In Luzern boomen die Foodcoops

Auf einen Grosseinkauf bei Tante Emmen

In Anhängern können die Food-Coop-Mitglieder ihre Waren abholen.

Bewusster, lokaler und nachhaltiger Lebensmittel kaufen und gleichzeitig ein Gemeinschaftsgefühl aufkeimen lassen – das ist die Idee von sogenannten Foodcoops. Wie beliebt dieses Einkaufsmodell mittlerweile ist, beweist ein noch junges Projekt in Emmen.

Ein sogenannter Tante-Emma-Laden war früher in vielen Gemeinden der Treffpunkt schlechthin. Ein lokales Geschäft, in welchem Mann und Frau die Sachen des täglichen Bedarfs einkaufen und dabei noch einen Schwatz halten konnte. Mit dem Aufkommen der Grossisten verschwanden solche Geschäfte. Das Einkaufen wurde automatisierter und anonymer, sodass heute das Ambiente eines Tante-Emma-Ladens höchstens noch in Reformhäusern oder Unverpackt-Läden zu finden ist.

Solche Einkaufsmöglichkeiten gibt es zumeist nur in Städten. Sie bieten werthaltige Produkte, die auch entsprechend kosten. Genau hier kommt die Foodcoop ins Spiel. Dabei vereinen sich Lebensmittel-Konsumenten zu einer Kooperative, die gemeinsam Grosseinkäufe direkt von den jeweiligen Produzenten tätigt.

Das Konzept wird immer beliebter. Innert kurzer Zeit sind in Luzern, Kriens und Emmen neue Foodcoops entstanden. Im Unter-Grundhof nahe der Reuss in Emmen liegt die Foodcoop mit dem sinnigen Namen Tante Emmen.

Selbstbestimmtes Einkaufen

«Eine Foodcoop ist ein Zusammenschluss von Menschen, die zusammen Lebensmittel beschaffen und so eine alternative Wirtschaft bilden, die den Zwischenhändler ausschaltet», erklärt Michelle Kohler Jiménez. Sie ist Präsidentin des Vereins Tante Emmen, wobei der Amtstitel nicht viel bedeute, da alle sieben Mitglieder des Vereinsvorstands gleichgestellt seien. «Die Motivation besteht darin, selbstbestimmt einzukaufen und dies in Gemeinschaft zu erarbeiten», sagt Kohler Jiménez.

Besonders die Sortiments-Gestaltung werde im Kernteam rege diskutiert. «Dieses Hin und Her mit der Frage, was man konsumieren will und woher es kommen soll, ist sehr spannend und extrem lehrreich», erzählt Kohler Jiménez. «Der Vorteil ist, dass man an sehr hochwertige Produkte aus der Umgebung kommt, die trotzdem zahlbar sind.»

Bei Tante Emmen gibt es derzeit vor allem gut haltbare, biologische Grundnahrungsmittel wie Getreide, Reis oder Teigwaren sowie Hülsenfrüchte, Öle, Mehl, Nüsse oder Getreidedrinks zu bestellen. Dazu kommen Dinge wie lokales Bier, Konfitüren, Kräuter und Saisonales aus der Region. Frischwaren gibt es nur in sehr kleinem Rahmen, Kosmetik und Kleidung gar nicht. Dafür werden demnächst Waschmittel und Seifen ins Sortiment aufgenommen.

Steigende Zahlen und viele Schultern

Tante Emmen wurde Ende 2020 mit knapp 20 Mitgliedern gegründet. Mittlerweile verwaltet der Verein rund 45 sogenannte Bestellgruppen. Das sind oft Familien, es können aber auch Einzelpersonen, Paare oder Gemeinschaften sein. Bei Eintritt zahlen die Mitglieder 50 Franken, danach jährlich 20 Franken Vereinsbeitrag. Zudem helfen sie bei der Aufgabenbewältigung rund um die Foodcoop. «Anfangs blieb viel Arbeit noch beim Kernteam hängen», erzählt Kohler Jiménez. «Aber die Idee ist, dass sie sich mit der Zeit auf möglichst viele Schultern verteilt».

«Wenn sich jetzt nochmals viele Leute bei uns melden, würden wir sie dabei unterstützen, eine neue Foodcoop zu gründen.»

Michelle Kohler Jiménez

Pro Jahr gibt es vier definierte Bestellfenster. Die Mitglieder bezahlen per Vorkasse und haben jeweils rund zehn Tage Zeit, um online mit der Bestellsoftware «Foodsoft» ihre Waren zu bestellen. Pro Bestellfenster kommen so Wareneinkäufe für sieben- bis zehntausend Franken zusammen. Die Waren werden jeweils am Freitag geliefert und am Samstagmorgen wird in Gemeinschaft abgepackt. Am Nachmittag holen die Mitglieder ihre Bestellungen ab.

Einkauf mit Glücksgefühlen

Als zentralplus den Abholtag von Tante Emmen besucht, werden gerade neue Mitglieder eingeführt und es wird über die Gründung der nächsten Foodcoop in Nidwalden diskutiert. «Mittlerweile haben wir eine Grösse erreicht, die weiteres Wachstum im bestehenden Rahmen schwierig macht», sagt Kohler Jiménez. «Wenn sich jetzt nochmals viele Leute bei uns melden, würden wir sie dabei unterstützen, eine neue Foodcoop zu gründen.» Auch Tante Emmen habe bei der Gründung von der Vorarbeit der Foodcoop Luzern profitiert.

Vieles wird zwischen Foodcoops voneinander übernommen. Seien es Bestellgruppen, Kenntnisse über regionale Produzenten oder auch Strukturelles wie die Bestell-Software. Besonders schön an der Arbeit in der Kooperative seien für Michelle Kohler Jiménez die Momente der Bestätigung «auf dem richtigen Weg» zu sein. «Zum Beispiel, wenn Produzentinnen uns sagen, dass sie froh sind, um unsere Aufträge, weil sie sich aus dem Grosshandel zurückziehen möchten.»

Solche Glücksgefühle gebe es beim Einkauf im Laden nicht. Und in Zukunft möchte Tante Emmen noch näher zu den Produzenten wie zum Beispiel der Mühle Geuensee, wo verschiedene Getreidesorten verarbeitet werden. «Es ist geplant, dass wir Ausflüge anbieten, um vor Ort zu sehen, wie das Lebensmittel entsteht.»

Klimafreundlich unterwegs

Wer bei einer Foodcoop bestellt, muss sich entsprechend organisieren. Es muss überlegt sein, was eingekauft und wie es transportiert wird. «Dass man die Sachen mit zwei Händen abtransportieren kann, ist in der Regel unmöglich», sagt Kohler Jiménez. Die Mitglieder aus der Umgebung und der direkten Nachbarschaft kommen mit dem Handwagen vorbei.

«Ich habe mich am Anfang auch gefragt, wo ich all diese Esswaren hintun soll. Aber mittlerweile möchte ich es gar nicht mehr anders haben.»

Für diejenigen, die weiter weg wohnen, ist es schwieriger, derart klimafreundlich zu bleiben. «Es gibt auch Leute, die mit dem Auto kommen müssen», gesteht Kohler Jiménez. «Aber da hat man damit begonnen, eine Person zu beauftragen, um die Waren für alle aus dem selben Quartier abzuholen.» Lastenvelos seien auch sehr praktisch und könnten gemietet werden. «Ein Auto ist definitiv nicht Voraussetzung, um bei einer Foodcoop dabei zu sein, das wäre ja Unsinn», betont Kohler Jiménez. «Wenn man einmal beginnt, so einzukaufen, treten andere Sachen in den Hintergrund». Für sie als Familienfrau mit zwei Kindern seien die grossen Mengen praktisch und die tieferen Preise attraktiv. So stehe auch der sehr spontanen Einladung mehrerer Gäste jeweils nichts im Weg.

Übrigens: Ursprünglich wollte Michelle Kohler Jiménez letztes Jahr mit ihrer Schwester einen Unverpackt-Laden eröffnen. Dann kam die Pandemie dazwischen. Das Tante-Emmen-Projekt erwies sich für sie als perfekte Alternative. «Ich habe mich am Anfang auch gefragt, wo ich all diese Esswaren hintun soll. Aber mittlerweile möchte ich es gar nicht mehr anders haben.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Daniel Steiner
    Daniel Steiner, 05.10.2021, 18:35 Uhr

    Mir gibt der Einkauf auf dem Markt auch jede Woche ein Glücksgefühl. Ist regional, nachhaltig und auch ohne Zwischenhändler

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