Serie: Zug und seine «lingua franca» (3)

Great! Im «Pickwick» kann man beim Biertrinken Englisch lernen

«Cheers!» Sie haben ihren Feierabend-Fun im Mr. Pickwick Pub (von links): Jason, Gino, Thomas, Vanessa und Richard.

(Bild: woz)

Wer in Zug lebt, muss eigentlich nicht in eine Language School ins Ausland reisen, um Englisch zu lernen. Der «Mr. Pickwick Pub» beim Bahnhof ist ein hervorragendes Sprachlabor – wo man sich bei einem kühlen Ale – schwupps! – in einen «English speaker» verwandelt. Great!

So wird man zum «Englishman» in Zug von Null auf Hundert. Wer hätte das gedacht, really! Bevor ich ins «Pickwick» gehe, schiesse ich noch ein paar Bilder von aussen. Dabei habe ich nicht die Rechnung mit Vanessa gemacht, die draussen an einem der Tischchen vor dem Pub steht und mit einigen Herren am Klönen ist. Sie bürgert mich quasi sofort ein. Trotz Brexit.

Herrenwitz der klassischen Sorte

«Why do you make pictures of us?», sagt die Endvierzigerin aus U.K. und schaut mich prüfend an. Als ich ihr auf Englisch erkläre, dass ich eine Reportage über das «Pickwick» mache, sagt sie grinsend: «You know these two guys shouldn’t be on the picture, because their wives don’t know they are here!» Ein Herrenwitz der klassischen britischen Sorte. Alle wiehern vor Heiterkeit und prosten sich gleich mal zu.

Und schon bin ich mitten unter ihnen. Alle kommen irgendwie aus den Midlands in Grossbritannien. Vanessa, die herzlich Gewiefte, arbeitet für ein australisches Reisebüro namens Science und versichert, dass ihr Vater früher ein grosses Tier beim Fussballclub Wolverhampton Wanderers gewesen sei.

Irgendwie fühle ich mich, als ob wir uns schon zehn Jahre kennen würden – dabei habe ich gerade erst vor zwei Minuten an ihrem Tisch angedockt. Incredible! Isn’t it?! Dann prosten sie sich alle wieder zu, und ich merke plötzlich, dass ich immer noch auf dem Trockenen bin.

Bierzapfen macht Laune: Jessica und Sascha in Halloween-Montur.

Bierzapfen macht Laune: Jessica und Sascha in Halloween-Montur.

(Bild: woz)

Also, rein ins Pub und ein sahniges Guinness bestellt. «What kind of football club is this?», fragt mich plötzlich ein anderer Herr des englischen Königreichs und zupft an meinem königsblauen Schal. «You know, I am from Sunderland. They got relegated again last season», lässt Steve wissen. Will heissen: Die Rot-Weissen sind abgestiegen in die zweite Liga und dort bereits auf dem besten Weg in die dritte.

«It’s just a question of money», klagt der Geordie mit seinem toughen Northern accent und nimmt einen tüchtigen Schluck aus dem Glas. Er komme jeden Freitag ins «Pickwick» und setze sich hier in den «Swiss Corner». Auch bei ihm fühle ich mich sofort irgendwie heimisch – obwohl er noch keine Sekunde gefragt hat, wer ich wirklich bin. Fantastic!

«You know, I think in Zug there is really no necessity of speaking any other language than English.»

Steve aus Sunderland

Bei Steve bleibe ich länger hängen. Weil er mir in fünf Minuten seine Lebensgeschichte auftischt. Er ist seit einem Jahr hier in Zug als Expat. Allein. Ohne seine drei erwachsenen Töchter. Und ohne seine Ehefrau. «Is that not hard for you without your wife?», will ich von ihm wissen. Er lächelt.

«We have been married for 30 years – you know what I mean. Apart from that we are seeing each other every four weeks», beteuert er. Unglücklich scheint er wirklich nicht zu sein. Kein Wunder: Das Bier strömt mittlerweile in Strömen im «Pickwick». Man fühlt: Das ist Steves Oase.

«Ain bissgen!»: Schon so viel Deutsch kann Steve aus Sunderland, der als Expat in Zug arbeitet.

«Ain bissgen!»: Schon so viel Deutsch kann Steve aus Sunderland, der als Expat in Zug arbeitet.

(Bild: woz)

«You know, I think in Zug there is really no necessity of speaking any other language than English», versichert Steve und bekennt, dass er eigentlich auch «ain bissgen» Deutsch sprechen könne. Wobei er mit seinem Finger andeutet, wie wenig dieses «ain bissgen» ist.

Seine Zechkumpanen um ihn herum geraten sofort ins Grinsen. «You shouldn’t show it like that, Steve, otherwise one thinks it is only that short», sagt einer der Umstehenden. Derber englischer Humor, aber alle haben ihren Fun.

«Are you going to stay longer tonight?»

Ich weiss inzwischen wirklich nicht mehr, wer ich vor einer halben Stunde war. Wahrscheinlich irgendsoein langweiliger, von der Woche ausgelaugter Bürohengst. Doch schon 20 Minuten im «Pickwick» haben mich in einen anderen, lebenslustigeren Typen verwandelt. Der lockere Smalltalk lässt alles Schwere an einem abperlen. Die pure Lebenslust erwacht.

Emma vom Bar-Staff beim Biergläser-Stacking.

Emma vom Bar-Staff beim Biergläser-Stacking.

(Bild: woz)

Emma, eine der freundlichen Bar-Staff-Mitarbeiterinnen, trägt gerade einen Turm an leeren Biergläsern an den Tresen zurück. Hardware-Nachschub. Jessica, ihre Kollegin, lacht über beide Backen und zapft mir ein frisches Guinness ein.

«Are you going to stay longer tonight?», fragt sie mich und schiebt nach: «It will be a really long night today and a lot of work as every Friday», ist sie überzeugt. Ihrer Laune scheint dies gar nicht abträglich zu sein. Im Gegenteil. Schon lacht sie wieder und verströmt «good vibrations».

Soundcheck und Formel 1

Inzwischen massieren die ersten Klänge vom Soundcheck der Band Maraphon, «the Alternative Cover Band», die Synapsen der Gäste. Sängerin Mara Fries steckt noch in ihrer Wollweste während des Warm-ups. «Sie können uns aber ruhig auch jetzt schon fotografieren.»

Im Hintergrund rast derweil der Baarer Kimi Räikkönen in seinem Ferrari über den Formel-1-Kurs beim Grand Prix von Mexiko. Fussball ist heute Abend nicht angesagt. Doch Sport ist natürlich das dominierende Thema bei vielen Gästen im «Pickwick».

Formel 1 auf dem Screen, heisse Rhythmen mit den «Maraphons»: Im «Pickwick» ist für alle Geschmäcker etwas dabei.

Formel 1 auf dem Screen, heisse Rhythmen mit den «Maraphons»: Im «Pickwick» ist für alle Geschmäcker etwas dabei.

(Bild: woz)

Bis die Musik anfängt zu rocken, gehe ich nochmals raus zu Vanessa und Thomas. Zu ihnen hat sich inzwischen Gino alias Jeffrey Ricciardi gesellt. Der gebürtige Italiener und frühere Eishockey-Nationalliga-A-Spieler vom EHC Biel ist ganz easy drauf.

Gino und Gelsenkirchen

Er erzählt ansatzlos von seinem ehemaligen Job bei einer Schweizer Bank in Frankfurt. Und von seinem früheren Boss, der ihn immer gezwungen habe, mit ihm nach Gelsenkirchen zum Fussball zu fahren.

«Wie kann man bloss als Allgäuer für einen Fussballklub im Norden fanen?», fragt er mich und lässt meinen Schal durch die Finger gleiten. Dann lädt er mich spontan zu einem Pint Guinness ein. Als wäre ich seit Jahren sein bester Pubkollege. Irre! Ich habe inzwischen schon vergessen, das wievielte Bier das nun schon ist.

«Das Publikum ist wohl zu 60 Prozent Schweizer und 40 Prozent Expats.»

Sascha vom Bar-Staff

So langsam überlege ich mir, ob ich heute Abend wirklich noch nach Hause soll. Im «Pickwick» fühlt man sich tatsächlich wie im zweiten Zuhause. Sascha an der Bar, ein junger Schweizer, versichert, dass sich sehr viele Eidgenossen im «Pickwick» wohlfühlen. «Das Publikum ist wohl sogar zu 60 Prozent Schweizer und 40 Prozent Expats», meint er lächelnd, während er ein weiteres Dunkelbraunes in mein Glas fliessen lässt.

Südstaaten-Slang

Nun bemerke ich auch Justin. Der junge muskulöse Amerikaner aus Atlanta ist mit seinem stakkatoartigen Südstaaten-Slang nur schwer zu verstehen. Auch er ist bester Laune. Er mustert ein paar Girls an der Bar. Dann kommt er plötzlich auf die Politik zu sprechen. «You know, I didn’t vote for Trump», versichert der frühere American Footballer. Steve winkt nur ab und erwidert in bester Bierlaune: «Brexit is a really good thing.» Wieder wiehern alle.

Na ja, Hauptsache, es gibt noch keinen Brexit im Mr. Pickwick Pub. It would be horrible if this place didn’t exist in Zug anymore!!!

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