Einer Journalistin drohen: Liebe Zünfte, das geht gar nicht
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Vier grosse Zünfte und Gesellschaften gibt es in der Stadt Luzern. Zur Fasnacht werden sie besonders wichtig. Doch von Transparenz haben einige ein problematisches Verständnis.
Eigentlich würde ich diesen Kommentar lieber nicht schreiben. Es ist Fasnacht, Luzern schwebt im verrückten Fiebertraum, der einfach gute Laune macht. Egal, ob man ein leidenschaftlicher Fasnächtler ist oder das Treiben nur aus der Ferne beobachtet.
Doch ich muss – denn auch das ist die Aufgabe von Journalismus, wie wir ihn verstehen: Missstände aufzeigen, auch wenn alles noch so schön zu sein scheint.
Für diese Fasnacht hat zentralplus mit den vier grossen Zünften und Gesellschaften der Stadt Luzern Kontakt aufgenommen: Safran, Wey, Fidelitas und Maskenliebhaber. Sie stehen gemeinsam hinter dem Luzerner Fasnachtskomitee. Wir wollten wissen: Wie läuft es hinter den verschlossenen Türen der Zunfthäuser, wer trifft wen, wie teuer ist der Spass, darf jeder mitmachen?
Denn: Klischees über Zünfte gibt es reichlich. «Elitäre Bunde von Männern, die einander Aufträge zuschanzen oder in der Politik aushelfen», wäre eines. «Ein Sprungbrett in ein politisches Amt», ein anderes (zentralplus berichtete).
Damit aufzuräumen oder Klischees als Wahrheiten nachzuweisen, auch das verstehen wir als Aufgabe von Journalismus. Doch unsere Arbeit wurde uns in den vergangenen Wochen nicht leichtgemacht.
Zünfte in Luzern: Teils ein wenig offen – teils völlig verschlossen
Drei von vier Zünften und Gesellschaften haben auf unsere Anfragen geantwortet. Das will lobend erwähnt sein. Eine ignoriert unsere Kontaktaufnahme jedoch bis heute. Welche, soll hier keine Rolle spielen. Genausowenig wie die Namen einzelner Zünfte oder Protagonisten in diesem Text.
Man könnte mir vorwerfen, ich nehme damit alle in Geiselhaft für die Vergehen weniger. Man könnte aber auch sagen, ich zeige auf ein strukturelles Problem, das bei wenigen in dieser Recherche deutlicher hervorschien als bei anderen.
Von den drei Zünften und Gesellschaften, die antworteten, erhielten wir Ausführungen zum Zunftleben, zum Aufnahmeprozess und zu den Regeln. Bei den für Journalisten spannendsten Fragen wurde jedoch niemand präzise – wenn es um Geld ging oder um Exklusivität.
Das ist für eine Redaktion zwar ärgerlich, aber trotzdem in Ordnung – Kommunikationsabteilungen von Unternehmen machen es nicht anders. Ausserdem sind die Gemeinschaften und Zünfte privat finanziert. Dorthin fliesst kein Steuerfranken. Es gibt keine Pflicht, sich der Öffentlichkeit preiszugeben.
Dann passierte das Unvertretbare
Nicht in Ordnung ist es, Druck auf Journalisten auszuüben. Nachdem eine zentralplus-Journalistin parallel zur schriftlichen Anfrage an eine der Organisationen auch ein normales Mitglied davon zum Gespräch getroffen hatte, wurde sie vom Chef höchstpersönlich angerufen.
Sie solle sich gut überlegen, was sie jetzt schreibe, drohte er. Wenn sie noch Karriere machen wolle, müsse sie acht geben. Er kenne Leute in Luzern, die es einer Journalistin schwermachen könnten.
Er fühlte sich hintergangen wegen des Treffens der Journalistin mit dem «einfachen» Mitglied der Organisation. Dabei steht es Journalisten in der Schweiz selbstredend frei, jeden und jede alles zu fragen, was für die Öffentlichkeit relevant ist. Man nennt es Medienfreiheit.
Die Redaktion war nach dieser Drohung ziemlich schockiert. Ist das wirklich gerade passiert?
Vieles ist okay, aber es gibt Grenzen
Versteht mich nicht falsch: Dieser Vorfall könnte ein Einzelbeispiel sein – doch nährt er genau jene Klischees von Mauscheleien, die über Zünfte ohnehin in der breiten Öffentlichkeit kursieren.
Druck auf Berichterstatterinnen aufzubauen, ist demokratiefeindlich, wider den guten Anstand und völlig inakzeptabel. Und darum sitze ich nun hier und schreibe diesen Kommentar, während draussen die Stadt fröhlich feiert und Konfetti die Strasse bedeckt.
Liebe Zünfte und Gesellschaften, wir akzeptieren eure Privatsphäre. Und die Menschen der Stadt tolerierten jahrhundertelang eure Exklusivrechte wie das Stubenrecht. Denn Fasnacht ohne euch wäre eben nicht das Gleiche.
Doch: Einer Journalistin drohen, das geht gar nicht.
- zentralplus-Medienarchiv zu Luzerner Zünften
- Aktuelle Rechercheergebnisse zu Luzerner Zünften
- Fotoarchiv des Luzerner Fasnachtskomitees