Neues Angebot für Cham

Handarbeit: Zuger Glacéproduzent will neuen Trend setzen

Der Autodidakt und seine Glacé-Kreationen: Sebastian Behrens. (Bild: cbu)

In Cham hat sich ein neuer Glacéproduzent angesiedelt. Mit selbstgemachter Glacé will ein Zuger Ehepaar eine Trendwende weg vom Industrieprodukt und zurück zur Handarbeit einleiten. Dabei setzen sie vor allem auf lokale Kundschaft.

Wer in Cham Gluscht auf Glacé bekommt, hatte bisher eine gute Anlaufstelle am Dorfplatz. Schon seit 2006 verkauft Luzia Schicker hier im Café Luzia nebst Wähen und Sandwiches regional hergestellte Glacé. Nun hat die Stadt einen zweiten Treffpunkt für Schleckmäuler bekommen.

Nur wenige Gehminuten vom Bahnhof und vom Café Luzia entfernt, bei der Zugerstrasse 17 im Neudorf Center, eröffnete Ende März dieses Jahres die «iis-chue» und damit ging ein Traum des Besitzerpaars Sabine und Sebastian Behrens in Erfüllung.

Ihr Glacéladen findet sich etwas versteckt auf der Rückseite des Neudorf-Einkaufszentrums, in Richtung der Städtli-Schulhäuser. Zuvor war hier schon eine Confiserie ansässig, die Schokoladenkreationen verkauft hat. Heute gibt es an dieser Adresse wieder etwas fürs Gemüt (und die Hüften).

Als wir Sebastian Behrens an einem Mittwochnachmittag besuchen, ist das Lokal noch leer. Der relativ grosse Innenraum wirkt etwas karg – coronabedingt. «Wir wollten in der Ecke ein paar gemütliche Sessel hinstellen», erklärt uns Behrens. Wegen der 1,5-Meter-Abstandsregelung wurde die Idee vorläufig auf Eis gelegt. Aber Behrens ist sich auch bewusst: «Die meisten Gäste nehmen ihr Glacé mit und sitzen nach draussen.»

Inspiriert durch die USA

Direkt gegenüber der Eingangstüre steht auch schon das Kernstück des Betriebs: die Glacétheke. Das geneigte Schleckmaul kann aus aktuell 17 Sorten aussuchen. Darunter Klassiker wie Erdbeere, Schokolade und Vanille, aber auch Cookie Dough (Kuchenteig) und vegane Rahmglacés. Sorbets gibt es keine. Ganz bewusst. Behrens’ Kreationen orientieren sich eher an den amerikanischen Ice Creams, die dank einem höheren Rahmanteil zwar «schwerer» sind, dafür aber auch cremiger und intensiver im Geschmack.

Monatlich will Behrens zudem eine spezielle Sorte anbieten, um auch die eigene Entdecker- und Experimentierfreude zu befriedigen. Diesen Monat steht Heidelbeere-Sauerrahm auf dem Programm. «Bei geselligen Abenden mit Freunden kommen manchmal spannende Zutaten zur Sprache», so der 42-Jährige, «Und dann denke ich mir, dass man daraus bestimmt etwas machen könnte.»

In einer Zeit nach Corona-Abstandsregelungen wird dereinst noch eine Sitzecke eingerichtet. (Bild: cbu)

Beigebracht hat er sich das Wissen rund um die Glacéherstellung autodidaktisch zuhause mit einer kleinen Glacémaschine und später über Kurse. Von der Idee bis zur konkreten Ladeneröffnung vergingen rund drei Jahre. «Wir haben uns diesen Schritt genau überlegt. Irgendwann sind wir aber an den Punkt gekommen, wo der Entscheid fiel: Lass es uns machen.»

Mit Cham als Standort fand man einen Ort, der nicht zu touristisch ist – die Betreiber setzen eher auf lokale, wiederkehrende Kundschaft – sondern auch nahe an Sabine Behrens’ Heimat Steinhausen liegt.

Von der Heimmaschine zum Industriegerät

Frei von der Leber weg erzählt Sebastian Behrens von der täglichen Arbeit im Glacéladen, führt uns auch in das Labor, wie Italiener den «Ort des Geschehens» nennen. Labor scheint auch ein passender Begriff zu sein. Heute ist hier alles klinisch rein, denn produziert wird an drei spezifischen Wochentagen – je nach Andrang auch an vieren.

Nebst einem Tisch finden sich hier mehrere Kühlschränke, Regale mit sauber geordneten Zutaten und natürlich das Herzstück: die Eismaschine. An der Wand hängen noch zwei weitere Starkstromsteckdosen. «Falls wir irgendwann mehr Eismaschinen brauchen – der Strom wäre schon da», so Sebastian Behrens schmunzelnd. In einem Regal steht auch die Maschine, mit der alles begann: die kleine Glacémaschine für den Heimgebrauch.

Sie ist nicht nur ein Erinnerungsstück für die Anfangsphase, sondern kommt auch heute noch zum Einsatz. «Wenn wir neue Sorten ausprobieren möchten, tun wir das mit der kleinen Maschine, damit wir im schlimmsten Falle nicht einen 10-Liter-Behälter wegwerfen müssen.»

Die kleine Glacémaschine, mit der alles angefangen hat, kommt bis heute noch zum Einsatz. (Bild: cbu)

In diesem Labor ist Sebastian Behrens ganz in seinem Element. Er stemmt die ganze Glacéproduktion im Alleingang. Ehefrau Sabine kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und das Administrative. Für den Frontbetrieb helfen mehrere Studenten im Stundenpensum mit oder Sebastian Behrens selbst, wenn er nicht gerade in der Produktion tätig ist. «Ich schätze den direkten Austausch mit den Kunden.» Seit der Eröffnung habe man mit gewissen schon eine Art «Beziehung». Und je besser man die Leute kennt, desto ehrlicher sind auch die Feedbacks. «Konstruktive Kritik ist uns sehr wichtig, denn wie sonst sollten wir uns verbessern können?»

Durch eine grosse Fensterfront können Besucher des Neustadt-Zentrums direkt ins Labor sehen. Für Behrens ein Vorteil. «Wir haben nichts zu verstecken und möchten auch, dass Kunden sehen, dass wir hier alles selbst und von Hand machen.» Die Faszination für das Handwerk und die Materie ist bei Behrens spürbar. So sagt er denn auch plötzlich: «Ich habe den tollsten Job der Welt.» Auch wenn er zugibt, etwas weniger Glacé zu essen, seit er den Laden eröffnet hat.

Bio und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund

Worauf Behrens besonders hohen Wert legt (und das auch mehrfach betont) ist die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Regionalität. «Wir arbeiten, wo es nur geht, mit lokalen Lieferanten zusammen.» Milch, Rahm und Joghurt bezieht er von der Molkerei Höhn auf dem Hirzel, Schokolade von Felchlin in Schwyz. Auch bei den Früchten setzt er auf saisonale Produkte und lokale Produzenten. Eine einzige Ausnahme bilden hierbei die Erdbeeren. «Erdbeerglacé ist derart beliebt, das haben wir von März bis Oktober im Sortiment.» Darum benutze man hierfür aussersaisonal auch tiefgefrorene Schweizer Erdbeeren.

«Wir wollen weg vom Convenience-Food zurück zum natürlichen Geschmack.»

Sebastian Behrens, Mitinhaber «iis-chue»

Der Biogedanke, die Nachhaltigkeit und die Liebe zum Selbstgemachten sind denn auch die Kernpunkte in Behrens Philosophie. «Wir wollen zeigen, dass es eben nicht nur eine Art Glacé gibt.» Er möchte den Leuten ins Bewusstsein bringen, dass es nebst den weit verbreiteten industriell gefertigten Produkten auch einen Markt fürs Hausgemachte gibt. «Wir wollen weg vom Convenience-Food zurück zum natürlichen Geschmack.»

Für die nahe Zukunft will Behrens weitere regionale Partner ins Boot holen, seien es Restaurants, Bäckereien oder Lädelis. «Wir wollen uns noch stärker in der Region und im Kanton Zug verankern.» Aktuell kriegt man die «iis-Chue»-Glacé nebst dem Lokal in Cham auch beim Hofmärcht Lättich und in der Strandbadi in Zug. Auf Bestellung stellt er auch Wunschglacés her.

Im Verbund gegen Detaillisten

Während unseres Gesprächs blickt auch plötzlich die Sonne durch die Wolkendecke. Und mit dem Sonnenlicht füllt sich das Lokal allmählich. Kinder, Familien, Teenager – sie alle wollen sich den Nachmittag versüssen. Und diese spontane Laufkundschaft ist auch einer der Gründe, warum Behrens das Lokal das ganze Jahr hindurch geöffnet haben wird. Auch im Winter. «Wer A sagt, muss auch B sagen.» Sie seien sich bewusst, dass im Winter weniger Kundschaft vorbeischauen werde. «Deswegen planen wir derzeit andere Konzepte und ein auf die Jahreszeit abgestimmtes Angebot.»

Damit auch die Kleinsten die Auswahl betrachten können, gibt es extra einen Schemel. (Bild: cbu)

Knapp ein halbes Jahr nach Eröffnung zieht Behrens ein gutes Fazit für die «iis-chue». «Wir sind positiv überrascht und fühlen uns bereits gut integriert und angenommen.» Und das, obwohl die Pandemie als auch der eher verregnete Sommer es den beiden Betreibern nicht gerade einfach gemacht hat. Dass es in der unmittelbaren Nähe noch einen Anbieter für selbstgemachte Glacés gibt, stört ihn nicht. Zum einen, weil die Schwerpunkte bei den jeweiligen Glacés anders liegen und zum anderen, weil Cham in den kommenden Jahren auch wachsen und damit mehr potenzielle Kundschaft generieren wird.

Und die eigentliche Konkurrenz, so Behrens, habe er im Rücken und er meint damit die im Neudorf ansässigen Grossverteiler Coop und Migros, die nach seinen Aussagen rund 85 Prozent des Markts mit mehrheitlich industriell gefertigten Glacés dominieren. «Wir ‹Kleinen› müssen zusammenhalten.» Letztlich hängt ein Geschäftserfolg aber von der Qualität ab und von dieser ist Behrens bei seinen «Swiss Ice Creams» überzeugt. Und mit einem Blick auf die Warteschlange, die sich in der Zwischenzeit gebildet hat, offenbar auch die Kundschaft.

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