Luzerns bekanntestes Wandbild wird saniert

Ein anderes Wandbild an der Steinenstrasse? Undenkbar!

Werner Vogel begutachtet das Originalbild. In diesen Farben soll das Steinenstrassen-Wandbild auch bald wieder leuchten.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Es gehört zur Steinenstrasse wie die asiatischen Touristen zum Schwanenplatz: das Wandbild. Während den Touristen aber weder der Regen noch die Jahre etwas anhaben konnten, litt das Bild unter genau dem. Beides hat sichtliche Spuren hinterlassen. Nun wird das Kunstwerk saniert. Gleichzeitig lüftet der Künstler Werner Vogel das Geheimnis um die Tomate auf dem Fenstersims der jungen Frau.

Mächtig prangt das Wandbild an der Luzerner Steinenstrasse. Was von Weitem die perfekte optische Illusion ergibt, die Strasse würde noch viel weiter gehen, versprüht von Nahem nur noch ein Bruchstück seines einstigen Glanzes. Seit 40 Jahren bereits prägt das 20 Meter hohe Kunstwerk das Bild der Strasse. Die Zeit und das Wetter haben deutliche Spuren hinterlassen: Die Farben sind verblichen, stellenweise ist das Bild aufgeplatzt und gibt den Blick auf die Wand dahinter frei.

Letzte Chance … nicht vorbei!

«In den letzten vier, fünf Jahren konnte man regelrecht zusehen, wie das Bild kaputt ging», sagt Sylvie Meylan, Dekorationsmalerin. Sie leitet die Arbeiten am Wandbild der Steinenstrasse zusammen mit dem Restaurator Pascal Piffaretti. Das Werk sei in schlechtem Zustand und es sei höchste Zeit, dass etwas unternommen werde, bevor es zu spät sei.

«Als ich das Bild zum ersten Mal aus der Nähe betrachten konnte, erschrak ich richtig.»
Werner Vogel, Künstler

Genau das geschieht jetzt: Auf einem Gerüst vor dem Wandbild arbeiten drei Malerlehrlinge mit Pinseln und Farben an der Sanierung, die schon in vollem Gange ist. Damit sie gelingt, ist nebst den Lehrlingen, Piffaretti und Meylan auch Werner Vogel am Werk. Der 77-Jährige ist derjenige Künstler, der das Bild in den 70er-Jahren realisiert hat. Nun ist er zurück und hilft, sein Bild zu sanieren. «Es ist eigentlich sehr schön, hier zu sein.» Es komme noch ein «Aber», kündigt er sogleich an. «Als das Gerüst aufgebaut wurde und ich das Bild zum ersten Mal aus der Nähe betrachten konnte, erschrak ich richtig. Es gab sehr viele kaputte Stellen.»

Marc Germann von Quartierverein Hochwacht sieht sich mit Sylvie Meylan, Dekorationsmalerin, das Bild genau an.

Marc Germann vom Quartierverein Hochwacht sieht sich mit Sylvie Meylan, Dekorationsmalerin, das Bild genau an.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Fünf Tage Löcher flicken

Pascal Piffaretti ist hingegen erstaunt, wie gut der bauphysikalische Zustand des Bildes noch sei. «Es ist ein riesiges Glück, dass die Wand nicht stärker von der Sonne beschienen wird. Sonst wäre hier nicht mehr viel übrig.» Das Bild sei mit Acrylfarbe auf Zement gemalt worden, erklärt er. Bei dieser Kombination entstehe keine Verbindung zwischen der Farbe und dem Träger. Man könne es sich vorstellen wie eine Folie, die auf eine Wand geklebt worden sei. «Wenn durch Licht, Wärme und Kälte nun Risse entstehen wie bei diesem Bild, läuft das Wasser zwischen Farbe und Wand runter. Gefriert das Wasser, platzt das Bild auf und es entstehen Löcher.»

«Es ist eine schöne Arbeit. Man könnte sich daran gewöhnen.»
Paula Garcia, Malerin in Ausbildung

Mit diesen Löchern beschäftigen sich die drei Lehrlinge aus den Reihen der «luzernermaler» seit fünf Tagen. Sie sind daran, Risse zu verkleben und aufgesprungene Stellen zu flicken. Anschliessend bemalen sie diese mit einer Farbe, die dem Original möglichst nahe kommen soll. «Es ist eine schöne Arbeit. Man könnte sich daran gewöhnen», sagt Paula Garcia. Die Malerin in Ausbildung steht seit einer Woche jeden Tag auf dem Gerüst in der Steinenstrasse. Sie sagt, besonders das Mischen der Farben und Treffen des Tones sei eine Herausforderung.

Auf weitere 40 Jahre Wandbild

Der nächste Schritt wird die komplette Überarbeitung des Bildes sein. Dann steigt auch Werner Vogel wieder auf die Gerüste. Dabei soll der Inhalt des Bildes nicht verändert werden, die Farben aber wieder zum Leuchten gebracht werden. Als Vorlage dient das Original, welches der Künstler bei sich zu Hause im Keller gefunden hat – ein Bild von etwa 1,5 Meter auf einen halben Meter Grösse. «An diesen Farben orientieren wir uns», sagt Piffaretti. Wenn die Arbeiten abgeschlossen seien, werde das Bild für weitere 40 bis 50 Jahre halten, schätzt der Restaurator.

Werner Vogel rekonstruiert die Farben. Das Mischen sei eine Herausforderung, sagte er im Gespräch.

Werner Vogel rekonstruiert die Farben. Das Mischen sei eine Herausforderung, sagte er im Gespräch.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Die Tomate auf dem Fenstersims

Das Bild ist eine Momentaufnahme der Strasse im Jahr 1978 (siehe Box). Vogel fotografierte die Strasse von unten und malte sie spiegelverkehrt wieder auf. Anschliessend wurde das Bild auf 20 Meter vergrössert. «Das rote Auto auf dem Bild war damals meines», sagt der Künstler und muss lachen ob der Erinnerung. Die junge Frau, die aus dem Fenster schaue, sei Franziska von Sägesser, heute selber Künstlerin. «Die Kinder vorne sind meine beiden Töchter Sara und Vera.» Und der kleine Junge, der mitten auf der Strasse stehe, sei letzthin vorbeigekommen. «Der Sohn des Wirtepaars des ehemaligen Restaurants Schwert. Mittlerweile erwachsen hat er sich daran erinnert, dass er jeweils dort gestanden und den Arbeiten zugesehen hat. Er war damals sieben oder acht Jahre alt», erzählt Vogel.

Die Entstehung des Wandbildes

Mit Blick auf die 800-Jahr-Feier Luzerns animierte der damalige Stadtrat um 1975 die Quartiervereine, einen Beitrag zur Verschönerung der Stadt zu leisten. Nach dem Motto «Mut zur Farbe» initiierte der Verband luzernermaler (damals Malermeisterverband Luzern und Umgebung) den bunten Anstrich der Steinenstrasse-Häuser. Die Wand am Ende der Strasse aber blieb grau. Daraufhin konnte der Quartierverein Hochwacht den Künstler und Grafiker Werner Vogel für die Gestaltung eines Wandbildes gewinnen. Seither ist das Bild Teil der Quartieridentität.

Doch ein genauer Blick zeigt: Einige Details vom Wandbild sind so auf dem Original nicht zu finden. Der Künstler grinst verschmitzt. «Sehen Sie die Tomate auf dem Fenstersims der jungen Frau?» Diese habe sich bei ihm beklagt, dass ihr die Leute direkt ins Zimmer starren würden. «Da habe ich ihr die Tomate hingemalt, die sie nach den Gaffern schmeissen kann», so Vogel.

Kein anderes Bild wäre denkbar an der Steinenstrasse

Noch fünf Wochen wird der ganze Sanierungsprozess dauern. «Bis zum Steinenstrassenfest im September muss das Gerüst sowieso weg sein», sagt Marc Germann vom Quartierverein Hochwacht. Er hat zusammen mit den luzernermalern und auf Initiative von Sylvie Meylan hin, die ihr Atelier gleich neben dem Bild hat, die Sanierung ins Rollen gebracht. Das heisst: Geld gesammelt. Während zwei Jahren haben sie über 60’000 Franken zusammengetragen – durch Materialspenden, private und gewerbliche Sponsoren, aber auch durch Freiwilligenarbeit.

«Es ist undenkbar, dass ein anderes Bild darüber gemalt würde oder die Wand einfach in einer Farbe gestrichen worden wäre.»
Marc Germann vom Quartierverein Hochwacht

Viel Geld für ein Wandbild, könnte man einwerfen. «Es ist undenkbar, dass ein anderes Bild darüber gemalt würde oder die Wand einfach in einer Farbe gestrichen worden wäre», kontert Germann. Das Bild sei der Stolz der Anwohner. «Es ist etwas Spezielles in einer speziellen Strasse.» Das zeige sich auch jetzt während der Arbeiten: Es kämen jeden Tag Leute vorbei, die ihre Geschichten zum Bild erzählen. So wie der Junge vom Restaurant Schwert. «Es zeigt sich aber auch an der breiten Unterstützung und dem Zuspruch, die wir im Quartier erfahren haben. Das Bild muss weiterleben.» Das wird es. Für weitere 40 Jahre zumindest.

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