsidenten. Bevor es zum gemütlichen Teil des Abends übergeht, wird der geschäftliche Teil mit dem Maskenbruderlied abgeschlossen.

Auszug aus dem Maskenbruderlied:

Juso bekämpfte geplanten Brunnen der MLG

Trotz aller Traditionen und des eingeschworenen Gemeinschaftsgefühls bleibt auch die MLG nicht von Herausforderungen verschont. Gerade in der heutigen Zeit müssen sich alteingesessene Gesellschaften mit veränderten gesellschaftlichen Erwartungen auseinandersetzen. Ein Beispiel dafür lieferte der geplante Maskenbrunnen, ein Geschenk der MLG an die Stadt Luzern im Jahr 2019.

Das Projekt scheiterte am Widerstand der Juso Luzern, die der Gesellschaft «Nationalismus und Sexismus» vorwarf. Der Stadtrat lehnte den Brunnen aufgrund eines Postulats kurzfristig ab. «Das war ein Schlag ins Gesicht», erinnert sich Koch. «Zweieinhalb Jahre Planung gemeinsam mit der Stadtverwaltung – und dann wird unser Maskenbrunnen in letzter Minute gestrichen.»

Doch die Maskenbrüder nehmen es heute mit Humor. Schliesslich war ihre Gründung einst selbst eine Rebellion gegen die Obrigkeit.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Stefan Bucher, Präsident der MLG
  • Persönlicher Austausch mit Basil Koch, Archivar der MLG
  • Website der MLG
0 Kommentare
Aktuelle Artikel
Apple Store IconGoogle Play Store Icon