Verschwundene Geiss wirft Fragen auf

Geklaut? Gerettetes Geissböckli in Neuheim vermisst

Die Geiss Yang wird schmerzlich vermisst. Zuletzt gesichtet wurde sie in der Gemeinde Neuheim. (Bild: zvg)

In Neuheim wird seit über einer Woche eine Geiss vermisst. Es handelt sich nicht um irgendein Tier, sondern einen Geissbock, der von seiner Besitzerin vor der Schlachtbank gerettet wurde. Sie hat einen schlimmen Verdacht.

Eigentlich wäre die Geschichte von «Yang» eine bilderbuchhafte. Das hübsche kastrierte Böcklein, in welchem auch die seltene Rasse Pfauenziege drinsteckt, wurde zusammen mit seiner Schwester «Lotti» von seiner Halterin freigekauft, als die beiden noch «Gitzi» waren. «Sonst wären sie beim Metzger gelandet», erklärt Tamara Lucatelli auf Anfrage. Sie habe schlicht nicht anders gekonnt. Dies, obwohl sie selber gar keinen Bauernhof führt.

Sie zog die beiden im Februar geborenen Tiere mit der Flasche auf und liess sie auf einer grossen Weide in der Zuger Gemeinde Neuheim sömmern. Die Weide wird von Ivo Zürcher betrieben, der auch das Tierheim Stotzenboden in Sihlbrugg führt. Seine eigenen Ziegen hält er ebenfalls dort. Täglich werden die Tiere durch eine Anwohnerin betreut. «Wenn es einer Geiss nicht gut geht oder sonst etwas ist, bekommen wir rasch Bescheid», so Lucatelli. So weit, so idyllisch.

Alle Register gezogen, doch vergebens

Doch vor rund einer Woche, als die Geissen von der Sömmerungsweide geholt werden sollten, war «Yang» spurlos verschwunden. «Leider wissen wir nicht genau, wann er verschwand. Denn ein paar Tage zuvor wurde seine Schwester Lotti von Ivo Zürcher abgeholt und ins Tierspital gebracht, da sie krank war. Dass auch Yang fehlte, fiel daher nicht sofort auf. Die Nachbarin, die sich um die Tiere kümmert, dachte, Ivo habe gleich beide Geschwister mitgenommen.»

Sofort meldete sich Lucatelli bei der Polizei sowie beim zuständigen Wildhüter. Diese wussten von nichts. Ivo Zürcher befragte währenddessen die Nachbarschaft und suchte die nahe Umgebung ab. Ohne Erfolg. Niemand hatte das Tier gesehen, es gab keine Hinweise. Daraufhin veröffentlichte die Lucatelli einen Facebook-Post, in der Hoffnung, Yang so wiederzufinden.

«Wir haben wirklich alles unternommen», sagt sie. Grosse Hoffnungen wagt sie sich jedoch nicht zu machen. Lucatelli geht nämlich davon aus, dass jemand das Tier gestohlen hat. «Diese Vorstellung ist viel schlimmer als die, dass ein Wildtier die Geiss gerissen haben könnte.»

Wurde ihm die Zutraulichkeit zum Verhängnis?

Wie sie darauf kommt, dass hier der Mensch im Spiel war? «Niemand hat etwas gesehen. Es gab zudem im Gehege keine Spuren, die auf ein Wildtier schliessen lassen.» Auch merke man dem Verhalten der Herde einen solchen Zwischenfall normalerweise an.

«Dazu kommt, dass Yang, da er von Hand aufgezogen worden war, sehr zahm ist und angerannt kommt, wenn jemand am Zaun steht. Das wurde ihm vermutlich zum Verhängnis.» Und sie ergänzt nachdenklich: «Ich habe gehört, dass Ziegen und Schafe vor den Feiertagen ab und zu verschwinden.»

Yang wird seit über einer Woche vermisst. (Bild: zvg)

Geissen suchen kaum je das Weite

Der Tierpfleger Ivo Zürcher sagt auf Anfrage ergänzend: «Es kommt zwar vor, dass Ziegen aus der Umzäunung ausbüxen. Doch ist es nicht üblich, dass sie sich von der Gruppe entfernen.»

Es sei das erste Mal, dass ein Tier von seiner Weide verschwunden sei. «Nur einmal starb eine Geiss auf der Wiese und wurde dann vom Fuchs angefressen», sagt Zürcher.

Die Möglichkeit, dass jemand das Böcklein gestohlen haben könnte, um es selber zu halten, hält Zürcher für unrealistisch: «Das Tier trägt Ohrmarken und müsste als Nutztier registriert werden. Spätestens dann würde der Diebstahl auffliegen.»

Selten verschwinden Nutztiere

Der zuständige Zuger Wildhüter Adrian Zehnder bestätigt, dass er vor einer Woche von Tamara Lucatelli kontaktiert worden sei. Es ist das zweite Mal innert zwei Monaten, dass er von einem vermissten Tier erfährt: «Vor zwei Monaten verschwanden ein Schaf und ein Lamm. Diese Tiere blieben vermisst.»

Zuvor habe man jedoch fast zwei Jahre keine solchen Meldungen erhalten. Nicht zuletzt deshalb, weil die Wildhüter in solchen Fällen grundsätzlich nicht zuständig sind. «Es geht mehr darum, dass wir Bescheid wissen, falls aus der Bevölkerung ein Hinweis kommt», sagt Zehnder.

Das Tier trägt eine Marke am Ohr. (Bild: zvg)

Der Wolf scheint sich nicht in der Nähe aufzuhalten

Es gebe keine erhärteten Hinweise, dass im Moment ein Wolf im Kanton Zug lebe. «Anfang Jahr gingen ein paar Meldungen ein, dann längere Zeit nicht mehr.» Zwar habe sich vor zwei Wochen eine Person aufgrund einer vermuteten Wolfsichtung bei den Zuger Wildhütern gemeldet. Weil die Wildhut vor Ort keine weiteren Spuren eines Wolfs gefunden und es sich um eine einzelne Meldung gehandelt habe, gehe man davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich tatsächlich um einen Wolf gehandelt habe, klein sei.

Zehnder betont: «In den Jahren 2018 bis 2020, als der Wolf tatsächlich für längere Zeit hier war, wurden uns wiederholt Sichtungen gemeldet. Das war in der letzten Zeit nicht der Fall.» Obwohl der Wolf damals tatsächlich im Kanton herumstrich, wurde kein einziger Nutztierriss bestätigt. Hauptnahrungsmittel des Wolfs ist das Rotwild.

Füchse bringen tote Tiere zum Verschwinden

Eine Vermutung anzustellen, was also mit der verschwundenen Geiss passiert ist, wagt Zehnder nicht. Doch hält er es nicht für unmöglich, dass das Jungtier eines natürlichen Todes gestorben ist. «Bleibt ein Kadaver für zwei, drei Nächte auf einem Feld liegen, ist es nicht unüblich, dass dieser vollumfänglich von Füchsen gefressen wird. Gerade wenn das Tier an einer versteckten Stelle liegt, wo es vom Bauern nicht gleich entdeckt wird.»

Auch der Wildhüter geht nicht davon aus, dass Tamara Lucatelli das Tier lebendig zurückbekommt: «Wäre es ausgebüxt und in den Wald gelaufen, wäre es nicht lange gegangen, bis wir eine Meldung erhalten hätten. Dies insbesondere deshalb, weil viele Freizeitsportler in den Zuger Wäldern unterwegs sind.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Tamara Lucatelli
  • Telefongespräch mit Ivo Zürcher, Tierpfleger
  • Telefongespräch mit Adrian Zehnder, Wildhüter
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