Neues Angebot der Stadtbibliothek

Die Stadt Luzern lanciert eine Bibliothek auf vier Rädern

Die Stadtbibliothek hat einen E-Lieferwagen in eine fahrende Bibliothek umfunktioniert. (Bild: mik)

Die Luzerner Stadtbibliothek hat ab Anfang Mai eine neue, mobile Zweigstelle: den Bibliobus. Mit diesem will sie über 1000 Bücher und weitere Medien in die Quartiere bringen. Erste junge Tester sind begeistert.

Noch sitzen die Kinder der 1. Klasse des Schulhauses Säli ruhig auf dem Boden. Die Begrüssungsrede des Luzerner Stadtpräsidenten Beat Züsli (SP) interessiert sie am Donnerstagvormittag augenscheinlich wenig. Viel mehr jedoch das, was hinter ihm steht: der neue Bibliobus der Stadtbibliothek. In einem umgebauten E-Lieferwagen stehen zwei Bücherregale, daneben gibt es eine Sitzecke. Vor dem Bus gibt es mehrere Papp-Behälter mit Büchern und Comics zum Durchstöbern. Etwas weiter hinten steht ein Tisch mit Bastelmaterial, dahinter zwei Tipis, in denen man lesen kann.

Wie Züsli betont, soll der Bibliobus «mehr sein als ein Bücherregal». Gedacht ist der Bus als ein mobiler Begegnungs- und Freizeitort, der die verschiedenen Angebote der Bibliothek zu den Luzernern bringt. Denn die Auswertungen der Stadtbibliothek hätten gezeigt: «Je näher man bei der Bibliothek wohnt, desto höher ist die Nutzung.» Umgekehrt heisst das aber auch, dass Luzernerinnen aus entfernteren Quartieren kaum den Weg in die Bibliothek finden. «Gerade auch Kinder, die den Weg zum Löwenplatz noch nicht allein gehen können», sagt Züsli.

Kinder stürzen sich auf die Bücher

Die Kinder werden langsam ungeduldig, als auch der Projektleiter und Leiter in spe der Stadtbibliothek, Tobias Schelling, ein paar Worte an die Anwesenden richtet. Doch lange warten müssen sie nicht. In einer kleinen Traube versammeln sie sich um Letizia Ineichen, Leiterin Kultur und Sport, die mit ihnen feierlich den Bus öffnet. Woraufhin die Erstklässler allesamt reinstürmen – eine gesamte Primarklasse hat gerade knapp Platz im Bus.

Mit der Zeit verteilen sich die Kinder aber etwas mehr, stöbern in den Boxen, machen es sich mit einem Buch auf den gelben Sitzsäcken oder für etwas mehr Ruhe in den Tipis bequem. Das Angebot kommt bei den Kindern augenscheinlich gut an. Das bestätigt auch die siebenjährige Emilia, die sich ein Buch über einen Knaben mit einem Polizei-Papagei herausgesucht hat: «Ich finde richtig cool, dass wir draussen überall Bücher anschauen können.» Ihr gefallen jedoch nicht nur die Bücher: «Ich finde auch cool, dass wir Tonieboxen ausprobieren können.»

Bei diesen Boxen können Kinder verschiedene Figuren auf ein Audiosystem stellen, aus dem dann eine Geschichte erklingt. Der siebenjährige Mio hat sich für ein Buch mit den drei Fragezeichen entschieden, in dem es um Fussball geht. «Ich finde den Bibliobus richtig spannend», sagt er begeistert. «Es gibt so viele Bücher, die wir alle anschauen können.»

Nebst den Büchern gibt es auch CDs, die erwähnten Tonieboxen, E-Reader, Tablets und Tiptoi-Stifte zum Ausprobieren. Zudem hat es auch Stifte, Stempel und Stoffe zum Basteln und einige Spiele.

Bibliothek an die Leute bringen

Projektleiter Tobias Schelling schaut zufrieden dem Treiben zu, wenn er nicht gerade von Journalisten in Beschlag genommen wird. «Ich bin so happy, genau so habe ich ihn mir vorgestellt.» Ursprung der Idee ist der Strategieplan der Stadtbibliothek. Eines der definierten Ziele besagt, dass die Bibliothek bis 2024 alle Luzerner Quartiere erschliesst. Andere Städte hätten im Vergleich zu Luzern deutlich mehr Filialen: Während in Winterthur zehn Bibliotheken stehen, gibt es in Luzern nebst der im Bourbaki nur noch eine weitere in Ruopigen.

«Ich bin überzeugt: Jeder investierte Franken ist es wert.»

Stadtpräsident Beat Züsli zum Bibliobus

«Es wäre unrealistisch gewesen, fünf weitere Quartierbibliotheken zu fordern», gibt Schelling zu bedenken. «Mit diesem mobilen Angebot können wir die Quartiere kostengünstig anfahren.» Ähnliche Konzepte gibt es in der Romandie, die mit Bibliobussen entfernte Regionen anfahren. In der Deutschschweiz sei das Angebot der Stadt jedoch ein Pilotprojekt – wobei die Luzerner Variante noch mehr biete. Ein ähnliches Konzept planen auch die Luzerner Museen mit einem «Gwundermobil» (zentralplus berichtete). Wie Schelling sagt, sei die Idee für den Bibliobus jedoch unabhängig davon entstanden. «Das zeigt, dass auch andere Institutionen das Bedürfnis haben, an die Leute heranzukommen.»

Nicht nur für Kinder gedacht

Nebst den Büchern und Spielzeugen sind mit dem Bibliobus auch Veranstaltungen wie Geschichtsstunden und Spielenachmittage für Erwachsene geplant. Zudem sollen auch Beratungen stattfinden, wie sie die Stadtbibliothek auch an ihren fixen Standorten durchführt. So etwa zu Digitalthemen. Diese seien jedoch nicht an fixe Zeiten gebunden, sondern sollen je nach «Kundschaft» an diesem Tag angeboten werden.

Denn auch wenn die bunte Aufmachung vielleicht etwas anderes vermuten lässt: Der Bibliobus sei nicht nur für die Kinder gedacht. «Es ist sicher so, dass Kinder im Vorschul- und Primarschulalter unsere Hauptzielgruppe sind.» Diese seien über die Institutionen wie Schulen und Kitas auch am einfachsten zu erreichen. Doch auch Erwachsene sollen auf ihre Kosten kommen. «Gerade für Seniorinnen, für die der Weg zur nächsten Bibliothek schwer zurückzulegen ist», erklärt Schelling.

In der ersten Saison, die bis Oktober geht, fährt der Bus sechs Quartiere an: Babel, Bruchquartier/Säli, Fluhmühle/Udelboden, Geissenstein, Littau Dorf und Würzenbach. Jeder Standort soll alle drei Wochen befahren werden, womit sie bis Ende Saison rund achtmal besucht werden. Die Quartiere seien nach räumlicher Distanz zur Stadtbibliothek gewählt worden. Er könne sich vorstellen, dass mit der Zeit noch mehr Gebiete dazukommen, etwa Obergütsch, Schönbühl oder Tribschen. Dies sei nicht zuletzt jedoch auch eine Ressourcenfrage.

Bus kostete rund 190’000 Franken

Denn: Dieses Projekt liess sich die Stadt Luzern einiges kosten. Der Bau, die Einrichtung und das Mobiliar im und um den Bibliobus kosteten 190’000 Franken, wovon 90’000 Franken die Albert-Koechlin-Stiftung übernimmt. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten von 50’000 Franken, für den Unterhalt und die zwei Mitarbeiterinnen, die jeweils im Bus mitfahren. Zwar räumt Stadtpräsident Züsli ein, dass dies ein kostspieliges Projekt ist. «Ich bin aber überzeugt: Jeder investierte Franken ist es wert.»

Fragt man die testenden Kinder, scheint sich die Investition auf jeden Fall gelohnt zu haben. Als sie langsam wieder in den Unterricht müssen, tragen die meisten von ihnen eins bis zwei Bücher unter dem Arm, die sie gleich vor Ort ausgeliehen haben. Auch als aus dem Säli-Schulhaus weitere Kinder auf den Pausenplatz stürmen, bleiben viele gwundrig vor dem Bibliobus stehen. Und reagieren etwas enttäuscht, als die Lehrerin ihnen erklärt, dass heute erstmal nur ein Test für die Klasse 1B war. Lange warten müssen sie jedoch nicht. Denn bald fährt der Bus wieder bei ihnen vorbei – und diesmal ohne Begrüssungsrede, die sich zwischen sie und das Lesevergnügen stellt.

Hier findest du den Bibliobus

Der Bibliobus fährt im Drei-Wochen-Turnus sechs Standorte an. Die ersten Termine 2023 sind:

  • 2. Mai, Dienstag, 14 bis 17 Uhr, Schulhaus Säli
  • 3. Mai, Mittwoch, 14 bis 17 Uhr, Schulhaus Fluhmühle
  • 9. Mai, Dienstag, 14 bis 17 Uhr, Dammgärtli (Baselstrasse)
  • 10. Mai, Mittwoch, 14 bis 17 Uhr, Dorfplatz Geissenstein beim Spar
  • 16. Mai, Dienstag, 14 bis 17 Uhr, Würzenbach Brüelwiese
  • 17. Mai, Mittwoch, 14 bis 17 Uhr, Littau Dorf Fanghöfli

Weitere Termine findest du auf der Website des Bibliotheksverbands Luzern.

Die Nutzung des Busses ist kostenlos. Für das Ausleihen der Medien ist jedoch ein Ausweis des Bibliotheksverbands Region Luzern notwendig. Dieser ist bis zum Alter von 20 Jahren oder für Besitzer der Kulturlegi kostenlos.

Verwendete Quellen
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