Dicke Luft in Adligenswil: Anwohner wehren sich gegen Hühner-Mastbetrieb
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In Adligenswil herrscht Aufruhr. Der Grund: ein Hühnermastbetrieb. Die Anwohner sind über die Pläne des ansässigen Bauern empört. Trotz der Einwände hat der Gemeinderat für den Güggelimastbetrieb grünes Licht gegeben – zum Missfallen der betroffenen Anwohner. Jetzt landet der Fall vor dem Kantonsgericht.
Dicke Luft in Adligenswil: In der Luzerner 5’472-Seelen-Gemeinde wurde ein industrieller Hühnermastbetrieb mit 72’000 Hühnern im Naherholungsgebiet auf dem Dottenberg bewilligt. Das passt längst nicht allen. In der Gemeinde regt sich Widerstand. Die IG Dottenberg, die bereits im Jahr 2017 eine Petition beim Gemeinderat gegen das Vorhaben eingereicht hat, übt scharfe Kritik.
«In Zeiten von klaren gesellschaftlichen Zeichen mit Massentierhaltungsinitiative, Trinkwasserinitiative, Pestizidinitiative und Klimathemen ist das an der Gesellschaft vorbei entschieden und nicht zukunftsorientiert», sagt Petra Lustenberger, Anwohnerin und Initiantin der IG Dottenberg, zu zentralplus.
Die zweifache Mutter lebt zusammen mit ihrem Mann und den Kindern, die vier und sieben Jahre alt sind, seit 2014 in Adligenswil. Die Familie hat sich damals eine Haushälfte gekauft. Verkäufer war ebenjener Bauer, der nun gleich nebenan – direkt auf der anderen Strassenseite – den Hühnermastbetrieb bauen will.
Knatsch wegen Güggelimastbetrieb dauert schon seit Jahren an
Die Aussicht, dass massive Immissionen durch industrielle Hühnermästung entstehen, sorgt bei der IG für Nasenrümpfen: «In Adligenswil stinkt es bald bis zum Himmel.» Doch das ist laut der Hauptgegnerin des Güggelimastbetriebs nur einer von etlichen Gründen, warum sie und rund 100 Petitionäre ein klares Nein zum Hühnermastbetrieb auf dem Dottenberg fordern.
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Der geplante Bau des Hühnermastbetriebs beschäftigt die Gemeinde bereits seit Jahren. Ende 2016 wurde erstmals ein entsprechendes Baugesuch eingereicht. In der Folge ist es laut Sereina Schmidt, Sprecherin der IG Dottenberg, aber zu Anpassungen aufgrund von Beanstandungen gekommen. Nun aber wurde das Bauprojekt des ansässigen Bauern vom Gemeinderat gutgeheissen, wie es in der aktuellen Ausgabe des Mitteilungsblattes der Gemeinde, «Info Adligenswil», heisst.
«Wenn der Mastbetrieb wirklich kommt, wird unser Grundstück zum Umschlagplatz für Transporter.»
Petra Lustenberger, Anwohnerin
Die IG Dottenberg ist empört. Sie moniert, dass beim Entscheid nie auf Abstandsvorschriften oder Zahlen in puncto Verkehrsbelastung eingegangen worden sei. «Wenn der Mastbetrieb wirklich kommt, wird unser Grundstück zum Umschlagplatz für Transporter», sagt Lustenberger.
600 Mehrfahrten pro Jahr wegen Hühnermastbetrieb
Konkret muss laut der IG Dottenberg mit 600 Mehrfahrten pro Jahr gerechnet werden, zwecks Anlieferung von Futtermitteln und Abtransport der Masthühner. Ausserdem führt die IG an, dass der Mastbetrieb nicht zonenkonform sei. «Der Maststall ist 300 Meter entfernt vom Hof des Bauern und befindet sich somit nicht in unmittelbarer Hofnähe», sagt Lustenberger. Das aber sei gemäss des Bau- und Zonenreglements der Gemeinde Adligenswil zwingend. «Daran hat sich auch der Gemeinderat zu halten», fordert sie.
De facto betrage die Distanz von ihrem Haus an der Dottenbergstrasse zum künftigen Hühnermastbetrieb laut Lustenberger 68 Meter – gesetzlich vorgeschrieben sind 67 Meter. Von Gesetzes wegen also zulässig. Fraglich jedoch ist, wie es um das benachbarte Haus steht, das ebenfalls dem Bauern gehört, aber vermietet ist. Dieses steht deutlich näher. Der Bauer war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
IG Dottenberg wirft Gemeinde Willkür und mangelnde Kommunikation vor
Auf Anfrage von zentralplus bei der Gemeinde erklärt Gisela Widmer Reichlin, Bauvorsteherin von Adligenswil: «Die Gemeinde ist die Leitbehörde fürs Verfahren. Für das Bauen ausserhalb der Bauzone ist aber die zuständige Dienststelle Raum und Wirtschaft des Kantons Luzern zuständig.» Die «Zonenkonformität» für den Hühnermastbetrieb sei laut kantonaler Dienststellen Luzern gegeben, so Gemeinderätin Widmer Reichlin. Laut der Gemeinderätin waren die Verantwortlichen der Dienststelle «mehrfach zur Ortsbesichtigung vor Ort».
Die IG wirft der Gemeinde dennoch fehlende Kommunikation und Willkür vor. «Es befremdet die IG, dass die Baubehörde die 2017 eingereichte Petition erst dreieinhalb Jahre später und auch erst auf Nachfrage von Petra Lustenberger beantwortet hat, dabei aber auf die Interessen der Initianten nicht eingegangen ist», sagt IG-Sprecherin Sereina Schmidt. Für Petra Lustenberger ist klar: «Die Gemeinde zieht sich aus der Verantwortung und schiebt diese auf den Kanton. Adligenswil stützt sich, was die Zulässigkeit der geplanten Bebauung anbelangt, auf den Entscheid der Dienststelle Raum und Wirtschaft des Kantons Luzern.»
Die Stimmung zwischen Gemeinde und Petitionären ist schon länger angespannt. Ein weiterer Tiefpunkt in der Causa Güggelimastbetrieb wurde im Oktober 2020 erreicht. IG-Mitglied und Anwohnerin Inge Schoenmacker hat damals einen Leserbrief für «Info Adligenswil» geschrieben, der zentralplus vorliegt. Doch: «Die Gemeinde hat sich geweigert diesen abzudrucken», sagt Lustenberger. Dieses Verhalten befremdet die Luzernerin. «Ich bin fassungslos. Wir fühlen uns nicht ernst genommen», sagt sie.
«Hühnermastbetrieb hat negative Folgen für das Dorf»
«Der Hühnermastbetrieb bedeutet eine Abwertung des dortigen Naherholungsgebietes. Zudem wird ein derartiger industrieller Mastbetrieb auch negative Folgen für das Dorf haben, ganz zu schweigen von der fehlenden Nachhaltigkeit», sagt Lustenberger. Der Dottenberg zieht nicht nur Wanderer an, sondern ist mit der Kapelle St. Jost auch bei Hochzeitsgästen beliebt. Das Ausbleiben dieser Dottenberg-Besucher würde sich laut IG auch negativ auf die dortige Wirtschaft auswirken.
«Hier draussen ist es idyllisch und ruhig, wir lieben es hier zu leben, aber das wird sich wohl ändern», so Lustenberger. «Meine Kinder müssen täglich entlang der Strasse zur Schule laufen. Dort hat es jetzt schon genug Verkehr, aber wenn dann noch die Lastwagen kommen, die zum Hühnermastbetrieb fahren, habe ich aus Sorge um meine Kinder keine ruhige Minute mehr», so die Mutter.
Zudem habe der Bau eines Mastbetriebs gleich nebenan eine massive Wertminderung für die Immobilie zur Folge. Vor dem Kauf des Hauses seien der Familie keine derartigen Pläne seitens des Besitzers mitgeteilt worden. Die Aussichten sind nicht rosig, denn statt Landidylle müssen die Lustenbergers nun mit «mehr Lärm, mehr Verkehr und mehr Gestank» rechnen, so die zweifache Mutter. Sie will weiterkämpfen und hat beim Kantonsgericht Luzern Beschwerde gegen das Bauvorhaben des Bauern eingereicht.