Am Hirschenplatz 2 in der Luzerner Altstadt gehen Gäste schon lange ein und aus. Bereits 1474 gab es an dortiger Stelle ein Gasthaus. Mit der Zeit wurde das Gebäude als Hotel Hirschen bekannt, von welchem der davorliegende Platz seinen Namen erhielt. Touristen finden im altehrwürdigen Bau noch immer eine Herberge, auch wenn es das Hotel mittlerweile nicht mehr gibt.
Das Haus ist unlängst Schauplatz einer kuriosen Geschichte geworden. Das zeigt ein Baugesuch, das momentan öffentlich bei der Stadt Luzern aufliegt. Ein Apartmenthotel hat jahrelang am Hirschenplatz Touristen und Geschäftsleute empfangen. Ganz erlaubt wäre das aber vermutlich nicht gewesen – die Eigentümer wie auch die Stadt wussten es aber nicht.
Weiterlesen, sonst verpasst du:
weshalb ein aktuelles Baugesuch ein Apartmenthotel am Hirschenplatz betrifft, das seit 2017 existiert
warum die Eigentümerschaft die aktuelle Nutzung «legalisieren» möchte
was der Anwalt der Firma, die das Apartmenthotel betreibt, dazu sagt
Das Problem liegt im Register
Das ehemalige Hotel Hirschen gehört seit 2015 der Genfer Firma Sphinx Immobilier SA. Seit 2017 unterhält das Unternehmen am Hirschenplatz ein Apartmenthotel. Das ist rechtlich wohl nicht ganz sauber. Im Gebäuderegister sind die Apartments als Wohnungen klassifiziert. Die Nutzung der Räumlichkeiten als Objekte für Kurzzeitvermietungen wäre wohl folglich nicht erlaubt.
Mit dem aufliegenden Baugesuch möchte die aktuelle Nutzung «legalisiert werden», wie die Eigentümerschaft in der Begründung des Gesuchs schreibt. Die Apartments sollen neu als Beherbergungsbetrieb festgelegt werden.
Die Firma wie auch die Stadt haben lange nicht gemerkt, dass die Vermietung der Apartments nicht vollständig mit der erfassten Nutzung übereinstimmt. Der Anwalt Stefan Kölbener, welcher Sphinx Immobilier in der Angelegenheit vertritt, erzählt auf Anfrage von zentralplus, wie sich die ungewöhnliche Situation ergeben hat.
Beim Umbau kam es zum Missverständnis
Vor rund neun Jahren hat die Firma Sphinx Immobilier das ehemalige Hotel Hirschen einer Totalsanierung unterzogen. Die Zimmer wurden zu Apartments aus- und umgebaut, 2017 wurden die Arbeiten abgeschlossen. Die Eigentümerschaft habe aufgrund der Bezeichnung der Liegenschaft als «Hotel/Restaurant Hirschen» von Anfang an vorgehabt, ein Apartmenthotel zu betreiben. Bisher sei die Stadt damit einverstanden gewesen, so Kölbener.
Während des Sanierungsprozesses ist gemäss dem Anwalt aber ein Fehler geschehen. «Die Apartments sind falsch bewilligt worden.» Sie seien versehentlich als Wohnungen im Register notiert worden. Vor zwei Jahren habe die Eigentümerschaft den unstimmigen Eintrag erkannt. Damals habe eine neue Firma die Bewirtschaftung der Apartments übernommen. Diese habe gemerkt, dass irgendwas nicht ganz stimme, erklärt der Anwalt.
Die Behörden geben sich kooperativ
Sogleich habe man den Kontakt mit den Behörden gesucht und gefragt, wie die Situation bereinigt werden könnte. «Bei der Stadt waren sie überrascht. Alle gingen davon aus, mit dem Apartmenthotel wäre alles in Ordnung», erklärt Kölbener. «Sie waren froh, dass wir sie auf die Unstimmigkeit aufmerksam gemacht haben.»
Die Verantwortlichen in der öffentlichen Verwaltung seien entsprechend sehr offen gewesen und hätten empfohlen, ein Gesuch zur nachträglichen Nutzungsänderung zu stellen, erzählt der Anwalt weiter.
Wegen der Initiative zur Reglementierung von Airbnb, welche das Luzerner Stimmvolk 2023 angenommen hat und im Juni vom städtischen Parlament definitiv umgesetzt wurde, stoppte die Stadt die Behandlung solcher Gesuche aber 2022 (zentralplus berichtete). Sie wollte abwarten, bis die Rechtslage zur Vermietung von Apartments wieder klar ist. Deshalb liegt das Gesuch erst jetzt auf.
Gesuch hat gute Chancen
Der Anwalt geht davon aus, dass das Gesuch bewilligt wird. Erstens seien alle baulichen Vorgaben bereits erfüllt. Zweitens sei im vorliegenden Fall entscheidend, dass die faktische Nutzung seit dem Umbau 2017 dieselbe gewesen sei wie vor der Sanierung. Und drittens sei das Apartmenthotel ein Paradebeispiel dafür, was gemäss dem neuen Airbnb-Reglement gerade noch zulässig sei, so Kölbener.
Würde das Gesuch abgelehnt, käme Sphinx Immobilier in arge Not, sagt Kölbener: «Die Eigentümerschaft müsste das Gebäude wohl verkaufen. Etwas anderes als Apartmentvermietung rentiert nicht.» Die Sanierung war aufgrund der historischen Bausubstanz kostspielig. Würden die Räumlichkeiten als normale Wohnungen angeboten, müssten extrem hohe Mieten verlangt werden, um die Hypothekarzinsen decken zu können, führt Kölbener aus.
Die Krux mit historischen Häusern
Aus Sicht des Anwalts ist es überdies im Sinne der Stadt, wenn das Apartmenthotel weiter besteht. «Die Vermietungen sind eine Möglichkeit, das geschichtsträchtige Gebäude zu erhalten und es zeitgleich wirtschaftlich zu nutzen. Wenn das nicht geht, besteht die Gefahr, dass das Haus verfällt.»
Wie das Ganze ausgehen wird, ist noch offen. Die Stadt sagt auf Anfrage, dass sie keine Auskunft zu hängigen Fällen geben dürfe. Klar ist hingegen, dass eine solche Geschichte wohl nur die Schweizer Bürokratie hervorbringen kann: Ein Apartmenthotel, das keines ist, soll eines werden, damit es eines bleiben kann.
Nathan Affentranger ist seit März 2024 Praktikant bei zentralplus. Er hat einen Entlebucher Dialekt, eine Antipathie für Beamtensprache und ein Masterdiplom in Philosophie. Am liebsten schreibt er über die kleinen Absurditäten des Alltags.