Menschen am Existenzminimum und Asylsuchende

Der Entscheid von Real ist für die Caritas «sehr einschneidend»

In der Caritas-Kleiderzentrale in Waldibrücke arbeiten aktuell 21 Personen. Zusätzlich befindet sich rund ein Dutzend in einem Integrationsprogramm. (Bild: Caritas Schweiz, Leticia Perrenoud)

Die Caritas darf bald keine Kleidercontainer mehr im Kanton Luzern betreiben. Das hat der Verband Real entschieden. Was bedeutet das nun für die Caritas?

Real vergibt den Auftrag für die Sammlung und Verwertung von Textilien im Kanton Luzern an die zwei Firmen Tell-Tex und Texaid (zentralplus berichtete). Voraussichtlich muss die Caritas bis zum Januar 2024 all ihre 45 Kleidercontainer im Kanton Luzern entfernen. Die Organisation weiss noch nicht, ob sie gegen den Entscheid beim Kantonsgericht eine Beschwerde einreichen wird.

Die Kleiderzentrale der Caritas Schweiz in Waldibrücke (Emmen) sammelte im Jahr 2022 insgesamt 1465 Tonnen Kleider. Mehr als zwei Drittel davon stammen aus Kleidercontainern, die in den Kantonen Luzern, Schwyz, Obwalden und Zürich aufgestellt sind. Der Rest kommt unter anderem von direkten Spenden an Caritas oder von Modehäusern, die ihre Restposten oder überschüssigen Textilien der Caritas zukommen lassen.

Das Wegfallen der Container in Luzern wäre gravierend. Dort kämen nämlich jährlich über 400 Tonnen Kleidung zusammen, teilt Niels Jost von der Medienstelle Caritas Schweiz auf Anfrage mit. Das ist fast ein Drittel aller Kleider, die bei der Kleiderzentrale in Emmen ankommen. Dieser Ausfall wäre für die Caritas «sicherlich sehr einschneidend» sagt Jost.

Caritas gibt die Hälfte der Kleider an Armutsbetroffene und Asylsuchende

Die Hälfte der gesammelten Kleider von der Caritas Schweiz geht an Armutsbetroffene und Asylsuchende. Der Rest wird unter anderem in Secondhandläden weiterverkauft oder in Partnerländer von der Caritas Schweiz exportiert. Laut der Caritas werden sich armutsbetroffene Personen auch in Zukunft bei ihnen einkleiden können. Das Sortiment müsste jedoch verkleinert werden. «Der Entscheid von Real träfe somit ausgerechnet jene, die ohnehin schon in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt sind, nämlich Armutsbetroffene, Flüchtlinge und Asylsuchende», schreibt Jost. Ausserdem stehe der Entscheid im Widerspruch zum Auftrag des Kantons, Asylsuchende und Geflüchtete einzukleiden. Die Caritas Schweiz kritisiert das scharf.

Doch wie kam es zum Entscheid, die Caritas nicht zu berücksichtigen? Laut einer Medienmitteilung vom Kanton im November 2022 soll nämlich mit dem neuen Beschaffungsrecht, das seit Januar 2023 in Kraft ist, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen stärker berücksichtigt werden. Real wird bei dem Entscheid jedoch viel Spielraum gelassen. Im Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen ist nämlich lediglich vermerkt, dass die Angebote anhand «leistungsbezogener Zuschlagskriterien» geprüft werden sollen. Neben dem Preis und der Qualität einer Leistung sollen weitere Kriterien berücksichtigt werden. Nachhaltigkeit folgt erst an siebter Stelle bei der Aufzählung der weiteren Aspekte.

Preis der Dienstleistung war das wichtigste Kriterium

Fabian Zumbühl, Kommunikationsverantwortlicher von Real, verweist auf dieses Beschaffungsrecht. Dieses verpflichte Real, bei der Vergabe von Aufträgen die vorteilhaftesten Angebote zu berücksichtigen. Um die drei Bewerber – Caritas, Tell-Tex und Texaid – zu beurteilen, definierte der Verband sechs Kriterien. Am stärksten gewichtet mit 40 Prozent ist die «Vergütung für die Dienstleitung pro Kilogramm», wie den Submissionsunterlagen zu entnehmen ist. Weiter zählen die «Qualität der Dienstleistung» (25 Prozent) und «Erfahrung und Referenzauftrag» (15 Prozent) dazu. Das Schlusslicht bilden «Innovation» und «soziale und ökologische Nachhaltigkeit» mit jeweils 10 Prozent. Wie die Organisationen bei den jeweiligen Kriterien abgeschnitten haben, kann Real aufgrund des laufenden Verfahrens nicht mitteilen.

Alte Kleidung kann weiterhin direkt bei der Caritas abgegeben werden – entweder in der Kleiderzentrale in Emmen oder auch in den Läden der Caritas Luzern in Hochdorf, Sursee oder der Stadt Luzern. An den leicht zugänglichen Real-Sammelstellen werden Caritas-Container voraussichtlich bald nicht mehr anzutreffen sein.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch und Telefonat mit Niels Jost, Medienstelle Caritas
  • Schriftlicher Austausch mit Fabian Zumbühl, Medienstelle Real
  • Submissionsunterlagen Sammlung und Verwertung von Textilien Real
  • Website Caritas
  • Mitteilung Kanton Luzern November 2023
  • Mitteilung Real
  • Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen
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