Spazieren direkt am Ufer? Wohl kaum.

Geplanter Weg um den Baldeggersee ist ein wackliger Kompromiss

Das Ziel, einen ufernahen Weg um den Baldeggersee zu bauen, wird mit dem Kompromiss nicht erreicht. (Bild: Claudio Brentini)

Über den geplanten Rundweg um den Baldeggersee wird seit Jahren gestritten und diskutiert. Ufernah sollte er verlaufen – das war von Beginn weg das Ziel des Vereins, der das Projekt vorantreibt. Diese Woche verkündeten die Initianten freudig, eine Lösung sei gefunden. Bei genauer Betrachtung ist diese Formulierung etwas gar optimistisch.

Der Rundweg soll dereinst die bereits bestehenden Wegabschnitte ergänzen und so den ganzen See umrunden. Ufernah notabene. Darauf haben die Gemeinden und der Verein Rundweg Baldeggersee, der mit der Planung und Umsetzung beauftragt war, von Anfang an grossen Wert gelegt.

Um dieses Ziel zu erreichen, wurde früh das Wort «Enteignung» in den Mund genommen. Dies für den Fall, dass die Grundeigentümer ihr Land nicht für eine solche Variante zur Verfügung stellen wollten. Mittlerweile ist von der Forderung «ufernah» jedoch nicht viel geblieben. Und von Enteignung will niemand mehr reden.

Immer wieder musste die Linienführung angepasst und verändert werden. Auch, weil das Gebiet unter besonderem, kantonalen Schutz steht und ganz unterschiedliche Anliegen zum Tragen kommen.

Römerswil zum Beispiel kam Petitionären entgegen, die einen sicheren Schulweg forderten. Die Gemeinde hat den Seeuferweg an die Strasse verlegt. Das freute die Seemattli-Hausbesitzer am Südende des Sees. Sie wehrten sich ebenfalls gegen eine ufernahe Lösung – zumindest in ihrem Gebiet. Nun sind sie fein raus.

Somit führt der geplante Weg jetzt zwischen Nunwil und Tempikon der Seestrasse entlang. Beim Abschnitt zwischen Stäfligen und Retschwil – wo teilweise bereits ein Geh- und Radweg existiert – verzichtete Hitzkirch auf den Bau eines ufernahen Wanderweges. Zu gross war hier der Widerstand der Grundeigentümer. Ufernah wird also höchstens noch ein kurzes Stück zwischen Retschwil und Tempikon. Zudem bleibt noch ein rund 200 Meter langes Wegstück bei der Badi Gelfingen ungeklärt.

Übersichtskarte vom Baldeggersee

Ultimatum ist abgelaufen – und doch gibts weitere Verzögerungen

Die vielen Verschiebungen von angekündigten Eröffnungsdaten des Weges in den letzten Jahren hatte den Verein Rundweg Baldeggersee im Sommer dazu bewogen, ein Ultimatum zu stellen: Bis am 12. September sollten die Seeanstössergemeinden und der regionale Entwicklungsträger Idee Seetal «einen substanziellen Fortschritt auf politischer Ebene» erzielen.

Das Wegprojekt sollte, so das Ziel, im Winter 2020/21 aufgelegt werden. Der Verein würde dann, so hiess es in einem offenen Brief vom Juli, an einer ausserordentlichen GV darüber entscheiden, ob er sich vom Leistungsauftrag zurückziehen werde.

«Der Verein Rundweg Baldeggersee ist einerseits enttäuscht, aber auch zufrieden.»

Urs Meyer, Präsident des Vereins

Das Ultimatum ist abgelaufen. Urs Meyer, Präsident des Vereins, vertröstete «zentralplus» auf Nachfrage zunächst auf Ende Oktober. Dann nämlich würde eine Medienmitteilung verschickt. Diese liegt nun vor und wiederholt eigentlich das, was eh schon klar war.

Neu ist lediglich, dass der Gemeinderat Hitzkirch beschlossen habe, für das kurze Teilstück bei der Badi Gelfingen eine Lösung zu präsentieren. Im Herbst 2021 notabene. Die geplante Auflage im Winter 2020/21 kann somit nicht umgesetzt werden, zumindest nicht für alle Wegabschnitte.

Gemeinsame Mitteilung – und einer der Partner weiss von nichts

«Der Verein Rundweg Baldeggersee ist einerseits enttäuscht, aber auch zufrieden», schreibt dieser in der Medienmitteilung. «Enttäuscht, weil ein uralter Wunsch der Seetaler Bevölkerung sowie eine behördenverbindliche Forderung im regionalen Richtplan nicht vollständig erfüllt werden.» Damit ist wohl der ufernahe Aspekt gemeint. «Erfreut, weil mit der vorgesehenen Lösung ein wesentlicher Teil des Zweckartikels seiner Statuten – Realisierung eines durchgehenden Rundweges um den Baldeggersee – erfüllt wird.»

«Wir haben grundsätzlich einem Kompromiss zugestimmt, aber unter bestimmten Bedingungen.»

Samuel Ehrenbold, Pro Natura

Weiter schreibt der Verein: «Da die meisten betroffenen Grundeigentümer wie auch Pro Natura hinter der vorgeschlagenen Lösung stehen, sollte einer baldigen Realisierung nichts mehr im Wege stehen.»

Interessanterweise erfuhr Samuel Ehrenbold von Pro Natura erst durch die Nachfrage für diesen Artikel von der Medienmitteilung. Und das obwohl die Naturschutzorganisation und Besitzerin des Baldeggersees explizit darin erwähnt wird. Entsprechend konnte er nicht dazu Stellung nehmen.

Pro Natura hat offene Fragen

Für Pro Natura seien aber nach wie vor einige Punkte nicht geklärt, wie Ehrenbold betont. «Wir haben grundsätzlich einem Kompromiss zugestimmt, aber unter bestimmten Bedingungen», sagt er.

Unter anderem fordert die Naturschutzorganisation, dass wirksame Massnahmen getroffen werden, die einen künftigen Ausbau des ufernahen Teilstücks – sprich eine Verlängerung nach Norden oder Süden – verhindern. Zudem muss der Ausbau des Trampelpfads in der Naturschutzzone mittels Ersatzfläche kompensiert werden.

Der angekündigten Aufweichung der Kantonalen Schutzverordnung stimmt die Umweltorganisation keineswegs einfach so zu. Sie ist aber eine der Massnahmen, die zwingend nötig sind, damit überhaupt ein Weg in der Schutzzone gebaut werden kann. «Wir werden ganz genau hinschauen, dass die Veränderung der Schutzverordnung spezifisch den geplanten Wegabschnitt betrifft und nicht genereller Natur ist», kündigt Ehrenbold an. Und auch der Abschnitt Badi Gelfingen ist für Pro Natura nicht geklärt: «Ein weiterer Weg in der Naturschutzzone ist für uns keine Option.»

Der Verein gibt die Hoffnung auf einen Uferweg nicht auf

«Dass die Gemeinden sich nun klar geäussert haben, den Weg zu planen sowie aufzulegen und sich damit zum Rundweg bekannt haben, war für uns wichtig», betont Vereinspräsident Urs Meyer. Sein Verein handle im Auftrag der Gemeinden und des regionalen Entwicklungsträgers. Darum sei es essenziell, dass diese die Planung vorantreiben.

Ein Aspekt des Zweckartikels des Vereins sei nun erfüllt. «Der zweite, dass der Weg ufernah umgesetzt werden soll, ist noch nicht umgesetzt.» Noch nicht? «Unser Verein bleibt bestehen und ja, ich stehe dazu: Noch nicht», so Urs Meyer.

«Schlussendlich müssen diese Grundeigentümer ihr Okay geben für einen Weg entlang des Sees.»

Elmar Lang, IG Weitsicht

Für die Grundeigentümer ist übrigens auch noch nicht alles klar. Das sagt Elmar Lang von der IG Weitsicht auf Anfrage von zentralplus. Seine Organisation setzt sich für einen durchgehenden Weg entlang der Strasse ein. Und zwar weil ein solcher aus ihrer Sicht für mehr Anspruchsgruppen wie Velofahrer, Skaterinnen und Jogger geeignet ist. Es seien noch einige Fragen offen bei den Betroffenen, meint er. Das habe ein Treffen kürzlich gezeigt. «Schlussendlich müssen diese Grundeigentümer ihr Okay geben für einen Weg entlang des Sees.»

Kanton übernimmt Führung

Hilfreich ist gemäss Vereinspräsident Meyer, dass der Kanton nun bei der Auflage die Federführung übernehmen wird. Dies mittels eines sogenannten koordinierten Verfahrens.

«Der Kanton wird das Projekt in den Gemeinden auflegen und auch die Einspracheverhandlungen führen.» Mit dem Projekt werde auch die angepasste Schutzordnung öffentlich aufgelegt, die in der neuen Variante einen Wanderweg in der Naturschutzzone zulassen wird. Die genaue Formulierung stehe aber noch nicht fest.

Der Titel der Medienmitteilung «Seerundweg Baldeggersee – Lösung gefunden» ist also alles in allem eher irreführend. Oder zumindest ungeschickt formuliert, wenn man bedenkt, dass Hitzkirch erst im Herbst 2021 für den Abschnitt Badi Gelfingen eine Lösung präsentieren wird und bei den Grundeigentümern sowie bei Pro Natura noch Fragen offen sind.

Das Hin und Her und die Missverständnisse, gehen also weiter. Die Hürden für das Projekt sind nach wie vor hoch. Man darf zum Beispiel gespannt sein, wie viele Einsprachen gegen das Projekt sowie die angepasste Schutzordnung eingehen werden. Aber auch wenn alle Hürden genommen und mit dem Bau dieser Kompromissvariante begonnen werden kann, haben weder der Verein Rundweg Baldeggersee noch die IG Weitsicht ihr Ziel mit dieser Lösung erreicht. Noch nicht.

Der Baldeggersee ist ein beliebtes Ausflugsziel im Luzerner Seetal. (Bild: Claudio Brentini)
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3 Kommentare
  • Profilfoto von paul
    paul, 28.10.2020, 11:43 Uhr

    fast schon peindlich das ganze.

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  • Profilfoto von CScherrer
    CScherrer, 28.10.2020, 10:56 Uhr

    Bleibt die Frage, ob jeder Löli mit seinem Bike etc. um den See radeln muss. Die Tierwelt würde es wohl begrüssen, wenn dem nicht so wäre.

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  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 28.10.2020, 08:06 Uhr

    Private Grundeigentümer kann es per Gesetz im Uferbereich gar keine geben. Denn der Uferbereich ist per Gesetz geschützt und kann und darf de iure gar nicht privatisiert werden. Leider hat war dies in der Vergangenheit nicht von Interesse und die zahlungskräftige Oberschicht hat sich durchgesetzt. In der Westschweiz klagt der Verein «rives publiques» des Öfteren sehr erfolgreich gegen privatisierte Uferbereiche. Vielerorts mussten dies gem. Gerichtsbeschluss wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bundesrecht durchsetzen muss auch hier die Devise lauten!

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