Luzerner Beizer ist nach Burn-out zurück am Herd

Für Werner Tobler ist ein Leben ohne Hacktätschli kein Leben

Hat wieder gut lachen: Werner Tobler erholt sich in seiner Küche in Hildisrieden.

(Bild: hae)

Der Kochgott schaut Werner Tobler stets über die Schulter, wenn er mit Töpfen zaubert. Das gibt dem Luzerner Spitzenkoch Kraft, damit ihm nicht wieder der Schnauf ausgeht wie vor vier Jahren in der «Braui» Hochdorf. Jetzt ist Tobler wieder voll im Saft – zentralplus schaute einen langen Abend hindurch in seine «Bacchus»-Küche in Hildisrieden.

Einst verwöhnte Werner Tobler seine schweizweit angereiste Klientel in Hochdorf, sein Ruf nahm zu, der Druck wurde immer grösser, bis er schliesslich zusammenbrach. Vor zwei Jahren hat sich der weit über die Region hinaus bekannte Koch wieder aufgerappelt und in Hildisrieden eingenistet.

Dort, im «Bacchus» (lateinisch für: Weingott), dürfen auserwählte Stammgäste den Apéro in Toblers Küche geniessen und ihm über die Schulter schauen. Just unter einem Plakat von Toblers Kochgott Paul Bocuse. Das hat mächtig Wirkung. Hier will Tobler weiter weibeln, bis er keine Lust mehr hat. Er verwirft die Hände und sagt: «Aber das wird noch lange dauern!»

Der kräftige Mann mit lauter Stimme ist ein Geniesser, er kocht mit Schmiss, und er ist Gastgeber voller Leidenschaft. Bei Werner Tobler kann man in Hildisrieden aber nicht nur essen. Sondern auch die Kunst des währschaften Kochens lernen. Zudem beste Produkte aus der Region einkaufen. Er sagt: «Ich bin 55, ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Heute mache ich mein Ding so, wie es mir passt.»

Der «Kochverrückte»

Einen «Kochverrückten» hat man ihn früher genannt. Wenn man einen solchen schon in der Region hat, muss man dem unbedingt mal in die Töpfe schauen. Und man wird mächtig staunen, dass der einst als ungeduldig bekannte Mann sein Team heute stets mit einem Lächeln und einem «Bitte!» im Griff hat.

Der «Bacchus» ist nicht nur Restaurant: Im Shop werden auch Käse, Wein und andere Spezialitäten verkauft.

Der «Bacchus» ist nicht nur Restaurant: Im Shop werden auch Käse, Wein und andere Spezialitäten verkauft.

(Bild: hae)

 «Bacchus – Vin, Pain, Fromage», so prangt es in grossen Lettern an der Scheibe. Tobler ist auch ein Poet, nicht nur ein begnadeter Koch. Und neu hat sein Lokal nur rund 20 Plätze, damit er nicht wieder unter die Räder kommt. Wie einst vor drei Jahren in Hochdorf (siehe Box), wo die Leute für die 80 Stühle Schlange standen, um sich seine Delikatessen auf der Zunge zergehen lassen zu können.

Werner Toblers Küchentisch, der «Chef’s Table», war Monate im Voraus ausgebucht, weil er zelebrierte, was er selbst liebte: experimentieren und kochen, Gastgeber sein und Menschen verwöhnen, schlemmen und trinken. Möglichst viele wollte er damals beglücken. Zu viele. Und eben, dann kam es übel: Nah am Sarg, sagt er, war Tobler damals. Jetzt heisst es in Hildisrieden stattdessen: Langsam angehen. Und: Klasse statt Masse!

«Zuerst muss Appetit sein.»

Alles dreht sich bei Werner Tobler immer um eine Kost, die ganz einfach glücklich macht und die Seele wärmt. «Zuerst muss aber Appetit sein.» Dann soll der Meister doch bitte mal zeigen, was er kann. Unprätentiös in T-Shirt und grauen Crogs-Schuhen steht er dann da und hantiert herum.

Unkompliziert kommt Werner Tobler daher, unkompliziert ist auch seine Sprache. «Füdlewurscht» ist einer seiner liebsten Ausdrücke. Doch er zeigt auch weiche Seiten: Der Mann der erdigen Küche liebt Blumen in seiner «Werkstatt», zwei Gummientchen lachen quietschfidel. Grund: «Es muss schön sein, ich bin schliesslich 14 Stunden am Tag hier, da muss das Ambiente schon stimmen.»

Über allem wacht der Kochgott: Bocuse liefert Tobler auch Ideen wie seine berühmte Zwiebelsuppe.

Über allem wacht der Kochgott: Bocuse liefert Tobler auch Ideen wie seine berühmte Zwiebelsuppe.

(Bild: hae)

Bereits in der Hochdorfer «Braui» hatte er gerne Bilder aufgehängt, und sein einstiger Mitarbeiter, Moritz Stiefel, der heute den Luzerner «Hopfenkranz» leitet und zwischendurch auch mal im Hotel «Gütsch» wirkte, pflegte zu sagen: «Patron, du hast Recht, es muss schön sein.»

Tobler erzählt’s über seinen Pfannen und Töpfen, er schmunzelt und erklärt, dass man allerdings nicht in Schönheit sterben könne, sondern auch Hunger haben müsse. «Wer A sagt, sagt auch Bocuse!», salutiert Werner Tobler hoch zum Plakat an der Wand – und dann lacht er breit!

Heitere Kochlaune

Dann soll er doch bitte mal die Bocuse’sche Zwiebelsuppe kredenzen, die beim unlängst verstorbenen Kochgott (1926–2018) aus dem französischen Lyon einst sündige 80 Euro kostete. Das ist ganz einfaches Anrichten: Zwiebelstreifen, eine reduzierte Bouillon und darüber eine Teighaube. Tobler dazu: «Mir ist ein solch einfaches Gericht viel lieber als irgendein viereckiger Lachswürfel mit drei Pünktchen obendrauf und irgendeinem Furz.» Der Mann hat heitere Kochlaune.

1,4 Kilo schwer ist das Buch, das Rezepte und Lieferanten des Kochs Tobler vorstellt.

1,4 Kilo schwer ist das Buch, das Rezepte und Lieferanten des Kochs Tobler vorstellt.

(Bild: zvg)

Und der Koch ist bestens vernetzt. Das 1,4 Kilo schwere Buch «Werner Tobler. Cuisinier» (AT-Verlag) berichtet davon, stellt seine besten Rezepte und seine bodenständigen Lieferanten aus der Region vor. Tobler sagt: «Ein Leben ohne Hacktätschli ist kein Leben!» Und schon sind die zarten Fleischbällchen serviert.

Währschaftes liebt er, weil es einfach gut sei. Punkt. Und vor den Franzosen geht er in die Knie: «Paris ist der Nabel des Fressens, das geht schon in Richtung Dekadenz. Und deshalb bin ich total der Franzose: Mode, Parfüm, das Essen, die Weine – das haben die Welschen im Griff.»

Kochtester der Fressführer sind ihm egal

Dankbar ist Werner Tobler auch seinem Umfeld: vorab seiner Partnerin Uschi Frapolli, der guten und vor allem stets ausgeglichenen Seele. «Ich bin froh, dass Uschi am gleichen Strick zieht wie ich. Viele Beizer müssen doch oft zumachen, weil ihnen die familiäre Unterstützung fehlt», sagt er. Frauen, die ihren Männern in der Küche den Rücken decken, sind enorm wichtig für Beizer. Tobler weiss: «Erst dann hast du ein gutes Restaurant, wenn Frauen dort zusammen essen gehen.»

Ohne Uschi Frapolli ginge nichts: Nach dem Essen wird noch gemeinsam angestossen.

Ohne Uschi Frapolli ginge nichts: Nach dem Essen wird noch gemeinsam angestossen.

(Bild: hae)

Und auch seinen Vorfahren ist Werner Tobler zu Dank verpflichtet: «Wenn unsere Eltern Pflöcke wären, wüssten wir auch nicht, wie man isst!» Tobler hat einst bei Sterneköchen seine Sporen abverdient, doch die Kochtester der Fressführer Michelin, Gault-Millau und Co. sind ihm heute so was von egal.

Von der «Braui» in den «Bacchus»

Werner Tobler ist 1963 in Romanshorn geboren. Ausbildung zum Koch, jahrelange Tätigkeit als Privatkoch und Caterer, bevor er mit seiner Partnerin Uschi Frapolli-Wüthrich (52) aus Sörenberg das Restaurant «Braui» in Hochdorf übernahm. Dort führte er ab 2004 zehn Jahre lang seine von Gault-Millau mit 15 Punkten ausgezeichnete Küche. Seit Ostern 2016 ist das Bistro «Bacchus» in Hildisrieden die neue Wirkungsstätte von Werner Tobler und Uschi Frapolli, wo sie auch Kochkurse geben.

Unscheinbare Landbeizen mag er dafür viel lieber: Wenn sie als Paar in die Ferien gehen, fliegen sie nach Gran Canaria  und essen praktisch jeden Tag in der gleichen Beiz. Und er kommt ins Schwärmen: «Loup de Mer in Salzkruste. Der Fisch ist immer gleich, eine Offenbarung – dabei wollen wir eigentlich immer wieder nach Paris, aber da wirst du zum armen Mann …»

Profis wie Hecht und Rosenblatt

Während er also die teuren Starköche und -künstler meidet, auch aus finanziellen Gründen, pilgern ihrerseits Profis zu Werner Tobler: Etwa Urs Hecht, der grosse und vielfach prämierte Schnapsbrenner aus Gunzwil, hatte sein Firmenessen mit acht Leuten im «Bacchus». – Was mochte der besonders? Hecht schätzt Toblers Liebe zum Handwerk: «Werner setzt auf qualitativ hochstehende Produkte und kocht diese mit grosser Liebe zum Detail.»

Auch Lucas Rosenblatt hat Tobler gern, unlängst war der in Meggen immer noch Kochkurse veranstaltende pensionierte Starkoch hier. Rosenblatt: «Ich liebe Genussmenschen wie Werner, denn mit seinen Kanten und Ecken vereint er eine grosse Lust zum Kochen. Seine Küche ist ehrlich, echt, schnörkellos, einfach gut.»

Organisation ist alles: Werner Tobler bereitet alle Speisen à la minute zu.

Organisation ist alles: Werner Tobler bereitet alle Speisen à la minute zu.

(Bild: hae)

Tobler sagt dazu nur achselzuckend: «Ich bin nicht Avantgarde, nicht modern – eher klassisch, und meine Liebhaber kommen gerade deswegen.»

20 Jahre zusammen 

Jetzt ist Tobler zwei Jahre in Hildisrieden. Er wirkt wieder voller Kraft, erholt, also Zeit für eine Bilanz, bitte: «Hier bin ich wieder in Balance gekommen, weil wir nur vier Tage offen haben. Donnerstag bis Sonntag arbeiten, Mittwoch vorbereiten. Das macht mir grossen Spass! Und unseren Gästen erst …»

Früher war der Job seine Leidenschaft, heute sind Stunden mit Enkelkind Leonie (7) seine grösste Freude. Anekdote über Anekdote erzählt er in seiner Küche, dann platzt er heraus: «So, und jetzt koche ich mal wieder.» Und schon duftet ein Schoggikuchen. Göttlich.

Quietschfidel: Kochenten entlocken dem Meister manchmal ein stilles Lächeln.

Quietschfidel: Kochenten entlocken dem Meister manchmal ein stilles Lächeln.

(Bild: hae)

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