Luzerner Stefan Tanner ändert Leben nach Hirntumor

Aus dem Schatten des Papstes, rein in die Sonne des Weines

Der Schweizergardist und der Papst: Stefan Tanner und Johannes Paul II. im Jahr 2003.

(Bild: zvg)

Von der Hellebarde zum Zapfenzieher, vom Papst zum Wein: Einst war Stefan Tanner Schweizergardist, jetzt eröffnet er in Luzern eine Weinbar. Ursprung des abrupten Karrierewechsels war Tanners schwere Krankheit. Die lässt ihn heute leichter leben.

«Frui amore vivere» steht am Schaufenster. Die Liebe am Leben zu geniessen, das hat Stefan Tanner (35) im Sinn. Denn der Mann aus dem Entlebuch ist in der Verlängerung. Zweimal schon hat er eine schwere Krankheit überstanden. «Ich bin dankbar, dass ich noch hier auf der Erde sein darf.»

Neue Berufung: Stefan Tanner strahlt vor seinem Weinsortiment im «Gardist».

Neue Berufung: Stefan Tanner strahlt vor seinem Weinsortiment im «Gardist».

(Bild: hae)

Und er lebt zufrieden. Schliesslich kann Stefan Tanner wieder sprechen, seine Hände benutzen – vor ein paar Jahren noch war er aufgrund eines Hirntumors phasenweise einseitig gelähmt. Er konnte sich eine Zeit lang nicht mehr an alles erinnern.

Disziplin beim Papst gelernt

Bewegen, reden, sich erinnern, das alles geht heute wieder. Er hat zwar immer noch Mühe, sich abends nach einem anstrengenden Tag zu konzentrieren. «Aber ich strenge mich an, wieder voll zu Kräften zu kommen.» Diesen Willen verdankt er seiner harten Schule als Schweizergardist in Diensten des Papstes.

Der Soldat und der Schwur: Stefan Tanner bei der Vereidigung 2002 in Rom.

Der Soldat und der Schwur: Stefan Tanner bei der Vereidigung 2002 in Rom.

(Bild: zvg)

«Disziplin war das höchste Gut, das ich erlangen konnte: zum Beispiel drei Stunden ohne mich zu rühren an ein und demselben Ort stehen.»

Da bekam er schon mal Hühnerhaut an einer Ostermesse, wenn er seinen Dienst neben dem Papst verrichten durfte. Und dennoch, zwei Jahre waren genug als Soldat in der 110-köpfigen Schweizergarde: Tanner wollte nicht weitermachen und kehrte in seine Heimat ins Entlebuch zurück.

«Papst Johannes Paul II. hatte eine Aura, die vibrierte.»

Stefan Tanner, ehemaliger Schweizergardist in Rom

Obwohl ihn Johannes Paul II. mächtig beeindruckte: Was für ein Papst das gewesen ist! «Mit einer Aura, die vibrierte», erinnert Tanner sich. Zweimal durfte er dem Stellvertreter Gottes auf Erden die Hand schütteln.

Er ging danach zurück nach Hasle als Maschinenmechaniker, zog weiter als Polizist nach Zug, wo er am Schluss bei der Spurensicherung arbeitete und heute nach der krankheitsgeprägten Zeit als ziviler Mitarbeiter weiterhin beim Kanton Zug im Büro der Polizei arbeitet.

Sprachprobleme, Lähmungen

2010 kam der erste Schicksalsschlag: Gehirntumor aufgrund eines Gendefektes, er hatte Sprachprobleme und Lähmungen rechts. Operation, Rehabilitation, Heilung. Fünf Jahre später hatte er den Krebs erneut an der gleichen Stelle. Erneute Operation, sieben Wochen Rehabilitation, tägliche Bestrahlungen über sieben Wochen und elf Monate Chemotherapie. «Rund 15 Zentimeter lang ist die Narbe auf der linken Schläfenseite.»

Mit nüchternen Worten bekämpft Tanner den Dämon, auch heute noch. Und immer wieder schaut er sich die Fotos seiner Wunde an. «Mann, habe ich Schwein gehabt, jetzt will ich das Leben einfach bewusster geniessen. Und mich nicht mehr wegen Kleinigkeiten aufregen.» Psychisch war das zwar eine schwierige Zeit, doch sein ganzes Umfeld gab ihm Halt.

«Seit Rom habe ich den Traum einer Vinothek, dankbar habe ich ihn nun umgesetzt.»

Stefan Tanner, Polizist in Zug und Hobby-Sommelier

Stefan Tanner hat gern liebe Menschen um sich, deshalb hat er sich nun seinen Traum, die Weinbar, verwirklicht. In Luzern, wo er seit Jahren lebt, und in einem Lokal, in dem zuvor Liebe und Süsses verkauft wurden: An der Bireggstrasse 20 waren ein Massage-Salon und ein Cupcake-Laden eingemietet.

Jedoch ohne Erfolg. Jetzt sollen es Tanners Weine richten. Es ist ein Hobby, sozusagen ein Ausgleich. Deshalb ist die Bar auch nur donnerstags, freitags und samstags offen. «Seit Rom habe ich den Traum einer Vinothek, dankbar habe ich ihn nun umgesetzt», sagt er.

Italianità für Luzern

Zudem will er seine geliebte Italianità den Luzernern an der Bireggstrasse in der Luzerner Neustadt weitergeben: «Gardist» nennt er seine kleine Bar. Und bei Wein steht er Gewehr bei Fuss und Zapfenzieher in der Hand: Stefan Tanner hat Amarone im Sortiment, ebenfalls Primitivo. Er will seinen zukünftigen Kundinnen und Kunden auch andere, nicht so bekannte Weine schmackhaft machen: beispielsweise exotische Chinesen.

Bei den Franzosen sei er noch nicht wirklich angelangt, lieber sucht er sich eine Perle wie den Toskaner Wein «Le Pietrine» aus dem Jahre 2011 von einem ganz kleinen Weingut. Wie der wohl schmeckt? Also auf mit der Flasche – und ran an die Nase.

«Sehr fruchtiger Brombeergeschmack», sagt Tanner genüsslich und lächelt. Wir werfen «Schoggi» als Geschmackserlebnis ein, auch das findet der mittlerweile gelernte Sommelier passend. Jedenfalls: ein schöner Wein, welcher in der Schweiz nur bei Tanner zu verkosten und zu kaufen ist.

WC soll das schönste der Stadt werden

Tanners «Gardist» ist ein gemütlicher Ort, der in der Neustadt auch als Quartierbeiz funktionieren könnte. Darauf arbeitet Tanner hin, mit fairen Preisen ab gut 5 Franken pro Glas Wein, nach oben natürlich offen. Übrigens, das WC soll eines der schönsten der Stadt sein.

Das schönste WC der Stadt: efeuumrankte Wände an der Luzerner Bireggstrasse.

Das schönste WC der Stadt: efeuumrankte Wände an der Luzerner Bireggstrasse.

(Bild: zvg)

Für den Um- und Ausbau spannte er Freunde aus seiner Region ein: Kreative von «Hausschmuck» aus Malters koordinierten die Einrichtung und führten sie aus. Die Schreinerarbeiten wurden vom ehemaligen Nachbarn Tanners in Hasle, der Schreinerei Haas, erledigt. Das Holz stammt aus einem alten Gebäude in Schüpfheim, ein Nachbarort von Stefan Tanners Heimat.

Im Mittelpunkt aber stehen erstklassige Weine, kleine Köstlichkeiten wie Antipasti, hin und wieder auch köstliche Rauchwurst, Gulasch oder Caprese, Tomaten mit Mozzarella. Wer zur Tür hereintritt, soll sich stets wohlfühlen.

Wohlfühlen, das ist eine Gesinnung, die Stefan Tanner erst wieder erlernen musste. Die er jetzt aber wieder geniessen kann. Prost! Auf das Leben. Das ist es, was Tanner heute vor allem umtreibt: Liebe, Leben, Genuss.

Es sind die guten Essenzen. Wie in einem feinen Wein.

Der Sommelier und die Weine: Stefan Tanner mit Italienern in seiner Bar «Gardist».

Der Sommelier und die Weine: Stefan Tanner mit Italienern in seiner Bar «Gardist».

(Bild: hae)

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