Neuer Zugang beim Bahnhof Luzern

Bargeldlos bezahlen ist bei SBB-WCs ein Griff ins Klo

Ohne Karte oder Handy kommst du hier beim Bahnhof Luzern nicht mehr weiter. (Bild: Lesereporterin)

Beim Bahnhof Luzern kann seit einer Weile nur noch aufs WC, wer mit Karte oder Handy bezahlt. Dafür ernten die SBB Kritik. Nachdem sie zuerst daran festhalten wollten, schwenken sie nun wieder um.

Keine Karte? Kein Eintritt. Eigentlich kennt man dieses Szenario eher bei Kinos oder Konzerten. Doch seit Mitte Juni ist dies auch bei den Toiletten im Bahnhof Luzern der Fall. Aufs stille Örtchen darf nur noch, wer mit Karte oder Handy bezahlt. Und plötzlich wird es um dieses Örtchen nicht mehr ganz so still.

Seniorin stand mit voller Blase vor Schranken

Gemäss SBB-Mediensprecher Martin Meier sei eine Erneuerung des Zutrittssystems sowieso angestanden. «Das aktuelle Zutrittssystem in Luzern stand am Ende des Lebenszyklus und es gab keine Ersatzteile mehr», schreibt dieser auf Anfrage. Deshalb haben die SBB die Anlage kurzerhand auf ein bargeldloses System umgerüstet. Mitunter deshalb, weil die SBB dieses System im Rahmen eines Pilotprojekts derzeit an den Bahnhöfen Olten, Schaffhausen, Regensdorf und Uster testet.

Ein Fehlgriff? Gerade in Luzern hat das bargeldlose Bezahlsystem bereits beim Stadtfest Luzern massive Kritik ausgelöst (zentralplus berichtete). So haben auch negative Rückmeldungen zu den Bahnhofs-Toiletten nicht lange auf sich warten lassen.

Im «SRF Espresso» macht eine Seniorin ihrem Ärger Luft. Sie wollte vor dem Umsteigen aufs Schiff noch schnell aufs WC – kam jedoch nicht an den Schranken vorbei. Karte oder Handy habe sie nicht. Zu einem Malheur sei es glücklicherweise nicht gekommen, da eine hilfsbereite Dame für sie schnell bezahlt habe. Das Erlebte machte sie wütend: «Viele Leute haben so keinen Zugang in so einem Moment. Vor allem ältere Leute», erzählt sie in der Sendung.

SBB wollten zuerst nichts daran ändern …

Kritik hat auch die Pro Senectute geäussert. Schweizweit gebe es ungefähr 200'000 Leute, die nicht online sind, schätzt die Organisation. Zwar dürfe man Senioren durchaus zumuten, auch im Alter beispielsweise den Umgang mit dem Handy zu lernen. Trotzdem gebe es Seniorinnen, die dies aus verschiedenen Gründen nicht könnten. «Und diese müssten an solch öffentlichen Orten eine Alternative haben», findet Mediensprecher Peter Burri Follath in der Sendung.

«Ziel ist, dass jede und jeder die Möglichkeit hat, die WC-Anlagen zu nutzen.»

SBB-Mediensprecher Martin Meier

Zu diesem Zeitpunkt hatten die SBB noch kein Musikgehör. In der Sendung verwies SBB-Mediensprecher Martin Meier auf die kostenlose Alternative beim Bahnhofplatz. Das Zutrittssystem sei fix und werde auch nicht mehr geändert. Jedoch werde die SBB noch Informationen aufhängen, wie bargeldlos bezahlen geht.

… doch sie prüfen nun eine Alternative

Inzwischen hat sich der Wind jedoch gedreht. Wie der «Blick» berichtet, prüfen die SBB nun eine WC-Karte, die mit Bargeld bezogen werden kann. Auf Anfrage bestätigt dies SBB-Mediensprecher Martin Meier. «Ziel ist, dass jede und jeder die Möglichkeit hat, die WC-Anlagen zu nutzen, insbesondere auch Personen, welche weder Bankkarte noch Smartphone besitzen.» Das betreffe nicht nur Seniorinnen, sondern auch Kinder und Jugendliche.

Konkrete Angaben dazu, wie die SBB dies umsetzen wollen, kann Meier noch nicht machen. Doch der Sinneswandel kam durch das Feedback. Der grösste Teil der Rückmeldungen auf den Systemwechsel in Luzern fiel negativ aus. Hauptkritikpunkt: das Bezahlsystem. «Das muss man ernst nehmen», so Meier.

An den anderen Standorten betrafen die Kundenrückmeldungen vor allem Lichtverhältnisse, Materialien, die Ausstattung oder die Sauberkeit der Anlagen. Wohl aber auch, weil es an drei der vier Pilot-Standorte jeweils noch ein zweites WC gibt, das mit Münz benutzbar ist.

Verwendete Quellen
  • SRF-Sendung «Espresso» vom 31. August
  • Schriftlicher Austausch und Telefonat mit Martin Meier, Mediensprecher SBB
  • Medienmitteilung SBB zum Pilotprojekt
  • Artikel «Blick»
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12 Kommentare
  • Profilfoto von Remo
    Remo, 10.09.2022, 21:04 Uhr

    Die ü80 Personen, die ich kenne, haben alle entweder Smartphone oder Bankkarte oder beides. Ich frage mich wie Leute ohne Bankkarte heute noch durchs Leben kommen. Haben die ihr Geld unter der Matratze versteckt? Da hört mein Verständnis auf. Und meine über 80 jährige Mutter ist begeisterte E-Banking Nutzerin.

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  • Profilfoto von felix schwaibold
    felix schwaibold, 10.09.2022, 02:53 Uhr

    ich ich einmal im Jahr 2008 auf zürich hb drängend auf wc gehen müsste hatte ich nicht passende munze dazu für oder 2 Franken als ich einmal dringend auf wc gehen musste das wahr ägerlich bis ins coop st anahof weniger Kilometer weiter laufen müsste

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  • Profilfoto von Armando
    Armando, 09.09.2022, 20:16 Uhr

    Einfach nur weltfremd und beschämend. Kundenfreundlichkeit ist bei den SBB noch immer und immer mehr ein Fremdwort. Ich nutze die SBB nur, wenn ich auf den Flughafen Zürich muss, sonst nie. Man merkt immer deutlicher, dass es sich um ein stark subventioniertes Staatsunternehmen handelt, das sich nicht an den Kundenbedürfnissen orientiert.

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  • Profilfoto von hombi
    hombi, 09.09.2022, 15:55 Uhr

    Nicht nur Luzern auch in Olten wird das System kritisiert. Warum nicht kostenloser Zugang zu den Bahnhof WCs mit GA und Halbtax-Abo ermöglichen?

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 10.09.2022, 21:05 Uhr

      Die Idee ist gut. Gefällt mir.

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  • Profilfoto von Erich Staub
    Erich Staub, 09.09.2022, 09:24 Uhr

    Liebe SBB, liebe Städte und Gemeinden, bitte schafft die Gebühren bei Toiletten ab. Freier Zutritt für Alle während 24 Stunden. Investiert das Geld für die Zutrittssysteme in den Betrieb und Unterhalt. Danke

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  • Profilfoto von Stadt Luzerner
    Stadt Luzerner, 08.09.2022, 22:08 Uhr

    Willkommen zurück im 18. Jahrhundert

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    Sepp, 08.09.2022, 20:16 Uhr

    Der Fortschritt schreitet ewig voran. Ist es die Aufgabe der Gesellschaft, die Anpassungsunwilligen zu subventionieren?

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    • Profilfoto von Daniel Steiner
      Daniel Steiner, 08.09.2022, 22:32 Uhr

      Sie können ja weiterhin bargeldlos bezahlen. Wo ist ihr Problem?

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      • Profilfoto von Sepp
        Sepp, 09.09.2022, 07:58 Uhr

        Falls die Anpassungsunwilligen die durch ihnen verursachten Zusatzkosten tragen, gibt es doch kein Problem?

        Ich vermute es kostet doch einiges, Sicherheitsleute für den Bargeldabtransport einzustellen, geschweige denn von Bankgebühren für Münzzählung.

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        • Profilfoto von Remo
          Remo, 10.09.2022, 21:06 Uhr

          Vor allem die Münzautomaten sind nicht gratis und müssen gewartet werden. Da sind die bargeldlosen Systeme garantiert günstiger im Unterhalt.

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    • Profilfoto von Remo
      Remo, 10.09.2022, 21:02 Uhr

      Nein ist es eindeutig nicht.

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