Die Quaggamuschel kann sich fast überall festsetzen. Der Kanton Luzern will deshalb nicht, dass fremde Schiffe auf seinen Seen schwimmen. Im Bild ist ein Boot aus dem Kanton Freiburg. (Bild: Kanton Freiburg / Olivier Paschoud)
Der Luzerner Regierungsrat hat ein Verbot erlassen, das es lokalen Händlern von Occasionsschiffen extrem schwer macht, ihrem Beruf nachzugehen. Eine Firma kämpft gar ums finanzielle Überleben. Ursprung allen Übels: die Quaggamuschel.
Seit Dezember dürfen keine Schiffe mehr im Sempacher-, Baldegger- und Rotsee eingewassert werden, die nicht schon seit jeher auf dem jeweiligen See angemeldet sind. Der Luzerner Regierungsrat hat das Verbot im Kampf gegen die Quaggamuschel beschlossen. Er will damit verhindern, dass das invasive Schalentier nach dem Vierwaldstättersee auch in die anderen Luzerner Seen gelangt (zentralplus berichtete).
Zwei Luzerner Händler von Occasionsschiffen kritisieren das Verbot aufs Äusserste. Ein Boot, das zuvor etwa auf dem Vierwaldstättersee schwamm, kann zwar an jemanden am Sempachersee verkauft werden, dieser darf es aber nicht in «seinen» See lassen. Die Folge: Der hiesige Markt für gebrauchte Schiffe ist eingebrochen.
Patrick Marti, Geschäftsleiter der Werft Gabo Marti in Neuenkirch, sagt zur Situation: «Das Verbot bedroht unsere Existenz. Wir sind abhängig vom Occasionshandel.» Ein weiterer Luzerner Händler sieht seine Hände gleichfalls gebunden – und erklärt, weshalb der Beschluss aus seiner Sicht hinten wie vorne keinen Sinn ergibt.
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Busse von maximal 20’000 Franken
Mitte Dezember hat der Luzerner Regierungsrat eine Allgemeinverfügung erlassen. Diese beinhaltet ein Einwasserungsverbot auf dem Sempacher-, Baldegger- und Rotsee. Ein Schiff, das zuvor in einem anderen Gewässer lag, darf nicht in einen der jeweiligen Seen eingelassen werden.
Ausgenommen vom Verbot sind Schiffe der Polizei, der Feuerwehr und des Militärs sowie Schiffe, die einen Auftrag im öffentlichen Interesse ausführen und vom Strassenverkehrsamt eine entsprechende Bewilligung haben. Wer die Verfügung missachtet, muss mit einer Busse von bis zu 20’000 Franken rechnen.
Auf dem Rotsee sind keine Motorboote zugelassen, weshalb das Einwasserungsverbot dort nicht dieselben drastischen Konsequenzen hat wie auf dem Sempacher- und Baldeggersee.
Martis Kerngeschäft liegt brach
Der Sempachersee sei ihr Hauptsee, erzählt Marti. Der grösste Teil seines Kundenstamms ist dort. «Das Einwasserungsverbot schenkt extrem ein», sagt er. Der Händler erklärt, dass gerade auf dem Sempachersee viele Gebrauchtschiffe unterwegs seien. «Nicht jeder kann sich ein neues Boot leisten.»
Marti hat gegen die Verfügung einen Beschwerdebrief eingereicht. Damit dieser überhaupt bearbeitet werde, müsse er dem Kanton eine Gebühr zahlen. «Das ist doch vollends undemokratisch und hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun», moniert er.
Kanton bei Kommunikation mit Luft nach oben?
Im Weiteren beschwert sich Marti darüber, wie der Kanton im Zusammenhang mit dem Beschluss kommuniziert habe. «Sie haben nicht alle Betroffenen informiert», führt er aus. Nicht alle Unternehmen und Vereine hätten direkt vom Kanton erfahren, dass der Regierungsrat das Einwasserungsverbot verhängt habe.
Der Kanton sagt auf Anfrage, dass dies möglich sei. Zusätzlich zur Publikation des Beschlusses im Amtsblatt habe er über hundert Betroffene direkt davon in Kenntnis gesetzt – darunter Bootshändler, Yacht- und Ruderclubs. Es komme jedoch vor, dass gerade bei vielen Empfängern einzelne potenzielle Betroffene nicht identifiziert werden könnten.
Kaufmann sitzt auf drei Schiffen
Roger Kaufmann, Geschäftsleiter des Bootservice-Centers in Sursee, ist einer der Unternehmer, die nicht direkt informiert wurden. Momentan hat er zwei Motorboote und ein Segelschiff, welche er aufgrund des regierungsrätlichen Beschlusses nicht weiterverkauft bekommt. Sie sammeln in einer Lagerhalle Staub. «Die Abstellplätze kosten mich jeden Monat Geld», sagt er.
Für Kaufmann ist die Situation nicht ganz so dramatisch wie für Marti. Er betreibt nebst seinem Handel mit Occasionsschiffen eine Autogarage sowie eine Boots- und Segelfahrschule in Sursee. Dennoch hat er finanzielle Einbussen erlitten und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um das Einwasserungsverbot geht.
Für ihn ist ebenso klar, dass sich nicht alle ein neues Schiff leisten können. Ein Occasionsschiff kostet gemäss Kaufmann meist zwischen 10’000 und 15’000 Franken. Ein neues Schiff kostet hingegen eher zwischen 30’000 und 50’000 Franken, wobei eines mit Kabine noch teurer ist. «Dazu kommt der Preis für den Motor», erklärt er.
Problem liesse sich einfach verhindern
Seine Kritik geht aber weiter: «Die haben einfach etwas gemacht, ohne eine Ahnung von der Sache zu haben. Der Beschluss ist kein bisschen durchdacht.» Es ist laut Kaufmann ohne Weiteres möglich, verkaufte Occasionsschiffe vor dem Einwassern professionell reinigen zu lassen oder sie zeitlich begrenzt unter Quarantäne zu setzen. Wenn Quaggamuscheln mehr als 90 Stunden an der Luft sind, sterben sie ab.
Kommt hinzu: Auf dem Sempachersee gilt ein gesetzliches Limit für Motorboote. Nur 400 dürfen auf dem See angemeldet sein. Der Beschluss kann deshalb auch indirekt auf Privatpersonen Auswirkungen haben. Wenn jemand beispielsweise aufgrund eines Sturmschadens ein neues Schiff braucht, muss er seine Nummer vorübergehend dem Strassenverkehrsamt senden.
Occasionsmotoren seien zulässig
Wenn die Nummer nicht innerhalb eines Jahres an einem neuen Schiff hängt, verliert der Besitzer die Nummer und somit die Erlaubnis, auf dem Sempachersee ein Motorboot zu haben. Da sich viele als Ersatz nur ein Occasionsschiff leisten und ein solches momentan nicht einwassern lassen könnten, liefen sie allenfalls Gefahr, ihre Nummer zu verlieren, sagt Kaufmann.
Der Beschluss spricht laut dem Händler aus Sursee nicht von gebrauchten Motoren, nur von gebrauchten Schiffen – also den Schalen. Occasionsmotoren dürften unter der momentanen Regelung noch in bestehende angemeldete Schiffe verbaut werden, führt er aus. «Dabei sind die Motoren viel schwieriger zu reinigen und können ebenso Quaggalarven einschleppen.»
Einsprache wegen eines Tages nicht gültig
Zudem könne auch jeder Vogel die Larven der Quaggamuschel in die fraglichen Seen tragen, sagt Kaufmann weiter. «Wir müssten Glaskuppeln über den Seen bauen, wenn wir sie tatsächlich schützen wollten.» Auch der Händler aus Sursee hat versucht, gegen den Beschluss vorzugehen.
Nachdem die Verfügung über Neujahr im Amtsblatt publiziert worden ist, hat Kaufmann eine Einsprache eingereicht. Allerdings zu spät, wie er erzählt – um einen Tag habe er die Frist verpasst.
Vorstoss wollte Lage ändern
Die Verfügung des Regierungsrats sorgt nicht nur an den Ufern der hiesigen Seen für Diskussionen. Vor Kurzem hat Thomas Meier, FDP-Kantonsrat aus Sursee, ein Postulat eingereicht. Darin fordert er die Luzerner Exekutive auf, den Beschluss zu überarbeiten.
Der Regierungsrat solle prüfen, eine Reinigungspflicht für verkaufte Gebrauchsboote oder eine Quarantänepflicht einzuführen, damit die Händler wieder ungehindert ihrem Beruf nachgehen könnten. «Faktisch handelt es sich hier um ein Teilberufsverbot», schreibt Meier.
Regierungsrat hat kein Gehör
Vergangene Woche hat der Regierungsrat zu Meiers Vorstoss Stellung bezogen. Er will die Verfügung zurzeit nicht anpassen. Nur mit den geplanten Massnahmen liesse sich aus ihrer Sicht die Gefahr der Verbreitung der Quaggamuschel in bisher noch nicht betroffene Seen wirksam verhindern.
Zudem liefen aktuell Arbeiten für eine Folgeregelung zum Beschluss, schreibt der Rat. Eine vorgreifende Anpassung der Verfügung erachte er deshalb als «nicht sinnvoll».
Der Kantonsrat hat das Postulat auf Empfehlung des Regierungsrats nicht überwiesen. Die Hoffnung der Händler auf eine schnelle Verbesserung der Situation ist damit dahin. Die drei Occasionsschiffe von Roger Kaufmann bleiben wohl noch einige Zeit in der Lagerhalle stehen. Patrick Marti wartet derweil darauf, dass sein Beschwerdebrief eine Antwort erhält.
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.