In sechs Schritten durch das Wasserwerk Sonnenberg

Aus diesem Reservoir fliesst bald das Luzerner Trinkwasser

Noch ist das riesige Reservoir unter dem Quellwasserwerk leer, bald wird es mit Trinkwasser gefüllt.

(Bild: jwy)

In Kürze sprudelt mehr Quellwasser aus unseren Wasserhähnen – und Luzerner können sich auf weniger Kalk freuen. zentralplus konnte einen Blick in das neue Werk am Sonnenberg werfen, bevor der erste Tropfen fliesst. Mit Hightech aus Japan betritt Luzern Neuland.

Das eckige Gebäude duckt sich diskret an den Waldrand. Hier in dieser Idylle am Sonnenberg, wo sich Rehe und Jogger Guten Tag sagen, hat die EWL (Energie Wasser Luzern) in den letzten zwei Jahren ihr neues Hightech-Werk für Trinkwasser gebaut, wie es das in der Schweiz noch nicht gibt.

Ab September werden hier täglich bis zu 30 Millionen Liter Quellwasser zu Trinkwasser aufbereitet. Das Werk könnte theoretisch die ganze Stadt allein mit Wasser versorgen. Das ist jedoch nicht das Ziel, das Werk wird aber den Anteil an Quellwasser von derzeit 18 auf rund 50 Prozent steigern. Daneben gibt es noch See- und Grundwasser.

Wie ein Mahnmal steht noch ein Holzhaus vor der neuen Anlage. Doch das Wärterhäuschen des alten Reservoirs wird bald abgerissen und weicht einem Vorplatz.

Das alte Haus vor dem neuen Quellwasserwerk wird bald weichen müssen.

Das alte Haus vor dem neuen Quellwasserwerk wird bald weichen müssen.

(Bild: jwy)

Wir sind an diesem Frühlingsmorgen mit Claudio Ganassi verabredet. Er ist bei der EWL der Mann, der auf alle Fragen rund ums Trinkwasser eine Antwort weiss. Er gewährt uns einen ersten Blick ins fast fertige Quellwasserwerk.

1. Herausforderung: Baustelle im Wald

Das Werk kostet die EWL rund 28 Millionen Franken und steht genau auf der Fläche des ehemaligen Reservoirs von 1874, dem ersten der Stadt Luzern. Die abgeschiedene Baustelle war eine Herausforderung: Ein riesiger Aushub musste zwischengelagert werden, Lastwagen um Lastwagen quälte sich mit Baumaterial, Stahlkonstruktionen und Gerätschaften durch den Wald den Hügel hoch.

Vom unterirdischen Wasser-Reservoir sieht man von aussen nichts mehr, es ist zugedeckt und darauf spriesst wieder das Grün. «Alles was man vom Gebäude an der Oberfläche sieht, gehört zur Aufbereitungsanlage», sagt Claudio Ganassi.

2. Die neue Riesenröhre

Besser ist Quellwasser nicht per se, aber weniger kalkhaltig als Grundwasser. «Das wird man spüren», sagt Ganassi. Und Quellwasser ist «launisch», wie es der Leiter Trinkwasser ausdrückt. Einflüsse wie Regen, Gewitter oder Schneeschmelze machen sich als Verfärbungen unmittelbar bemerkbar, daher muss es gefiltert werden. Dafür habe Quellwasser am wenigsten Einflüsse aus der Zivilisation, wie etwa Verschmutzungen.

Und der grösste Vorteil: Quellwasser kommt gratis an die Oberfläche, es gelangt mit so viel Druck ins Werk, dass es keine Pumpen braucht, um es durch die verschiedenen Reinigungsstufen zu drücken. Dazu hat die EWL im Sommer 2016 eine neue, fast einen Kilometer lange Druckleitung tief unter dem Boden durch den Sonnenberg gebohrt (zentralplus berichtete).

Der Druck entsteht durch den Höhenunterschied: Das Wasser aus 19 Quellen im Eigenthal und Entlebuch wird in der Nähe gesammelt und ins 23 Meter tiefer liegende Werk geleitet.

Vom Schacht an der Zumhofstrasse (hinten) bohrte man ein gut kilometerlanges Loch bis zum Ort (vorne), wo das neue Quellwasserwerk stehen soll (Bild: Schenk AG).

Vom Schacht an der Zumhofstrasse in Kriens (hinten) legte man eine Druckleitung zum neuen Quellwasser-Werk (vorne) (Archivbild: zvg/Schenk AG).

3. Der Weg des Wassers

Einmal drin, staunt man über die Grösse. Die groben Arbeiten und Installationen sind abgeschlossen. Arbeiter sind mit der Verkabelung der vollautomatisierten Anlage beschäftigt. «Das ganze Werk wird später von der Leitstelle an der Industriestrasse aus gesteuert», sagt Ganassi.

Wir folgen dem Weg des Wassers: Durch zwei grosse Rohre im Untergrund kommt es an – durch das eine fliesst Quell-, durch das andere Grundwasser. Zweiteres muss in der Regel nicht gereinigt werden und wird am Schluss dem Trinkwasser beigemischt. Das Quellwasser hingegen hat einen komplizierten Reinigungsmarathon vor sich. Zuerst geht es durch einen Vorfilter, der die groben Partikel rausholt.

Claudio Ganassi zeigt, durch welche Röhren das Wasser ins neue Werk gelangt.

Claudio Ganassi zeigt, durch welche Röhren das Wasser ins neue Werk gelangt.

(Bild: jwy)

4. Das Herzstück: der Keramikfilter

In einem hohen Raum im Erdgeschoss stehen riesige, durch Stahlrohre verbundene Tanks. Es erinnert an eine Bierbrauerei, doch hier fliesst nur Quellwasser. Zuerst durch drei riesige «Kübel» – sogenannte Ozon-Reaktionsbehälter. «Das Ozon desinfiziert und tötet alles ab, was nicht ins Trinkwasser gehört», sagt Ganassi.

Danach geht es in die eigentliche Filteranlage, ins «Herzstück der Anlage», so Ganassi. Wir stehen auf einer Rampe, daneben drei «keramische Filter-Membrananlagen», eingehüllt in massivstem Stahl aus der Rüstungsindustrie. Eine solche Anlage gibt es bisher nur einmal in Europa, in Holland. «Dass wir damit Quellwasser aufbereiten, ist sogar eine Weltpremiere», so Ganassi nicht ohne Stolz. Die Keramikfilter kommen aus Japan und sind viel langlebiger als Kunststoff. Es ist zwar in der Anschaffung teurer und es waren etliche Pilotversuche nötig. Aber jetzt weiss Ganassi: «Für unser Wasser ist es genau das Richtige.»

 

In jedem Topf hat es 37 Filterkerzen aus Keramik mit allerfeinsten Poren von nur gerade 0,1 Mikrometer Grösse. Damit wird das Wasser schonend gereinigt, ohne dass es seine Mineralien verliert.

Die heftige Konstruktion hat ihren Grund: «Die Anlage muss wahnsinnigen Druck aushalten», sagt Ganassi. Dies, weil die Filter automatisch mit einer Rückspülung gereinigt werden. «Es ist sensationell, wie das laufend und innert wenigen Sekunden geschieht», schwärmt er.

5. Der Wow-Effekt: das Reservoir

Für den Wasser-Experten mag der Filter das Highlight sein, für den Besucher folgt es jetzt. Das Wasser fliesst zuerst noch durch einen Aktivkohlefilter, um das Ozon zu tilgen, danach geht es in den Untergrund und schliesslich ins Reservoir. Es dauert ein paar Sekunden, bis Claudio Ganassi die dicke Türe geöffnet hat, er dreht und dreht wie bei einer Tresorkammer. 

Danach schreitet man ins riesige Reservoir mit zwei Kammern à je 3’000 Kubikmeter – das sind 3 Millionen Liter. Gebaut aus reinem, glattem und hartem Beton. Jetzt ist die Betonhalle noch leer, man muss sich das blau schimmernde Trinkwasser-Meer vorstellen.

Wow-Effekt und Hall: Das riesige Reservoir, das bald mit Wasser geflutet wird.

Wow-Effekt und Hall: Das riesige Reservoir, das bald mit Wasser geflutet wird.

(Bild: jwy)

Claudio Ganassi spricht leise, das Echo von den kahlen Betonwänden ist unerbittlich. «Die Konstruktion hat hohe Anforderungen an Statik und Bautechnik, weil sie ohne Säulen auskommt», flüstert er. Das Wasser kommt von oben mit Druck ins Reservoir ­– von 100 Litern Quellwasser kommen hier 98 an. «Das Werk ist sehr effizient, der Verlust minim.» Durch ein Loch in einer Ecke fliesst es schliesslich in die Luzerner Haushalte. In die Trinkhähne und Brunnen vom Tribschen- bis Bruchquartier, von Littau bis in den Maihof.

6. Was jetzt noch passiert

Zehn Jahre nach der ersten Studie wird das Werk im September seinen Betrieb aufnehmen. Die letzten Montagen werden bis im Mai abgeschlossen, danach folgen Reinigungen und Tests. Bisher ist noch kein Tropfen Wasser durch die Leitungen gelaufen.

Das Gelände rundherum wird wieder den Käfern, Vögeln und Kröten überlassen. Die ganze Baustelle wird renaturiert und aufgeforstet. «Wir gestalten es schöner als zuvor», verspricht Ganassi.

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