Luzerner Grossstadträtin kritisiert Inseli-Vergabe
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Die Grossstadträtin Diel Schmid Meyer wirft der Stadt bei der Zwischennutzungsvergabe fürs Inseli einiges vor. Mit ihrem Projekt «Car*los» ist sie praktisch aus dem Rennen um den Carparkplatz ausgeschieden. Ist sie einfach eine schlechte Verliererin? Wir schauen genau hin.
Das Luzerner Inseli ist ein grüner Traum am Rande des Vierwaldstättersees. Doch bis heute liegt hinter dem schmalen Streifen Park ein grauer Carparkplatz für Reisebusse. Vor fünf Jahren stimmten die Luzernerinnen für die Umgestaltung, seit einigen Monaten dreht sich die Debatte um eine Zwischennutzung.
Bis die Stadt 2027 eine dauerhafte Lösung für das Inseli findet, darf die kreative Szene der Stadt den Freiraum gestalten. Dafür sind mehrere Projekte eingereicht worden, von denen es drei in die engere Auswahl der Fachjury schafften (zentralplus berichtete). Im nächsten Schritt durften die Luzerner mitreden – mit einer eigens eingerichteten Online-Abstimmung.
«Es liegt auf der Hand, dass eine Universität über eine massiv grössere Datenbank an E-Mail-Adressen verfügt.»
Diel Schmid Meyer, Grossstadträtin und Mitbegründerin von «Car*los»
Jetzt sind die Ergebnisse da: Die Universität Luzern führt, dicht gefolgt vom Projekt «Luzerner Dorf». Weit abgeschlagen das Projekt «Car*los». Hinter letzterem steckt neben den Veranstaltern von «Rudolfs Weihnachten» auch die Grossstadträtin Diel Schmid Meyer (Mitte). Sie findet das Verfahren fragwürdig.
Wettbewerb mit ungleichen Spiessen
Schmid ist frisch-gebackene Stadtpolitikerin – sie rückte im November für den langjährigen Grossstadtrat Michael Zeier-Rast nach (zentralplus berichtete). Ein Online-Voting bilde nicht den Willen der Bevölkerung ab, bemängelt die Juristin gegenüber zentralplus. «Das ist eine vermeintliche Basisdemokratie, die keine ist.» Sie habe auch schon «kritische Stimmen» dazu im Stadthaus mitbekommen.
Die Politikerin kritisiert, dass mit diesem Vergabeverfahren nur grosse Player mit einem breiten Netzwerk gewinnen könnten. «Es liegt auf der Hand, dass eine Universität über eine massiv grössere Datenbank an E-Mail-Adressen verfügt.» Und dort Werbung für die Abstimmung betreiben kann.
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Um sich auch ohne eine Institution im Rücken eine breite Unterstützung zu sichern, hat sich die Konkurrenz «Luzerner Dorf» frühzeitig prominente Personen und Organisationen ins Boot geholt. In ihrem Konzept befindet sich eine lange Liste von Namen aus Kultur, Wirtschaft, Medien und Politik: Vom Lucerne Festival über Radio Pilatus bis hin zu Kantonsräten und der Katholischen Kirche.
Die Abstimmung ist nur ein Stimmungsbild
Die Vergabe der Inseli-Zwischennutzung wird über ein noch nie dagewesenes Verfahren abgewickelt. In einer ersten Runde bewerteten Vertreterinnen der Stadt und der externen Planungsbüros «Temporär» und «Urban Equipe» die Projekte und vergaben Punkte. Mit der anschliessenden Online-Abstimmung der besten Vorschläge konnten zusätzliche Punkte gewonnen werden.
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«Das Ziel des Online-Votings war das Erfragen eines Stimmungsbildes in der Bevölkerung zur Ergänzung der Fachbewertung der Konzepte», erklärt Livia Schälli, Projektleiterin Raumstrategie und Wohnraumpolitik der Stadt Luzern. In Anbetracht des «zentralen Ortes im öffentlichen Raum» sei das angemessen.
Schälli wehrt die Kritik am Vorgehen ab. Der Entscheid falle schliesslich nicht durch eine Abstimmung, sondern läge zuletzt beim Stadtrat. Das Meinungsbild aus der Bevölkerung ist «nur ein Teil der Gesamtbewertung der eingereichten Konzepte».
Betrug bei der Abstimmung war möglich
Doch der Anteil der Abstimmung an der Gesamtbewertung ist erheblich. Auf das Konto der Projekte wandert der Prozentsatz am Gesamtergebnis als Punkte. Erhält ein Projekt also 50 Prozent der Stimmen, folgen 50 Punkte aufs Konto. In der ersten Runde vergab die Jury maximal 100 Punkte.
Das ist viel Gewicht für ein System, bei dem «mit verschiedenen E-Mail-Adressen mehrmals abgestimmt werden kann». Diel Schmid Meyer kann darüber nur den Kopf schütteln. «Sollen wir künftig auch die Marroni-Stände auf diese Weise vergeben?», fragt sie rhetorisch.
Die städtische Projektleiterin bestätigt, dass Betrug mit mehreren E-Mail-Adressen möglich sei. Auch die Registrierungspflicht auf «Dialog Luzern» könne das nicht verhindern. Ob es zu Mehrfach-Abstimmungen kam, wissen die Verantwortlichen nicht.
Auf dem Inseli Geld verdienen, ist nicht gewünscht
Das Inseli zu bespielen, ist eine finanzielle Herausforderung. 80'000 Franken gibt es von der Stadt für drei Jahre. Schwierig, wenn gleichzeitig «möglichst nichts Kommerzielles» betrieben werden soll, bemängelt Schmid. «Das kann eine Uni mit öffentlichen Geldern finanzieren, wir nicht.»
«Das Verfahren ist nicht gerecht und nicht realistisch. Und das sage ich nicht als Verliererin.»
Diel Schmid Meyer
Um die Budget-Lücke zu schliessen, plante «Car*los» drei Festivals pro Jahr auf dem Inseli zu veranstalten. In einem Feedback der Planungsagentur «Temporär» wurden die Macher dafür kritisiert. Die Verantwortliche bei der Agentur kann sich an diese Rückmeldung erst nicht erinnern, als zentralplus sie darauf anspricht. Später fällt ihr die Nachricht auf erneute Nachfrage von zentralplus plötzlich wieder ein.
«Hier haben wir jedoch Bedenken, dass der Raum für die Veranstaltungen stark kommerzialisiert wird, während er in der veranstaltungslosen Zeit nicht ausreichend bespielt wird», schrieb die Verantwortliche in der E-Mail, die Diel Schmid zentralplus vorgelegt hat. Das ist verwunderlich: Denn auch die Konkurrenz-Projekte planen Kommerzielles.
Die Universität plant eine Studentenbar zu betreiben und das «Luzerner Dorf» eine Vielzahl von Kulturveranstaltungen. Beide Projekte wollen sich nicht dazu äussern, ob sie dafür ebenfalls Kritik erhalten haben. Für Schmid steht fest: «Die Anforderungen an die Zwischennutzung sind nicht realistisch.» Sie sei keine schlechte Verliererin, sondern sehe da ein grundsätzliches Problem.
Livia Schälli von der Stadt fordert Differenzierung. Das Inseli soll ein Ort «ohne Konsumzwang» werden. Es sei aber klar, dass es weitere Einnahmequellen brauche. Abgelehnt worden seien nur «rein gewinnorientierte Konzepte».
Die Abstimmung ist jetzt vorbei, die Gesamtbewertung folgt. Der Vergabeentscheid für die Zwischennutzung wird Mitte Januar gefällt. Ob Zwischennutzungen auch in Zukunft durch Online-Votings vergeben werden, ist unklar. «Das Inseli ist ein Spezialfall», betont Schälli.
- Mündlicher Austausch mit Diel Schmid Meyer
- Schriftlicher Austausch mit Livia Schälli
- Informationen zum Inseli in der Stadt Luzern
- Website Dialog Luzern
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