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Am Südufer des Ägerisees heulen derzeit unablässig die Motorsägen – während ein Floss im See Baum für Baum wächst. Das Flössen ist inzwischen europaweit einzigartig. zentralplus hat einen Augenschein genommen.
1500 Kubikmeter oder rund 600 Bäume, verteilt auf eine Fläche von knapp 9 Hektaren: Das gilt es für das Team um Tobias Hausheer, Förster und Betriebsleiter der Korporation Oberägeri, bis Anfang März zu holzen.
Was einen nichtsahnenden Laien womöglich ins Staunen versetzt, beeindruckt «Hölzige» – also solche, die mit der Holzwirtschaft vertraut sind – nicht übermässig. Und doch ist das gegenwärtige Motorsägen-Geheul am schattigen und steilen Südufer des Ägerisees Teil von etwas europaweit Einzigartigem.
Seit dem Mittelalter praktiziert
Es handelt sich bei dieser Arbeit um die sogenannte Flösserei. Auf dem Ägerisee wird sie seit Jahrhunderten praktiziert (zentralplus berichtete). Vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war sie in der Schweiz das Haupttransportmittel für Stammholz. Die Methode diente dazu, Holz aus abgelegenen Alpen- und Voralpenregionen über Flüsse und Seen zu städtischen und industriellen Zentren zu bringen, wie einer Webseite über das Flössen auf dem Ägerisee zu entnehmen ist.
Bei der Arbeit geht es darum, Bäume oberhalb des Sees zu fällen und sie die Hügel runter in das Gewässer rutschen zu lassen. Auf dem Wasser werden sie zu einem Dreiecksfloss verbunden und danach über den Ägerisee transportiert.
Es handelt sich dabei um eine Knochenarbeit, die selbst den urchigsten Holzarbeitern ein Funkeln in die Augen und ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Die Arbeiten finden nur alle paar Jahre statt. Derzeit ist es wieder der Fall. zentralplus zeigt dir mit diversen Aufnahmen, wie die Männer vor Ort arbeiten.
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Tobias Hausheer (links im Bild) ist schon lange in der Holzwirtschaft tätig. Heuer ist der in Walchwil wohnhafte Betriebsleiter der Korporation Oberägeri zum ersten Mal Hauptverantwortlicher für die zirka alle vier Jahre stattfindende Flösserei.
Die Holzschlag-Organisation, Koordination und nicht zuletzt die Arbeit mit den Medien gehören in diesem Jahr zu seinen Aufgaben. Das Interesse der Journalisten an dieser Art des Holzschlags ist beträchtlich: Nebst Vertretern der Lokalmedien war etwa auch das SRF zugegen.
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Das Holzen für die Flösserei ist Knochenarbeit und verlangt von Hausheers Mannen viel Körpereinsatz. Die zuschlagenden Bäume werden jeweils bereits im Frühjahr mit je drei Beilkerben angezeichnet. Beim Holzen im darauffolgenden Winter kommt vor allem die Motorsäge zum Einsatz. Mit ihr werden die Bäume (Tannen, Fichten, aber auch Laubhölzer wie Buche) gefällt, entastet und für das Reisten vorbereitet.
Inzwischen werden aber auch technische Hilfsmittel eingesetzt. Auf dem Bild oben links zu sehen ist ein Waldrapp – «eine Motorseilwinde auf einem Schlitten». Rechts im Ansatz zu erkennen: ein Rauptrac. «Diese Maschine funktioniert nach demselben Prinzip, ist einfach auf angetriebenen Rädern und hat zusätzlich ein Schild», erklärt Hausheer.
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Das Flösser-Team am Ägerisee besteht aus erfahrenen Forstwarten aus den Korporationen Unter- und Oberägeri. Auf dem Foto oben zu sehen sind von links nach rechts: Reto Betschart, Mathias Hürlimann, Stefan Rogenmoser (verantwortlich fürs Floss), Markus Nussbaumer, Pascal Schönmann und Förster Tobias Hausheer. Ebenfalls vor Ort, aber nicht zu sehen auf dem Bild: Lehrling Tim Schumacher.
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Auch das grösste Floss beginnt mit dem Fällen eines Baumes. Hier sägt Markus Nussbaumer die Fallkerbe heraus. Sie bestimmt, in welche Richtung der Baum fallen wird. Hier lohnt es sich, möglichst genau zu arbeiten. Denn wenn ein mehrere Tonnen schwerer Baumstamm erst einmal zu Boden gekracht ist, lässt er sich nicht mehr so leicht manövrieren. Damit der Baum auch tatsächlich bergwärts fällt, kommt zusätzlich der Waldrapp zum Einsatz. Mit seiner Hilfe wird der Baum zu Fall gebracht.
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Ist alles nach Plan verlaufen, dann liegt der geschlagene Baum in der vorgesehenen Fallkerbe und ruht gleichzeitig auf dem Stock. Nun können die Ägerisee-Flösser beweisen, wie sehr sie im Umgang mit der Motorsäge geübt sind. Es gilt nämlich, das untere Ende des Baumes in die Form einer halben Kugel zu sägen. Schliesslich soll der Stamm mit möglichst wenig Widerstand den Hang runtergleiten, bis in den See. «Reisten» nennen die Förster dieses Runtergleitenlassen.
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Mittlerweile ist der Stamm entastet und unten zu einer Halbkugel geformt. Jetzt muss er nur noch vom Stock weggedrückt werden. Dazu kommt eine Stockwinde zum Einsatz, wie es hier Reto Betschart demonstriert. Ein paar Mal kurbeln reicht im Idealfall, damit der Koloss ins Schlittern gerät – und die Holzer ein lautstarkes «Huuuät» von sich geben. Das heisst in der Förstersprache so viel wie «Gefahr von oben».
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War das Wetter in den ersten Januarwochen noch ideal, ohne Schnee, mit tiefen Temperaturen und durchgefrorenen Böden, so hat sich dies in den vergangenen Tagen zum Schlechteren verändert. Die Böden sind feucht und morastig. Nicht jeder Baumstamm schafft es bis in den Ägerisee. «Diese müssen ein weiteres Mal in Bewegung gesetzt werden», erklärt Hausheer.
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Gegenwärtig hinterlassen die mehrere Tonnen wiegenden Baumstämme tiefe Furchen im Land. «Darüber muss man mit dem Landpächter zwingend im Voraus reden», weiss Förster Hausheer. Nur so liessen sich Scherereien vermeiden. Im Hintergrund liegt Oberägeri: das Endziel des geschlagenen Holzes, das als Floss dorthin transportiert wird.
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Hat es der Baumstamm bis in den Ägerisee geschafft, kommt Stefan Rogenmoser zum Zug. Heuer ist er zum ersten Mal Hauptverantwortlicher für das Floss. Das heisst: Die Baumstämme mit dem 8 PS-starken Fischerboot zusammentragen, bündeln und in einem Floss verdichten. «Für mich geht damit ein Kindheitstraum in Erfüllung.»
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Schon ein Drittel des Holzes ist momentan im Floss gesammelt und treibt auf dem Ägerisee. Die Form des Flosses ist bereits erkennbar: Es läuft vorne zu einem Spitz zusammen. Hinten wird es mit einem Querriegel verschlossen. «Damit keine Baumstämme davontreiben.»
Gut 900 Kubikmeter Holz werden es am Schluss sein, ausschliesslich Tannen- und Fichtenholz. Denn Laubholz, besonders Buche, schwimmt nicht. Landet aber zum Teil im Zuge der Holzerarbeit auch im See. «In diesem Fall dient es dann als CO2-Speicher», meint Rogenmoser mit einem Augenzwinkern.
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Der Holzschlag im steilen Südufer des Ägerisees verlangt viel Fachkenntnis und ist arbeitsintensiv. Seit Sturm Lothar im Jahr 1999 die Holzpreise nachhaltig in den Keller geschickt hat, ist die harte Arbeit aber nicht mehr kostendeckend. Was wären die Alternativen? Holzen mit dem Helikopter oder ein Ausbau des Seewegs. Das und vieles mehr wurde geprüft.
Letztlich hat man sich am Ägerisee aber fürs Beibehalten der Tradition entschieden. Das Wissen und die Erfahrung über die traditionellen Holzerntetechniken des Reistens und Flössens sollen erhalten und weitergegeben werden. «Was wir hier machen, gibt es in Europa nirgends mehr», sagt Hausheer. Deshalb wird diese Art der Holzerei vom Kanton Zug und den Gemeinden Unter- und Oberägeri finanziell unterstützt.
Hinweis: Am 22. Februar bieten die Holzprofis einen Einblick in ihr Traditionshandwerk. Am 8. März findet die grosse Flossüberfahrt nach Oberägeri statt.
- Augenschein vor Ort
- Gespräch mit Tobias Hausheer, Förster und Betriebsleiter der Korporation Oberägeri
- Informationen auf der Homepage