Kleinrestaurant bei Tripadvisor seit Monaten top

«Made in Sud» lässt Luzerner Traditionslokale alt aussehen

Der gebürtige Kurde Gökhan Temizmermer möchte ein «Little Italy» am Luzerner Pilatusplatz erwecken.

 

(Bild: bic)

Das kleine Restaurant «Made in Sud» am Luzerner Pilatusplatz existiert erst seit einem Jahr. Bei Tripadvisor lässt es jedoch praktisch alle Traditionslokale hinter sich. Kann die Luzerner Gastroszene davon etwas lernen?

Welches ist das beste Restaurant in der Stadt Luzern? Glaubt man dem Online-Bewertungsportal «Tripadvisor», mischt das kleine Lokal «Made in Sud» an der Luzerner Obergrundstrasse ganz oben mit. Das Restaurant serviert vor allem italienische Speisen wie Pasta und Pizza.

Monatelang führte es die Liste an. Im Moment steht das schmucke Restaurant von Inhaber Gökhan Temizmermer auf Platz zwei in Luzern. Und tatsächlich: Wer regelmässig vorbeikommt, sieht mittags und abends ein meist volles Lokal. Dabei existiert das «Made in Sud» seit gerade mal einem Jahr.

«Wow, geniales Restaurant und die Bedienung so aufgeschlossen, lustig und aufmerksam.» «Ich bin absolut gerne wöchentlich im Made in Sud.» «Das Restaurant wird von super freundlichen Leuten geführt und das Essen ist sehr fein», oder «Gastfreundlich, grosszügig, einfach, schnell» sind nur einige der Dutzenden Topbewertungen des kleinen Restaurants. 

Wie kommt es, dass die kleine Beiz traditionelle Restaurants teilweise weit hinter sich lässt? Was bedeutet das für die Luzerner Gastroszene? Und wie wichtig ist Tripadvisor grundsätzlich für die hiesige Beizenlandschaft?

Nicht sehr relevant

Gemäss dem Luzerner Gastroverband ist es wichtig, dass sich die Betriebe mit Tripadvisor auseinandersetzen. Denn darauf zu verzichten, sei keine gute Idee. «Wir empfehlen unseren Mitgliedern, sich bei Tripadvisor ein Profil anzulegen», sagt Patrick Grinschgl, Präsident des Gastroverbandes Luzern.

«Die Bewertung ist nicht sehr aussagekräftig. Vor allem für Einheimische ist sie kaum relevant.»

Patrick Grinschgl, Präsident Gastroverband Luzern

Auch sollten die Wirte ein waches Auge auf die Aktivitäten im Forum haben, um bei schlechten Bewertungen – vor allem ungerechtfertigten – entsprechend reagieren zu können. Vom angewandten Algorithmus des Bewertungsportals hält Grinschgl indes wenig.

«Die Bewertung ist nicht sehr aussagekräftig. Vor allem für Einheimische ist sie kaum relevant», sagt er. Und weiter: «Wenn man als Tourist eine traditionelle Rösti essen will, muss man ja so oder so schauen, wo es diese überhaupt gibt.» Auf die Tripadvisor-Bewertungen alleine kann man sich also nicht verlassen.

Das sind bei Tripadvisor die Top 5 in Luzern

1. Restaurant «Geissmatt»

2. Restaurant «Made in Sud»

3. Restaurant «Olivo»

4. Restaurant «Marlin» (im Hotel Palace)

5. Restaurant «Balances»

«Die Nutzung von Tripadvisor ist einer von vielen Wegen, ein Restaurant zu bewerben», sagt er. Dass einige Wirte diesen intensiv nutzten, sei logisch, da es durchaus eine Hilfe im Bereich Marketing und Werbung sein könne.

Folglich sieht Grinschgl die Situation relativ gelassen. Gerade Einheimische könnten sich ja auch ohne Tripadvisor problemlos ein Bild von der Beizensituation in Luzern machen. «Diese Leute testen ein Restaurant persönlich und wissen danach selber, was sie davon halten sollen.» Und die Luzerner seien immer noch die wichtigsten Gäste, betont Grinschgl.

Der Ball liegt bei den Wirten

Ins gleiche Horn stösst Heiko Siebert, Dozent für Marketing und Verkauf an der Hotelfachschule Luzern: «Mir fällt auf, dass das ‹Made in Sud› etwa zur gleichen Zeit auch Facebook stärker bearbeitet hat. Ich vermute daher, dass sich der Gastwirt gezielt auf diese Kanäle konzentriert.»

Das Restaurant habe sich wohl einige Mühe gegeben und Zeit und Geld in die Bewirtschaftung der Online-Plattformen investiert, so Siebert. Der aktive Umgang mit Internetforen wie Tripadvisor sei heute für alle Betriebe von einiger Bedeutung.

Das vermittle er auch seinen Studenten an der Hotelfachschule: «Meiner Meinung nach ist Tripadvisor für ein Gastrounternehmen im internationalen Markt sehr wichtig.» Das «Made in Sud» sei ein gutes Beispiel dafür, sagt Siebert.

Das kleine «Made in Sud» verweist grosse Traditionslokale auf die Plätze.

Das kleine «Made in Sud» verweist grosse Traditionslokale auf die Plätze.

(Bild: Screenshot Tripadvisor)

Wie Grinschgl sieht auch Siebert durch die Top-Platzierung des kleinen Lokals keine Gefahr für andere Betriebe. «Zum einen möchten nicht alle Touristen italienisch essen, wobei im Segment ‹preiswert gut italienisch essen› im Moment das Made in Sud zu führen scheint», sagt er.

Zum anderen könne sich die Situation aber auch rasch ändern. Zum Beispiel durch eher negative Kommentare oder andere Restaurants, die sich ebenfalls bemühen und gute Qualität bieten. «Die Tatsache, dass das ‹Made in Sud› im Moment gut positioniert ist, heisst nicht, dass es so bleibt», erklärt Siebert.

«Wir werben nicht aktiv»

Bewirbt das «Made in Sud» Tripadvisor bei seinen Gästen also besonders intensiv? Wirt Gökhan Temizmermer verneint vehement: «So etwas würden wir niemals tun. Weder mündlich noch auf der Speisekarte oder sonst wo machen wir unsere Gäste auf Tripadvisor aufmerksam», so der Kurde. Dies wäre nicht sehr ethisch, sagt er. Auf Werbung habe man generell fast komplett verzichtet.

Man habe rein wirtschaftlich und marketingtechnisch nie ein besonderes Augenmerk auf Tripadvisor gerichtet, so Temizmermer, der in Luzern zuvor bereits ein Bio-Take-Away geführt hatte. Wieso er so gut abschneidet, kann er sich nur teilweise erklären.

Viele seiner Gäste würden das Lokal nämlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda kennen. So habe er auch mehr einheimische Gäste als Touristen. Dass Tripadvisor jedoch einen positiven Effekt auf seine Gästezahl hat, bestreitet Temizmermer nicht.

Das «Made in Sud» an der Obergrundstrasse gleich beim Pilatusplatz.

Das «Made in Sud» an der Obergrundstrasse gleich beim Pilatusplatz.

(Bild: bic)

«Anscheinend gefällt es den Leuten einfach bei uns», sagt er. Temizmermer kann sich vorstellen, dass seine Gäste mit einer guten Bewertung Danke sagen wollen und deshalb auch ohne jegliche Aufforderung eine Bewertung abgeben. Temizmermer ist seit 19 Jahren in Luzern. Er kenne deshalb in der Stadt sehr viele Leute. Dies sei ein wichtiger Faktor für den Erfolg seines Restaurants. 

Schöner Nebeneffekt

«Dass wir auf Tripadvisor so gut abschneiden, tut persönlich gut und motiviert uns natürlich», sagt Temizmermer. Das sei sicher ein schöner Nebeneffekt des Portals. Und er ergänzt: «Wir sind aber auch froh über negative Bewertungen.»

Aufgrund dieser Rückmeldungen habe man schon einiges im Lokal und auch küchentechnisch verbessern können. Gäbe es Tripadvisor nicht, hätte man einige Verbesserungsvorschläge vielleicht gar nie erhalten, so Temizmermer.

Vielleicht ist das Rezept also ganz einfach: Grosses Engagement, ein freundliches und zuvorkommendes Auftreten und mit viel Liebe und Leidenschaft bei der Sache sein. Gökhan Temizmermer lebt dies in seinem Lokal vor. Der Erfolg scheint ihm recht zu geben.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Mimizane
    Mimizane, 18.03.2018, 02:14 Uhr

    Gökhan » Mardo» hat noch NIE aktiv Facebook oder Tripadvisor bearbeitet. Sein Erfolg beruht ausschliesslich auf seiner aussergewöhnlichen und herzlichen Gastfreundschaft. Und die sizilianische Küche von Concetta ist der Hammer. Luzern braucht mehr solche Gastronomen*innen! Danke 😉

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  • Profilfoto von Roland Grueter
    Roland Grueter, 17.03.2018, 18:14 Uhr

    Hallo.
    Bedenklich! Seit wann ist «Tripadvisor» massgebend?

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